Bahnstromkabel sollten einst den Stromberg durchschneiden / Bretten klagte gegen Trassenführung / Erster ICE fährt am 31. Mai über Schnellbahntrasse
Von unserem Redaktionsmitglied Ulrich Schweizer
Bretten. 188 Kilometer ist sie lang und wird von 516 Stahlgittermasten mit einem Gesamtgewicht von 8 200 Tonnen getragen. Die Bahnstromleitung Flörsheim-Stuttgart, die der Schnellbahn auf ihrer Fahrt einmal den nötigen Strom spenden wird, kostete insgesamt mit allen elektrotechnischen und maschinentechnischen Anlagen 382 Millionen Mark und wurde am Wochenende in Betrieb genommen (wir berichteten kurz). Was der Brettener Oberbürgermeister in Anwesenheit der Spitzen der Bahn, des Bundestagsabgeordneten Klaus Bühler und dem Bürgermeister der Stadt Kraichtal per Knopfdruck in Betrieb setzte, hat seine Vorgeschichte, und es entbehrt nicht ganz der Pikanterie, daß ausgerechnet Paul Metzger auf den roten Knopf zur Inbetriebnahme des Unterwerks Kraichtal drückte. War doch der Brettener OB einer der schärfsten Gegner dieser Bahnstromleitung.
Zunächst sollte die Freileitung mit einer Netzspannung von 110 kV über den Naturpark Stromberg geführt werden, was viele Gegner, darunter die Naturschutzverbände und den Forst, auf den Plan rief. Auch die betroffenen Gemeinden schlossen sich der Ablehnungsfront an. Schließlich verfügte der damalige Regierungspräsident Trudpert Müller, das umstrittene Teilstück zwischen Bauerbach und Illingen innerhalb des Verfahrens nicht planfestzustellen.
Ab 1985 wurde nach neuen Wegen für die Bahnstromleitung gesucht und in einem erneuten Planfeststellungs-verfahren die jetzige Trasse der Leitung festgelegt.
Doch auch gegen diese Linie regte sich Widerstand, der vor allem im Erzkreis begann. Bretten schwenkte ’86/’87 auf die Linie der Gegner ein. Die Alternativvorschläge der Gemeinden, eine Montage der Bahnleitung auf vorhandenen Masten des Badenwerks und der EVS, wurde ebenso aus technischen Gründen von der Bundesbahn abgelehnt wie der Vorschlag, die Kabel im Boden zu verlegen. Alle Einwände wurden auch von der Planfeststellungsbehörde, dem Regierungspräsidium, abgeschmettert. Daraufhin zogen die Gegner vor Gericht und klagten gegen den Beschluß. Einem angeordneten „Sofortvollzug“ des Bundesverkehrsministeriums setzten die meisten Gemeinden dann – trotz laufender Klage – nichts mehr entgegen und ließen sich lieber von der Bahn finanziell entschädigen.
„Die Klagefront war damals schon erheblich abgebröckelt“, räumte der Brettener OB ein. „Bretten war der letzte Klagepfeiler.“ Die Bundesbahn habe den Gemeinderat der Stadt schließlich davon überzeugt, „daß die DB-Planung sinnvoll ist“, so Metzger heute. Bretten zog 1989 seine Klage ebenfalls zurück.
„Die jetzige Trasse löst bei uns nach wie vor keine Begeisterungsstürme aus“, meint Metzger auch nach der Inbetriebnahme der Bahnstromleitung. Jetzt hofft der OB auf eine weiterhin auf eine weiterhin erfolgreiche Arbeit einer Arbeitsgruppe die damals zur Strukturverbesserung im Schienennetz zwischen Bundesbahn und der Stadt Bretten gebildet worden war. Sie bearbeitet auch das ÖPNV-Konzept, zu dem die Stadtbahn Karlsruhe-Bretten gehört.
Die Bahn hat sich nach eigener Aussage alle Mühe gegeben, die Natur soweit wie möglich zu schonen. Nicht nur, daß die Belange des Landschaftsschutzes und der Land- und Forstwirtschaft zum Beispiel mit der weiträumigen Um gehung des Naturparks Stromberg berücksichtigt wurden. Die Bahnbauer griffen bei der Installation der Leiterseile von Mast zu Mast sogar auf Hubschrauber zurück, um aufwendig Arbeiten am Boden zu vermeiden. Soweit wie möglich, so die Bahn, sei die Bahnstromleitung mit vorhandenen Infrastruktureinrichtungen und Hochspannungsleitungen der Energieversorgungsunternehmen gebündelt worden.
Am 2. Juni sollen die ersten Züge die neue Schnellbahntrasse befahren. Fünf Sternfahrten von den Ausgangsbahnhöfen Hamburg, München, Stuttgart, Wiesbaden und Bonn nach Kassel sollen die Zeit der Superschnellzüge einläuten. Schon am 29. Mai ist die Inbetriebnahme der Gesamtschnellstrecke auf der Kasseler Wilhelmshöhe vorgesehen. Am 31. Mai folgt die Übergabe des baden-württembergischen Teilstücks zwischen Mannheim und Stuttgart.
Der ICE – Stückpreis 54 Millionen – wird dann die Fahrzeit zwischen Hamburg und München von sieben auf fünf Stunden verkürzen.
ja,ja, die Politiker, erst Gegner, dann stehen sie selbst unter „Strom“ und machen das Gegenteil von dem, was sie gerade noch bekämpfen wollten!