Wir sollen also doch Versuchskaninchen sein

Glühofen-Gegner fühlen sich „nicht ernst genommen“
Fast 50 Zuhörer bei Informationsveranstaltung
Von unserem Redaktionsmitglied Thilo Kampf
Bretten-Gölshausen. Der Widerstand gegen die geplante Müllverglühungsanlage im Gölshäuser Industriegebiet wächst: Die Bürgerinitiative sammelte nach Auskunft ihres Sprechers Philipp Renner in den ersten beiden Wochen ihres Bestehens 2 487 Unterschriften. Renner: „Und das, obwohl noch Ferienzeit ist.“ Bei einer Informationsveranstaltung am Dienstag abend im Gölshäuser Rathaus, zu der knapp 50 Bürger kamen, gab Renner einen kurzen Überblick der bisherigen Aktivitäten der Initiative und ging auf die Stellungnahme des Oberbürgermeisters ein (BNN vom Montag). Demnach fühlen sich die Gölshäuser in ihren Sorgen und Ängsten „nicht ernst genommen“. Härter ging Bl-Sprecherin Hildegard Macke mit dem OB ins Gericht: „Die meisten von uns haben Paul Metzger als Vertreter der Bürger gewählt – und nicht wegen Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer.“

Der OB wolle jedoch den Müllglühofen in Gölshausen — und der künftige Betreiber verfüge über „zahlreiche gute Beziehungen in Bretten“. In einem Brief an den OB warb die BI gleichwohl um Unterstützung. „Wir können uns nicht vorstellen“, hieß es da, „daß Sie Gefallen an dem Gedanken finden, in Bretten den Müll der weiteren Umgebung zu verglühen, zumal außer der Gewerbesteuer und nur zwölf Arbeitsplätzen unberechenbare gesundheitliche Risiken auf die Bevölkerung zukommen…“

Auf eine Anfrage nach den vermeintlichen Schadstoffen habe er, so Bl-Sprecher Renner, von der Abfall-Verwertungsgesellschaft Ludwigsburg (AVL) folgende Antwort erhalten: „Um dies festzustellen, muß der Versuch erst abgewartet werden.“ Renners Fazit: „Wir sollen also doch Versuchskaninchen sein.“ Und „nur aus Gewinnsucht“ wolle man die Bürger diesem gesundheitlichen Risiko aussetzen. Ihn ärgere, daß der Landkreis Ludwigsburg ein großes Gebiet, fernab von Wohnbebauung, zur Verfügung habe, um eine solche Anlage zu errichten. Aber erst solle das Verfahren in Gölshausen getestet werden. Renner: „Hier findet ein Menschenversuch statt.“ Man hoffe wohl im Landkreis Ludwigsburg, daß es „bei uns auf dem Land“ nicht solch einen Widerstand gebe, wie dort. „Aber da könnten sich viele irren. Wir werden kämpfen.“

Die Wirkungsweise des geplanten Müllglühofens erläuterte der promovierte Lebensrnittel-Chemiker Gerd Mildau („Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet“), der seit zwei Jahren in Gölshausen wohnt. Das Konzept der AVL sei „lediglich am Schreibtisch“ erstellt worden. Mildau: „Eine vergleichbare Anlage gibt es nämlich nirgendwo, auch nicht in der Schweiz.“ Demnach soll der Restmüll in einem geschlossenen Raum gesiebt, sortiert und zerkleinert werden – von Robotern. Die „Leichtfraktion“ werde gepreßt, wodurch Abwasser und Abgase entstünden. Die „Schwerfraktion“, um die es bei der Müllverglühung gehe, werde mit Klärschlamm angereichert und gerottet, was bedeute, daß Mikroorganismen einen Teil des Mülls auffressen. Diese Masse werde dann trockengeblasen, um den Wassergehalt von geschätzt 70 bis 80 auf etwa 20 Prozent zu verringern.

Was kommt nun in den Glühofen? Mildau zitierte die von der AVL genannten Werte: Demnach sind etwa 18 Prozent Klärschlamm, rund sieben Prozent Glas, etwa 1,5 Prozent Metalle und 0,12 Prozent „harter“ Kunststoff. Fast zwei Drittel des Mülls werden in dem Konzept schlicht als „Sonstiges“ und als „Müll-Korn-Größen“ geführt. Mildau: „Niemand weiß, was da genau verbrannt wird.“ Laut Mildau könnte es vor allem dann kritisch werden, wenn die Schlacke, die nach der Verbrennung aus dem Ofen komme, auf 80 Grad abkühle. „Bei den hohen Temperaturen im Ofen wird zwar vieles zerstört. Aber bei einer Abkühlung kann wieder viel Neues gebildet werden.“ Man brauche an den verschiedensten Stellen pausenlos Emissionswerte – und die seien „unheimlich schwer zu messen“.

Daß der Gemeinderat „offensichtlich versäumt hat, sich vor dem Verkauf nach der Nutzung des Geländes zu erkundigen“, warf BI-Sprecher Renner den Kommunalpolitikern vor. Aber: „Wenn sich herausstellt, daß die Firma eine andere Nutzungskonzeption angegeben hat, kann der Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten werden. Aber das muß man auch wollen.“

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