Blumenstreit: Bretten schafft Sonderfall

Gemeinderat hebt Verkaufsverbot am Muttertag auf / Land streicht Werbekampagne
Von unseren Redaktionsmitgliedern Rudolf Baier und Bernd Kamleitner
Karlsruhe/Bretten/Baden-Baden. Die Stadt Bretten hat das umstrittene Verkaufsverbot für Blumen, Backwaren und landwirtschaftliche Produkte am Muttertag mit einem Ratsbeschluss aufgehoben. „Ich bin gespannt, ob ich der Einzige bleibe“, sagte Oberbürgermeister Paul Metzger (CDU). Die Rechtsaufsicht im Karlsruher Regierungspräsidium will dem Brettener Alleingang einen Riegel vorschieben. „Wir haben Herrn Metzger zu einem Dienstgespräch einbestellt. Auch ein Oberbürgermeister muss sich an die Vorschriften halten“, sagte Pressesprecher Konrad Weber.
Nach dem Ladenöffnungsgesetz sind Sonderregelungen für den Blumenverkauf am Muttertag, der in diesem Jahr auf den Pfingstsonntag (11. Mai) fällt, nur in Kur-, Erholungs-, Ausflugs- und Wallfahrtsorten möglich. In Karlsruhe, Pforzheim, Ettlingen oder Bretten müssen die Geschäfte geschlossen bleiben. „Hier wird mit zweierlei Maß gemessen“, kritisierte Dieter Ball von der Arbeitsgemeinschaft der Karlsruher Friedhofsgärtner auch mit Blick auf den Verkauf in Tankstellen.

Das baden-württembergische Ladenöffnungsgesetz gilt bundesweit als das mit dem strengsten Sonn- und Feiertagsschutz. Brettens Rathauschef glaubt aber, ein Schlupfloch gefunden zu haben. Metzger beruft sich auf ein „öffentliches Interesse“ am Erwerb von Blumen als Muttertagsgeschenk. In diesem Zusammenhang bemüht der Verwaltungschef der Melanchthon-Stadt auch das Grundgesetz, aus dessen Paragraf 6 er eine Fürsorge für Mütter ableitet. Diesen Frauen an einem Tag, der Tradition habe, mit einem Blumengruß eine Freude zu bereiten, sei ein „öffentliches Bedürfnis“. „Das muss mir die Landesregierung erst einmal widerlegen“, meinte der findige OB, der hinter den Kulissen für sein Anliegen zuletzt heftig mit Staatsminister Willi Stächele (CDU) rang. Bei Metzger stand gestern das Telefon nicht mehr still, weil viele Kollegen den Entwurf für den Ratsbeschluss anforderten.

Der Vorstoß wird auch vom Städtetag Baden-Württemberg mit Interesse verfolgt. „Wir haben gewisses Verständnis dafür, weil die rigide Ablehnung nur schwer zu vermitteln ist“, kommentierte Sprecher Manfred Stehle. Korrekturbedarf am Ladenöffnungsgesetz sieht auch Oliver Seifert vom Einzelhandelsverband Nordbaden. Die Brettener Initiative finde er deshalb „sehr mutig“. „Das ist nicht zulässig“, kommentierte hingegen Marion Deiß vom baden-württembergischen Sozialministerium die Brettener Auslegung des Gesetzes. Das Ressort von Ministerin Monika Stolz (CDU) hatte die Liste mit den weit über 200 Gemeinden erstellt, die eine Sonderregelung in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus sei eine Ausnahme mit der Berufung auf ein öffentliches Interesse nur in „dringenden“ Fällen möglich, etwa wenn ein Versorgungsengpass drohe.

In Baden-Baden, das als Kurstadt eine Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen kann, hat Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner (CDU) schnell reagiert: Er strich einen Sonntagsverkauf am 6. November für den Blumenverkauf am Pfingstsonntag. Möglicherweise wird das Verkaufsverbot aber letztendlich heftiger diskutiert als kontrolliert. Zuständig für die Überwachung sind „wir, die Kommunen“, wie Städtetag-Geschäftsführer Stefan Gläser und der Vorsitzende der Oberbürgermeister im Regierungsbezirk Karlsruhe, Heiner Bernhard (Weinheim) bei der Sprengelversammlung in Rastatt süffisant bemerkten.

Im Blumenstreit hat die Landesregierung unterdessen schon einen Rückzieher gemacht. Die geplante Werbekampagne für den Blumenkauf am Samstag vor dem Muttertag werde ersatzlos gestrichen, erklärte Staatsminister Stächele. Die Regierung reagiere damit auf die Kritik an der 50 000 Euro teuren Aktion.

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16 Antworten zu Blumenstreit: Bretten schafft Sonderfall

  1. äth. sagt:

    Abwarten, wie sich in der Sache das Regierungspräsidium, Sozialministerium sowie Staatsministerium verhalten werden.

  2. g-/-f sagt:

    Das Zitat

    „Das Gesetz sagt, es geht nicht. Aber es geht trotzdem!“

    OB Paul Metzger zum Blumenverkauf am Muttertag.
    BNN

  3. chr.-uh. sagt:

    Ein Gutmensch in vollem Aktionismus.

  4. nieb. sagt:

    Ein echter Freund der Brettener Geschäftswelt mit seinem unermüdlichen Einsatz zur Freude aller Mütter in Bretten.

  5. Rd sagt:

    Paul Metzger – der Vorkämpfer und Wegbereiter für den vollständigen Gemeinschaftsschutz und die Gemeinschaftsfürsorge für Brettener Mütter.

  6. osk. sagt:

    Das wäre durchaus denkbar.

  7. fr. sagt:

    Als Erweiterung zu V.Q. am 17. April 2008

    Vielleicht sucht Herr Metzger persönlich sämtliche Brettener Mütter auf, um sie noch zu einer Unterschrift zu bewegen.

  8. AP sagt:

    Oder auch um über die Landesgrenze hinweg bringende Stücke zum Bayerischen Komödienstadel!

  9. Werx. sagt:

    Es handelt sich inzwischen um zwei Provinz-Possen.
    Und die übergeordneten Behörden schauen tatenlos zu.

  10. -nz- sagt:

    „Wir haben Herrn Metzger zu einem Dienstgespräch einbestellt. Auch ein Oberbürgermeister muss sich an die Vorschriften halten“,…

    Mal sehen was herauskommt. Beim Erdwall an der B35 ist ja auch nichts passiert. Die Fakten waren ja schon geschaffen…

  11. Th. sagt:

    So muss man erst einmal logisch zu denken in der Lage sein.

  12. Els. sagt:

    Und das wird von Herrn Metzger als „öffentliches Interesse“ bezeichnet.

  13. Zach. sagt:

    Die Fürsorge der Gemeinschaft für Mütter beschränkt sich in diesem konkreten Einzelfall wahrhaftig auf Öffnungszeiten von Blumengeschäften.

  14. V.Q. sagt:

    Es würde mich nicht wundern, wenn diese Person im nachhinein eine Liste mit Unterschriften von Brettener Müttern parat hat, die dort den Artikel 6 Absatz 4 Grundgesetz zitieren:“Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.“

  15. Polak sagt:

    interessant, dass in Bretten eine Person, ohne Umfrage oder dergleichen, ein öffentliches Interesse feststellen kann!

  16. mm sagt:

    Hauptsache er steht mal wieder in der Presse, auch wenn die Argumentation des „Hobby-Juristen“ Metzger unter Juristen für Heiterkeit sorgen dürfte (Paragraf 6 Fürsorge für Mütter). Sein Kollege Scheuermann hatte wohl doch recht, als er ihn kürzlich „einen der größten Populisten aller Zeiten“ nannte!

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