Falsch beraten

Ärger um Produkt der Deutschen Bank – In Pforzheim erwägt man
Klage gegen das Kreditinstitut – VON CHRISTOPH HÄRING

P F O R Z H E I M . Wenn schon die Freundschaft beim Geld aufhört, dann gilt das für eine Geschäftsbeziehung allemal.In Pforzheim hat das Geld einen Keil zwischen Kommunalverwaltung und Deutsche Bank getrieben:Hier die Kämmerin der Stadt, die sich beim Schuldenmanagement von den Bankern „falsch beraten“ sieht, dort das Kreditinstitut, dessen Sprecher sagt: „Die Deutsche Bank hat über Chancen und Risiken umfassend und intensiv informiert.“ Der Streit könnte vor Gericht landen, denn die Stadt prüft momentan rechtliche Schritte. Pforzheim scheint kein Einzelfall zu sein, in anderen Kommunen gibt es ähnlichen Ärger: Anfang Juli ist vor dem Landgericht Würzburg ein Gütetermin zwischen den Würzburger Verkehrs und Versorgungsbetrieben (WVV) und der Deutschen Bank ohne Ergebnis geblieben. Auch die WVV-Vertreter führen mangelhafte Beratung ins Feld und fordern bei einem Verlust von 4,1 Millionen Euro rund 2,6 Millionen Schadenersatz. Sollten sie vor Gericht Recht bekommen, könnte das der Beginn einer Prozesslawine sein. Stein des Anstoßes – sowohl in Pforzheim als auch in Würzburg – sind Geschäfte mit sogenannten Zinsderivaten.

Dabei handelt es sich um Verträge über Zinskonditionen zwischen zwei Parteien: Durch Tausch (englisch Swap) versuchen die Kämmerer, die Zinssätze ihrer Festzinskredite für einen festgelegten Zeitraum in variable, niedrigere Konditionen zu wandeln. Entwickeln sich die Zinsen in die erhoffte Richtung, kann das zu Gewinnen führen, andernfalls sind Verluste möglich. Susanne Weishaar, Stadtkämmerin in Pforzheim, schätzt den Schaden, den das Geschäft mit der Deutschen Bank hätte verursachen können, auf zwei bis drei Millionen Euro. Hätte deshalb, weil die Wirtschaftsmathematikerin das Derivatepaket mittlerweile umstrukturiert hat: „Es ist der Kämmerei gelungen, uns aus den durch die Deutsche Bank verursachten Risiken zu verabschieden.“ Aus diesen Verträgen entstehe nun kein Verlust mehr für den Kommunalhaushalt. Obwohl in Pforzheim noch mal alles gut gegangen ist, will die Kämmerin die Sache nicht zu den Akten legen. Weishaar: „Wir sind zu Beginn nicht umfänglich beraten worden, und als die Marktlage schwierig wurde, ebenfalls nicht.“ Sobald die Fakten geprüft seien, werde entschieden, ob Pforzheim die größte deutsche Bank verklage. Die Zeit drängt, denn dieses Jahr endet die Verjährungsfrist. Die Kämmerin fügt hinzu: „Ohne die Geschäfte stünde die Stadt besser da.“

Weishaar ist weit davon entfernt, Zinsderivate in Bausch und Bogen zu verdammen, im Gegenteil: Derivate gehörten zu einem modernen Finanzmanagement dazu. Innerhalb der vergangenen drei Jahre sei es durch sie gelungen, den Zinsaufwand um knapp drei Millionen Euro zu reduzieren, berichtet sie. „Selbst die Gemeindeprüfungsanstalt hat uns bescheinigt, dass wir bei den Zinsaufwendungen gut gewirtschaftet haben.“
Der Ärger mit dem speziellen Produkt der Deutschen Bank, einem sogenannten Spread Ladder Swap, begann ein Jahr nach dem Kauf: 2005 hatte sich die Situation auf dem Zinsmarkt ungewöhnlich schlecht entwickelt, so dass sich das eigentliche Zins-Sparinstrument ins Gegenteil verkehrte und drohte, Verluste zu machen. „In unserem Fall wurden im Vorfeld der Risikobewertung wichtige Zahlen vorenthalten, die ansonsten zu einer ganz anderen Gefahreneinschätzung geführt hätten“, sagt Weishaar. Doch auch nachdem das Produkt floppte, hätten die Banker durch Tatenlosigkeit geglänzt.
2006 zog Weishaar die Reißleine und steuerte gegen.

Beim Städtetag Baden-Württemberg bewertet man die Zinsgeschäfte differenziert. Bernd Aker, stellvertretender Hauptgeschäftsführer, hält die Instrumente „im Prinzip für durchaus überlegenswert“. In einer sich verändernden Zinslandschaft sei die dadurch gewonnene Flexibilität nicht falsch. Aker erinnert daran, dass es gerade die Kämmerer der großen Kommunen gewesen seien, die auf den Einsatz von Zinsderivaten drängten. „Selbstverständlich sollten die Kommunen dann aber auch die Fähigkeit besitzen, das, was sie tun, aus eigenem Sachverstand beurteilen zu können.“ Die Bank sei dazu verpflichtet, über Risiken und Chancen zu informieren sowie den Markt im Auge zu behalten. Sie könne aber keine Erfolgsgarantie abgeben. „Letztendlich ist es die Kommune, die die Entscheidung treffen muss.“ Aker bestätigt, dass die Städte und Gemeinden zu einem intelligenten Schuldenmanagement angehalten sind.

Doch keine Rechtsaufsichtsbehörde werde seiner Ansicht nach einer Kommune den Vorwurf machen, nicht auf Derivatelösungen zu setzen. Bereits im Jahr 1998 hat sich das Innenministerium von Baden-Württemberg im sogenannten Derivateerlass zu den Zinsgeschäften geäußert. „Darin steht, dass Derivate durchaus zulässig, ja gerade erforderlich sind für ein optimales Zinsmanagement“, erklärt Manfred Müller vom Regierungspräsidium Karlsruhe. Doch die Grenzen seien schnell erreicht: Die Derivate müssten sich auf konkrete Kreditgeschäfte beziehen, dürften also nicht spekulativ eingesetzt werden. „Dann braucht es auch keine Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde.“

Im aktuellen Geschäftsbericht der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) findet sich ein Passus, in dem die Finanzexperten vor innovativen Geldanlagen warnen. Nun geht es bei den Zinsgeschäften nicht um die Anlage von Finanzmitteln, sondern um deren Aufnahme. Allerdings weist GPA-Vizepräsident Konrad Tilmann darauf hin, dass die Kommunen ganz allgemein dazu verpflichtet seien, „hausväterlich mit den Steuergeldern umzugehen“. Sie sollten bei Versprechungen schon genau hinschauen. Damit sich in Pforzheim ein Fall wie mit dem Spread Ladder Swap nicht wiederholen kann, setzt die Stadtverwaltung künftig auf einen externen Berater. Susanne Weishaar erklärt: „Dieser kann den Markt besser verfolgen und die Risikoberechnungen professioneller durchführen als wir.“ Es scheint sich das geflügelte Wort zu bestätigen: Hinterher ist man immer klüger.

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7 Antworten zu Falsch beraten

  1. n-Or sagt:

    Schlechte Öffentlichkeitsarbeit aus dem Pforzheimer Rathaus – nicht mehr.

  2. f/gl. sagt:

    Kommunen sind allein deshalb falsch beraten, wenn sie mit solchen Geldanlagen bereits vor einer Beratung liebäugeln.

  3. wf sagt:

    Die Wirtschaftsmathematikerin und Stadtkämmerin in Pforzheim, Frau Susanne Weishaar, hat nach eigenem Bekunden wohl rechtzeitig die Reißleine ziehen können.

    Eine Lehre kann sie daraus ableiten: Hände weg von spekulativen Anlagen jedweder Art, wenn öffentliche Gelder angelegt werden sollen!

  4. S. sagt:

    Ich verstehe nicht, was an Schulden intelligent sein soll.

    Der Schuldner ist es gewiß nicht, allerhöchstens der Gläubiger.

  5. S. sagt:

    Von einem intelligenten Schuldenmanagement kann man sprechen, wenn man keine Schulden hat.

  6. -rl- sagt:

    „Aker bestätigt, dass die Städte und Gemeinden zu einem intelligenten Schuldenmanagement angehalten sind.“

    Waren auch die Finanzgeschäfte mit einem gewissen Herrn Koch intelligent?
    In Bretten hat man bisher noch nicht gehört, dass das Gerichtsverfahren erledigt sei.

  7. ludw. sagt:

    Wenn angeblich kein finanzieller Schaden entstanden ist, was soll dann die Erwägung einer Klage gegen die Deutsche Bank?

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