Leserbrief: Einladung zum Wegschauen ?

Zu „Trio hilft Jugendlichen gegen halbstarke Schläger“ in der Ausgabe vom 23. Dezember:
Die Gewalt in Zügen der Stadtbahn und auf Bahnhöfen ist auch in Bretten angekommen. Der Schutz möglicher Opfer oder gar Präventionsmaßnahmen lassen dagegen auf sich warten. Der gestern in den BNN abgedruckte Artikel erweckt einen Eindruck, der noch besorgniserregender ist: Schlägerei in der Öffentlichkeit? Da kann, da braucht, da sollte man besser sich nicht einmischen – so könnte man den Brettener Revierleiter der Polizei, Rolf Hilpp, verstehen. Die Polizei rät, die Polizei zu rufen. Sie kommt, wenn nicht durch Blechschäden andernorts gebunden.

Es ist ein Glück für uns Brettener, dass drei Menschen in der berichteten nächtlichen Prügelei nicht mehr Zuschauer sein konnten und eingriffen. Beunruhigt bin ich, weil die Täter wohl straflos davon kommen werden. Beunruhigt bin ich, weil es viele Menschen gab, die unbeteiligt blieben, selbst Bedienstete der Bahn. Es wäre ein trostlose Erkenntnis, die heißt: Es gibt Menschen, die können einer Gewalttat zuschauen, als wäre es eine Szene aus dem Fernsehen, ohne Wut, ohne Mitgefühl zu empfinden und ohne Unrechtsbewusstsein. Die bittere Erfahrung aus anderen Städten ist: Wenn das erste Todesopfer zu beklagen sein wird – wovor Gott bewahre! – Blumen niederlegen, Kerzen anzünden und mehr Zivilcourage einfordern. Und niemand wird dann schuldig sein (wollen). Wie wäre es, wenn Scham, Wut und Mitgefühl schon früher, während einer Tat einsetzten? Wie wäre es, wenn Augenzeugen gemeinsam zu Helfern würden?

Denn mit ungezügelter Gewalt und Wegschauen steht nicht nur unsere Sicherheit auf dem Spiel, sondern auch unsere Würde, ein Mensch zu sein und (mit)menschlich zu handeln. Dass wir Menschen wirklich menschlich werden – wie gut würde uns das tun zu Weihnachten, dem Fest der Menschwerdung(!)Gottes.

Jutta Biehl-Herzfeld
Zum Rechberg 11
Bretten

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