Stadt soll mit Krediten gezockt haben

von Holger Knöferl
PFORZHEIM. Hat die Stadt Pforzheim mit ihren Krediten verbotenerweise spekuliert? Ja, sagt ein Bericht der Gemeindeprüfungs-Anstalt Baden-Württemberg (GPA). Nein, sagt Stadtkämmerin Susanne Weishaar.
Unter anderem befasst sich der Prüfbericht aus dem November 2007, der noch nicht veröffentlicht wurde, auch mit dem Kreditmanagement der Stadt. Um die Zinsbelastung möglichst niedrig zu halten und sich gegen das Risiko steigender Zinsen abzusichern, setzt die Kämmerei unter anderem sogenannte Derivate ein. Dieses Finanzinstrument ist allerdings mit Risiken behaftet, die Kritiker gerade für die öffentliche Hand für nicht hinnehmbar halten: Schlagzeilen machten in jüngster Vergangenheit Derivate der Deutschen Bank, die sich wirtschaftlich zum Nachteil zahlreicher Kommunen oder kommunaler Unternehmen entwickelt haben – betroffen auch die Stadt Pforzheim und die Stadtwerke Pforzheim (wir haben berichtet).

Eine Grundsatzfrage
Im Falle Pforzheims hat die GPA die Derivatgeschäfte nun allerdings von der grundsätzlichen Seite her bewertet – und kommt zu dem Ergebnis, dass ein Großteil der Finanzgeschäfte „nicht der Sicherung eines zukünftigen Zinssatzes, sondern der Spekulation zur zusätzlichen Erzielung von Erträgen“ dienen. Im Klartext: Die Stadt soll an den Finanzmärkten gezockt haben. Und genau das darf die öffentliche Hand rein rechtlich nicht. Die Prüfer rügen überdies, dass eine entsprechende Dienstanweisung der Stadt Pforzheim – nach PZ-Informationen abgesegnet durch den Finanzausschuss nur gegen eine Stimme aus der FDP – nicht der „zu beachtenden Rechtslage“ genüge.

Im Einzelnen führt der Prüfbericht an, dass nur Kredite mit variablen Zinsen durch Derivate gegen Zinsrisiken abgesichert werden dürften. Im Falle der Stadt Pforzheim seien variable Verbindlichkeiten in Höhe von 15,7 Millionen Euro betroffen. Tatsächlich habe die Stadt aber derivative Geschäfte über 79 Millionen Euro abgeschlossen, darunter auch mit einem Volumen von 60 Millionen Euro mit der Deutschen Bank. Als Grundlage nennt die GPA den Derivate-Erlass des Innenministeriums aus dem Jahr 1998. Mit dem zehn Jahre alten Papier sieht sich Pforzheims Finanzchefin Susanne Weishaar hingegen im Einklang – den Vorwurf der Spekulation hält sie für ungerechtfertigt: „Unser Vorgehen ist zu 100 Prozent abgesichert.“ Derivate seien seit etwas mehr als drei Jahren fester Bestandteil des städtischen Kreditmanagements. Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Schuldenportfolio gehöre „ein Mittelweg zwischen Sicherheit und Preis.“ Bis Ende 2007 habe die Stadt so einen finanziellen Vorteil von 2,6 Millionen Euro gegenüber einer konventionellen Kreditfinanzierung erzielt.

Muster für den Städtetag
Als verbindliche Rechtsgrundlage will Weishaar den genannten Erlass des Ministeriums nicht gelten lassen. Dabei handele es sich lediglich um ein Papier mit Handlungshinweisen, eine Unterscheidung zwischen variabel und festverzinslichen Krediten werde darin gar nicht getroffen. Auch die Kritik an der städtischen Dienstvorschrift zum Umgang mit Derivaten kann die Kämmerin nicht nachvollziehen: der Städtetag habe das Werk gar als Musteranweisung veröffentlicht. Weishaar bemängelt viel mehr, dass es keine verbindlichen rechtlichen Grundlagen für die Kommunen gebe, wie mit Derivaten umzugehen sei: „Das müsste in der Gemeindehaushaltsverordnung geregelt werden.“

Noch keine Antwort
Eine Stellungnahme der Stadt ist der GPA im April zugegangen. Seither warte man auf eine Antwort, sagt Weishaar. Und das Regierungspräsidium Karlsruhe als Rechtsaufsichtsbehörde, der die GPA zuarbeitet, habe die städtische Finanzpolitik seither auch nicht gerügt.

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4 Antworten zu Stadt soll mit Krediten gezockt haben

  1. - zuk- sagt:

    Es geht nichts über (seriöse) Geldgeschäfte – sogar in Städten eines Musterlandes.

  2. Clodw. sagt:

    Nur der Stadt Bretten (Leonhardt, Metzger und Stadträten/-innen) scheint das Erinnerungsvermögen abhanden gekommen zu sein.

  3. A. -By. sagt:

    Was Pforzheim gekonnt hat, hatte Bretten bereits vorher gekonnt! 🙂

  4. mm sagt:

    auch die Stadt Bretten „zockt“ mit Derivaten, ein entsprechender Leserbrief, „Finanzaffäre Koch — wie oft noch ?!„, wurde allerdings schon gleich gar nicht abgedruckt!

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