Leserbrief : Emotionale Bindung an eine ungenutzte Wiese

Zum Leserbrief „Schallende Ohrfeige“ (BNN vom 12. Juli) nimmt dieser Leser Stellung:
Für die „schallende Ohrfeige“, die das Verwaltungsgericht nach Ansicht von Herrn Jörg Bürgermeister Rupp verpasst hat, halte auch ich meine Wange hin, denn auch ich habe der Fragestellung zugestimmt. Herr Jörg hat nur leider übersehen, dass fünf Sechstel der „Ohrfeige“ dem Turnverein und Herrn Jörg galten. So der Kostenteilungsschlüssel des Verwaltungsgerichts.
Der Turnverein beziehungsweise Herr Jörg stellten den Antrag, den Bürgerentscheid am 16. Juli mit der vom Gemeinderat einstimmig beschlossenen positiven Fragestellung nicht durchzuführen und der Gemeinde zu untersagen, vor dem Bürgerentscheid eigentumsrechtliche Entscheidungen in Bezug auf den Turnplatz zu treffen.

Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Bürgerentscheid am 16. Juli stattzufinden hat, die Fragestellung den Vorrang der repräsentativen gegenüber der unmittelbaren Demokratie zu berücksichtigen hat, und dass eigentumsrechtliche Verfügungen der Gemeinde unbenommen bleiben.
Die neue Fragestellung lautet nun: „Sind Sie gegen den Verkauf einer Teilfläche des gemeindeeigenen Turnplatzes für den Bau eines Pflegeheims?“ Vorher lautete die Frage „ Sind Sie für…“.
Dieses juristische Geplänkel verstellt den Blick für die unstrittigen Fakten. Ende 2005 bekundete ein Investor Interesse am Bau eines Pflegeheims in Gondelsheim mit 30 Pflegeplätzen und einem Bauvolumen von 3,5 Millionen Euro. Der Gemeinderat beschloss mehrheitlich, hierfür eine Teilfläche des gemeindeeigenen Turnplatzes zum Preis von rund 250 000 Euro zur Verfügung zu stellen, da der Turnplatz seit dem Bau des Schlossstadions 1988 so gut wie nicht mehr genutzt wird. Gegen diesen Beschluss initiierte der Turnverein mit großem emotionalen Aufwand ein Bürgerbegehren mit dem Ziel, den Gemeinderatsbeschluss durch einen Bürgerentscheid aufheben zu lassen. Er berief sich dabei unter anderem auf ein moralisch begründetes Eigentumsrecht. Der Turnplatz ist juristisch eindeutig Eigentum der Gemeinde.
Hier stehen also weit hergeholte Traditionen des Turnvereins gegen soziale und wirtschaftliche Vorhaben der Gemeinde. Hier steht die emotionale Bindung an eine ungenutzte Wiese gegen ein Pflegeheim mit 30 Pflegeplätzen, acht Pflegewohnungen und 15 Arbeitsplätzen.
Es ist zu fragen, ob der Gesetzgeber das Instrument des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids geschaffen hat, um emotionsträchtige, offensichtlich unbegründete Einzelinteressen über das Gesamtwohl zu stellen.
Ich lasse mich in diesem Falle gerne ohrfeigen.

Dietmar Freisler
Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion und
Ehrenmitglied des Turnvereins
Gondelsheim

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