Filz und Kumpanei

Buch beschäftigt sich mit Korruption im Musterländle
Dass das Werk nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen würde, war absehbar. „Es grummelt im Land“, beschreibt Verleger Hubert Klöpfer die Stimmung. In der Landeshauptstadt erschienen jüngst gut 300 Interessierte bei der Lesung, in Nürtingen waren es fast doppelt so viele. Kein Wunder. Schließlich geht es unter der Überschrift „Wir können alles“ um „Filz, Korruption und Kumpanei im Musterländle“. Im Mittelpunkt stehen die eher dunklen Machenschaften im Südwesten; es geht um Kumpanei zwischen einzelnen Protagonisten aus Politik, Justiz und Wirtschaft.
Nach Ansicht von Herausgeber Josef-Otto Freudenreich obwaltet die sprichwörtliche Präzision des angeblichen Musterländles nämlich nicht nur an den Werkbänken des heimischen Mittelstands. Auch bei Gemauschel und G’schaftelhuberei überlassen die handelnden Personen demnach nichts dem Zufall.

Spannend und mit der nötigen Süffisanz breiten Freudenreich und seine Ko-Autoren Rainer Nübel, Meinrad Heck, Wolfgang Messner, Rüdiger Bäßler und Hans Peter Schütz Geschichten wie die des gigantischen Flowtex-Skandals oder jene der Pleitestadt Aulendorf aus. Auch den „Flüssigei-Skandal“ um angeblich verdorbene Ware können die Leser nacherleben. Zur Erinnerung: 1985 warnte das Stuttgarter Regierungspräsidium vor Produkten des Herstellers, die verdorben seien. Das Unternehmen klagte und erhielt mehr als zwölf Millionen Mark vom Land Baden-Württemberg als Schadenersatz gezahlt. Zu Unrecht, wie Freudenreich meint. Er beruft sich auf Unterlagen, die auch der Landesregierung vorgelegen hätten und die den Sachverhalt bewiesen. Obschon bereits viele Jahre her, reicht der Fall nach Ansicht des Herausgebers bis in die Gegenwart. Bis heute täten sich die Behörden nämlich mit Produktwarnungen schwer, weil sie Angst hätten, in Regress genommen zu werden.
Aufklären will das Buch, sagt Freudenreich, zeigen, wie das Land hinter den Kulissen funktioniert. Denn langjährige Freundschaften und Verquickungen zwischen Politik und Wirtschaft hätten deutliche Spuren hinterlassen. „Da entstehen Abhängigkeiten, man kann sie auch Seilschaften nennen.“ WV

Josef-Otto Freudenreich (Hg.): „Wir können alles.“ Filz, Korruption & Kumpanei im Musterländle. Verlag Klöpfer und Meyer, Tübingen, ISBN 978-3-940086-12-9, 19,90 Euro.

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12 Antworten zu Filz und Kumpanei

  1. rt sagt:

    Was ist in diesem Zusammenhang und ganz allgemein politische Aufklärung?

    Der Versuch, den Menschen das in den Kopf zu bringen, was sie im Arsch haben.

  2. Zach. sagt:

    Aktuell zu sehen an der derzeitigen Steuer- und Abgabenpolitik im Bund und Land sowie in Gemeinden.

  3. -A-H. sagt:

    Es wird überwiegend gegen das Wahlvolk gehandelt.

  4. -az- sagt:

    Ohne Musterbuchhaltung geht gar nichts – meint man…

  5. -Jürgm. sagt:

    Und wo wird überhaupt noch im Sinne des Arbeitgebers – des Wahlvolkes – gehandelt?

  6. -Ferd.-Ö.- sagt:

    Politik kann Berufung sein, nicht nur Beruf.

    Aber bei wem bloß?

  7. -Emm- sagt:

    Die politische Landschaft: Korruption, Wahllügen, Machterhalt usw.

  8. zaw. sagt:

    Bei der Wortschöpfung Musterländle und deren Bewohnern habe ich mir bisher stets große Übermenschen vorgestellt.

  9. v-u sagt:

    Also auch das – Filz und Kumpanei – kann man im Musterländle.

  10. torst. sagt:

    Schwer vorstellbar, in einem tiefschwarzen Land, wo man alles kann – außer Hochdeutsch.

  11. -rl- sagt:

    „Wir können alles“…

    …außer ehrlich sein.
    Und das rächt sich – überall! Jetzt!

    Lügner und Betrüger haben langfristig eben keine Chance.

  12. -az- sagt:

    „Kumpanei zwischen einzelnen Protagonisten aus Politik, Justiz und Wirtschaft.“

    Also doch, so wie man die ganze Zeit schon vermutet hatte.

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