Bürger bringen Turm wieder unter die Haube

Die Brettener wollen ihr Stadtbild in ehrenamtlicher Arbeit der Vergangenheit anpassen
BRETTEN. Vor 320 Jahren haben französische Truppen das Dach des Brettener Pfeiferturms abgefackelt. Jetzt soll das seither kopflose Wahrzeichen im alten Glanz erstrahlen. Das kostet die Kommune nichts, weil die örtlichen Handwerker alles umsonst machen.

Von Wieland Schmid
Die rund 28 000 Einwohner von Bretten (Kreis Karlsruhe) wissen genau, wie ihr OB denkt. „Wenn die Bürger etwas wollen, sollen sie sich einbringen“, lautet die Devise von Paul Metzger, seit er 1985 erstmals zum Chef der nordbadischen Kommune gewählt worden ist. Das gilt auch für das letzte große Bauprojekt, das der mittlerweile 64-jährige OB vor seinem Abschied in den Ruhestand im Januar 2010 anpackt: Am 13. Juni soll ein Teleskopkran aus Stuttgart den 550 Jahre alten Brettener Pfeiferturm wieder unter die Haube bringen, die ihm die Franzosen geraubt hatten. Eine eigens gegründete „Bauhütte“ der einheimischen Handwerker wird das 35 Tonnen schwere neue Walmdach in ehrenamtlicher Arbeit bauen.

„Das ist nicht selbstverständlich, dass alle Handwerksbetriebe einer Stadt so etwas als Gemeinschaftswerk betrachten“, lobt der Rathauschef den Eifer der Brettener. 37 Blechner, Dachdecker, Hoch- und Tiefbauer, Fensterbauer, Glaser, Schlosser, Metallbauer, Zimmerleute, Schreiner, Maler, Zeltbauer, Vermesser, Hebemeister, Elektriker und Drucker haben sich in der „Bauhütte Pfeiferturm“ unentgeltlich „aus Liebe zu ihrer Heimatstadt“ zur Fron verpflichtet. Sie wollen, wie es in einer von allen feierlich unterschriebenen Urkunde heißt, auf dem Wahrzeichen ihrer Stadt „wieder die altehrwürdige und geziemende Bedachung errichten, die das Heer des Sonnenkönigs Louis XIV. anno 1689 in schändlicher Weise zerstöret hat“. Dabei will auch der Oberbürgermeister in den Blaumann schlüpfen und als „Handlanger und Fugenspezialist“ tatkräftig mit anpacken.

Die Brettener haben Erfahrung mit solchen Projekten. In ehrenamtlicher Arbeit haben Rathauschef Metzger und Hunderte von Bürgern schon historische Gebäude wie das Gerberhaus, den „Schweizer Hof“, das Schützenstüble, Teile der Stadtmauer oder den Simmelturm restauriert und damit die Stadtkasse um vier Millionen Euro entlastet. Wer mithilft, wird automatisch in die „Bürgerinitiative Brettener Heimat- und Denkmalpflege“ aufgenommen und damit wie jeder Stadtrat nach der Gemeindeordnung versichert, was die Kommune ebenfalls keinen Cent kostet. Außerdem werden alle Kosten über die städtischen Rechnungsprüfer abgewickelt und säuberlich im Etat aufgelistet.

So machen es die Brettener auch mit dem neuen Dach des Pfeiferturms. Wie der insgesamt 17 Meter hohe Dachstuhl auf dem bisher 26 Meter hohen Turm aussehen soll, hat der 67-jährige Diplomingenieur Adolff Wickel in mehr als zwanzigjähriger „Grundlagenforschung“ mit Hilfe eines Merianstichs aus dem Jahr 1645 ausgetüftelt und mit dem Denkmalamt abgestimmt. Zusammengesetzt werden soll die mit Titanzinkblech ummantelte Holzkonstruktion unweit des Turms auf einem Parkplatz. Obenauf kommen ein Glockentürmchen und eine Edelstahlwindfahne, die das in ganz Baden bekannte „Brettener Hundle“ darstellt. Das fette, mopsartige Tier haben die häufig belagerten Brettener der Sage nach verblüfften Angreifern gezeigt, die danach nicht mehr an den Hungertod der Verteidiger glaubten und abzogen.

Wenn das neue Dach im Gesamtwert von etwa 160 000 Euro aufgesetzt ist, wollen die ehrenamtlichen Helfer den Turm auch innen renovieren, eine Holztreppe mit 117 Stufen bauen und ein Museum einrichten. Geplant ist laut OB Metzger „eine Präsentation der gesamten Stadtverteidigung“ auf drei Etagen. Ganz oben auf dem Bauwerk allerdings sollen Turmfalken einziehen, deren Treiben ständig mit Videokameras gefilmt wird. „Das kann dann für unsere Schüler hochinteressant werden“, sagt händereibend der OB.

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Eine Antwort zu Bürger bringen Turm wieder unter die Haube

  1. RL sagt:

    Nun, hoffen wir, dass die Leistungen der Handwerker nicht umsonst sondern kostenlos gemacht werden. Und wozu braucht man Elektriker bei einem Dach welches wie vor 320 Jahren aufgebaut werden soll? Gab es damals in Bretten schon Strom?

    Ansonsten super Idee aus dem alten Kasten mal was zu machen…

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