Aulendorf nicht unter Zwangsverwaltung

07.03.2008 Aulendorf. Medienberichten, wonach Aulendorf unter Zwangsverwaltung des Landratsamtes Ravensburg gestellt worden sei, widerspricht der Bürgermeister der Stadt deutlich: „Davon sind wir sehr weit entfernt“, sagt Georg Eickhoff (CDU). Vom Landratsamt sei eine solche aufsichtsrechtliche Entscheidung lediglich angedroht worden. Nachdem er jedoch verschiedene Auflagen freiwillig akzeptiert habe, sei die Anordnung letztlich nicht getroffen worden. „Man kann ja nichts anordnen, was wir schon tun“, so Eickhoff. Im Landratsamt will man das so nicht stehen lassen: „Die Drohung steht noch im Raum“, sagt ein Sprecher der Behörde. Sie hänge „wie ein Damoklesschwert über Aulendorf“. Die Entscheidung könne jederzeit erlassen werden, „wenn es nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen“.

Eine der Vorgaben ist, ein Haushaltssicherungskonzept zu erstellen. Das habe er selbstverständlich sofort veranlasst, sagt Eickhoff. Ein entsprechender Auftrag an den Kommunalfinanzexperten Professor Wolfgang Hafner aus Kehl sei bereits in Auftrag gegeben worden. Außerdem dürften vorerst lediglich Ausgaben getätigt werden, zu deren Leistung die Stadt rechtlich verpflichtet sei oder „die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind“, heißt es weiter in einem Schreiben des Landratsamtes an Eickhoff. Belege, die die Summe von 5000 Euro übersteigen, müssten der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden. „Die Gemeinde darf also keine weitreichenden Entscheidungen mehr treffen“, präzisiert der Sprecher des Landratsamts. Man müsse darauf achten, dass bei allen anstehenden Aufgaben die Standards reduziert würden. „Die Stadt kann sich keinen Luxus leisten.“

Heilungsprozess

Abgewartet werde derzeit noch das Ergebnis einer Kontrolle durch die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) Baden-Württemberg. Der Bericht soll voraussichtlich Ende März vorliegen. Genereller Prüfungsgegenstand sei die Haushaltsführung. Es sei jedoch schwer, „aus der laufenden Prüfung heraus zu formulieren, was falsch gelaufen ist“, sagt GPA-Vizepräsident Markus Günther.

Er fühle sich durch die Auflagen jedenfalls keineswegs „entmachtet“, betont Bürgermeister Eickhoff, der sein Amt im August 2004 angetreten hatte. In der Sache gehe es auch nicht um Machtfragen, sondern um einen Heilungsprozess. Aulendorf leide an einer enormen Verschuldung: Auf mehr als 60 Millionen Euro hatten sich unter seinem Vorgänger Johannes Heinzler die Verbindlichkeiten der Stadt summiert. „Ich hatte also schon vorher nur geringe Spielräume“, betont Eickhoff. Er habe bei Amtsantritt einen richtigen „Konzern“ vorgefunden. 15 Tochtergesellschaften hatte Heinzler (CDU) im Laufe der Jahre gegründet. „Das Geld wurde immer von dem Konto genommen, auf dem gerade etwas drauf war, berichtet Eickhoff. Mittlerweile seien die Strukturen stark vereinfacht worden, es gebe noch zwei Gesellschaften, alle anderen befänden sich in Abwicklung.

Offensichtlich fällt es nun auch dem Landratsamt einfacher, die Vorgänge zu überprüfen. „Wir haben jetzt einen klareren Blick als in der Vergangenheit“, heißt es aus der Behörde. Bei dem früheren Konglomerat habe man „sich schwer getan, nah dran zu sein“. Ein Umstand, den Eickhoff der Aufsichtsbehörde vorhält. Weil diese ihren Aufgaben nicht nachgekommen sei, will der Bürgermeister das Land für einen Teil der Schulden haftbar machen. Ein entsprechender Mahnbescheid über 22,3 Millionen Euro sei bereits erlassen. Nachdem das Landratsamt Widerspruch eingelegt hat, muss nun das Landgericht Ravensburg entscheiden. Die Reaktion aus dem Landratsamt ist gelassen: „Wir können keine Pflichtverletzungen erkennen.“ Man habe auch während der Amtszeit Heinzlers „eine Vielzahl aufsichtsrechtlicher Maßnahmen angeordnet“. Außerdem sei ein förmliches Disziplinarverfahren geführt und eine Schadenersatzklage über fünf Millionen Mark gegen den früheren Bürgermeister erhoben worden. Heinzler habe immerhin 110 000 Mark aus seinem privaten Geldbeutel bezahlen müssen.

Eickhoff: Streit soll nicht weiter eskalieren
Davon, dass es sich bei den jetzt vorgenommenen Maßnahmen um eine Retourkutsche wegen dem von Eckhoff eingelegten Mahnbescheid handle, „kann keine Rede sein“. Man sehe beide Vorgänge völlig getrennt. Es gehe dem Landratsamt nur darum, gesetzliche Vorgaben einzuhalten: „Wir wollen streng kontrollieren.“ Eine Aussage, die Eickhoff mit einem Schmunzeln kommentiert. Denn schließlich argumentiere das Landratsamt im Fall der Amtshaftungsklage genau anders herum. Dort sei festgestellt worden, dass ein Landratsamt gegen einen Bürgermeister nichts unternehmen kann. „Das passt nicht zusammen“, findet Eickhoff.

Momentan will der Bürgermeister den Streit nicht weiter eskalieren lassen. Beide Seiten müssten an dem gemeinsamen Ziel arbeiten, die Stadt von ihren Schulden zu befreien. Eikhoff hat bereits Lösungsansätze parat: Das Land solle mit einer Entschuldungshilfe einspringen. Dann wäre auch die Amtshaftungsklage hinfällig. Eickhoff bezieht sich mit seinem Vorschlag auf einen Namensbeitrag von Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), der am 31. Mai 2007 im „Rheinischen Merkur“ erschienen ist. Thema: „Wie kommen Bund, Länder und Kommunen aus der Schuldenfalle?“ Im Zusammenhang mit der Föderalismusreform II habe die Kommission die Aufgabe, „für ganz Deutschland (…) einen Weg aus der Schuldenfalle zu finden“, heißt es da. Und: „Wir können die Altschulden nicht einfach stehen lassen.“ Für Eickhoff noch viel wichtiger: „Wer höhere Schulden hat, sollte auch eine höhere Unterstützung bekommen“, kündigt Oettinger in dem Artikel an. Deshalb habe er dem Ministerpräsidenten einen Brief geschrieben. Am 17. Dezember habe bereits ein Gespräch im Staatsministerium stattgefunden, in dem Unterstützung in Aussicht gestellt worden sei. „Wenn die Stadt ihre Bedürftigkeit zweifelsfrei nachweisen kann, kann man über eine Entschuldungshilfe reden“, habe es geheißen. „Ideal wäre ein zinsloses Darlehen“, meint Eickhoff. Er sei jedenfalls „für jede Hilfe empfänglich“.

Sabine Rochlitz

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30 Antworten zu Aulendorf nicht unter Zwangsverwaltung

  1. a-s sagt:

    Heinzler (CDU) und die CDU-Mehrheit im Aulendorfer Gemeinderat ließen zu Anfang der 90er Jahre eine Klinik für Orthopädie bauen, obwohl keine ausreichende – besser noch gesicherte – Belegung durch Belegungsverträge vorhanden war.

  2. -el- sagt:

    Ich meine die Menschen, die noch richtig ticken. Und ich behaupte – das ist die Mehrheit! Auch wenn der Eindruck manchmal täuscht.

  3. Ro. St. sagt:

    Welche Menschen – etwa die gewählten oder die auserwählten oder die sich selbst ernannten?

  4. -el- sagt:

    Man muss es halt immer wieder wiederholen:

    „Der Zweck menschlichen Lebens ist, zu gedeihen und glücklich zu leben. Aufgabe der Gesellschaft ist, die Bedingungen zu garantieren, die es allen Menschen erlauben, dieses Wohlergehen und Glück zu erreichen.“

    Es müssen sich aber auch immer mehr Menschen dafür einsetzen.

  5. b.z. sagt:

    Die Selbstbedienungsmentalität zu einseitigen Lasten der Steuerzahler hat zweifelsfrei paradiesische Zustände zur Folge.

  6. -an-i- sagt:

    Zuerst dachte ich, gewisse Parallelen zu Bretten wären zufällig. Nachdem sich aber MARCUS TULLIUS CICERO zu Wort gemeldet hat, habe ich das Gefühl, dass es um ein System für wenige Privilegierte handeln muss.

    Demnach soll nach der Wahl der Mandatsträger, der Wähler nicht nur den eigenen Verstand, sondern auch noch am besten den eigenen Geldbeutel an die Gewählten ausliefern.
    Die wenigen Menschen, die nicht einmal von allen Bürgern gewählt wurden, sagen uns aber dann, was sie sich ausgedacht haben und was es kostet. Oft nicht einmal ehrlich. Außerdem werden sie von uns gut bezahlt. Trotzdem können manche der Korruption nicht widerstehen. Über die Richtigkeit ihrer Entscheidungen oder über die Verantwortung ihres Tuns brauchen sie sich natürlich keine Gedanken machen.

    Kurz gefragt: Sind das nicht paradiesische Zustände auf Kosten der Steuerzahler?

  7. -Cath.D. sagt:

    Doch – die Selbstbedienung!

  8. b/m sagt:

    Marcus Tullius Cicero lebte von 106 v. Chr. bis 43 v. Chr. –

    Unsere Staatsdiener haben 2051 Jahre nach seinem Tod nicht besonders viel dazu gelernt.

  9. b/m sagt:

    Zu diesem andauernden gemeindlichen Schulden-Skandal im Musterland Baden-Württemberg passt sehr treffend das folgende Zitat:

    DER STAATSDIENST MUSS ZUM NUTZEN DERER GEFÜHRT WERDEN, DIE IHM ANVERTRAUT WERDEN, NICHT ZUM NUTZEN DERER, DENEN ER ANVERTRAUT IST.
    MARCUS TULLIUS CICERO

  10. pp sagt:

    Vor seiner Zeit als Sachbearbeiter im Sozialministerium Stuttgart arbeitete Johannes Heinzler in der Verwaltung der Münsterklinik in Zwiefalten.

  11. opt- sagt:

    Von Heinzler (CDU) wurden der ständige Familienwohnsitz und sein Lebensmittelpunkt in seiner Amtszeit nicht nach Aulendorf verlegt.
    Er blieb mit seiner Familie in der 26 Kilometer entfernten Heimatgemeinde Hohentengen-Völlkofen.
    Das haben ihm die Aulendorfer nicht unbedingt gedankt.

  12. opt- sagt:

    Nach seiner ersten Wahl beanspruchte Heinzler (CDU) nicht nur einen Dienstwagen der Marke Mercedes-Benz 190 E, sondern er wurde ihm von der Mehrheit im Gemeinderat zum Kauf genehmigt.
    Dies geschah, obwohl alle Kandidaten vor der Bürgermeister-Wahl in der örtlichen Ausgabe der Schwäbischen Zeitung einen Dienstwagen als völlig überflüssig bezeichnet hatten.

  13. A/B sagt:

    Entschuldigung, welchen prozentualen Anteil an den 60 Millionen Euro zahlen denn eigentlich die jeweiligen Mehrheitsbeschaffer im Aulendorfer Gemeinderat für ihre vergangenen „Schulden“-Beschlüsse?

  14. Jork. sagt:

    Erweiterung des obigen 2. Kommentars -az-

    „Demnach müssen nicht nur die Einwohner von Aulendorf, sondern alle Baden-Württemberger für die Unfähigkeit eines Bürgermeisters (Heinzler habe immerhin 110 000 Mark aus seinem privaten Geldbeutel bezahlen müssen.) und für die 60 Millionen Euro gerade stehen!“

    In Zahlen:
    Von Heinzler wurden privat 56.242,00 € bezahlt.
    60.000.000,00 € Schulden hat er – mit der Mehrheit des Aulendorfer Gemeinderats – aufgebaut.
    Seine 56.242,00 € sind 0,000937367 % von 60.000.000,00 €.

    Alles klar verstanden?

  15. K-DV sagt:

    Kommunale Mandatsträger (sogenannte gewählte Volksvertreter) haben diesen finanziellen Bockmist hervorgebracht und zu verantworten und können ihn leicht und locker auf die Allgemeinheit in Baden-Württemberg abwälzen, d. h. in netter Form, übertragen.
    Danke sehr.

  16. Olg. sagt:

    Ist das etwa ein Freibrief fürs Schuldenmachen – im oberschwäbischen Kneipp-Kurort Aulendorf „nur“ 60 Millionen Euro?

  17. Olg. sagt:

    Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts kann nicht pleite gehen.
    Geradezu eine Art von Einladung an deren Akteure, sich keine großen finanziellen Sorgen machen zu müssen.

  18. V.Q. sagt:

    Die kommunale Finanzwirtschaft der Stadt Aulendorf läßt sich im Ergebnis mit der Arbeitsweise einer Gelddruckmaschine vergleichen.

  19. Wolf./Mü. sagt:

    Die damalige CDU-Mehrheit des Gemeinderats hat die gigantische Verschuldung angerichtet und nicht das Landratsamt Ravensburg.

    Und die Aulendorfer Bürger und Steuerzahler sowie die baden-württembergischen Bürger und Steuerzahler werden für diese großartige finanzielle Schlamperei zur Kasse gebeten.

  20. Zumb. sagt:

    Nur mit dem Unterschied, dass Binder Euro und Heinzler D-Mark gezahlt hat.

    Aber beide haben gezahlt.

  21. Th. sagt:

    Was für eine Parallele.

    „Heinzler habe immerhin 110 000 Mark aus seinem privaten Geldbeutel bezahlen müssen.“

  22. fr. ga. sagt:

    Verwaltungsgericht Sigmaringen am 9. Oktober 2002

    Ex-Landrat Binder musste mehr als 100000 Euro Spesen zurückzahlen.

    Weil er Reisen als Dienstreisen abrechnen ließ, obwohl der dienstliche Zweck nicht gegeben war oder die Kosten nicht von der Verwaltung hätten getragen werden müssen.

  23. opt- sagt:

    Persönliches Grußwort des damaligen Sigmaringer Landrats Binder bei der Amtseinführung von Heinzler im Jahre 1988 im Kursaal Aulendorf:

    Hannes mach´s gut!

  24. pp sagt:

    Junge Union Sigmaringen, CDU-Mitglied, Oberinspektor im Sozialministerium Baden-Württemberg, gut bekannt mit Lothar Späth und Ex-Landrat Binder (Landkreis Sigmaringen) – und danach 16 Jahre lang Bürgermeister von Aulendorf.

    Eine steile Karriere!

  25. -A-H. sagt:

    Aufschluß darüber geben sicherlich die Protokolle der jeweiligen Sitzungen des Gemeinderats.

  26. Frz. sagt:

    Interessant, was die Journalistin Sabine Rochlitz schreibt.

    Nur die wichtigste Frage wird nicht gestellt,nämlich, mit welcher Inkompetenz der damalige Gemeinderat mit CDU Mehrheit als Mehrheitsbeschaffer an allen finanziellen Aktionen des Vorsitzenden Heinzler (CDU) mitgewirkt hat.

  27. G.H. sagt:

    Lieber Leser, würde sich am Inhalt dieses Presseberichtes grundsätzlich etwas ändern, wenn man „Aulendorf“ durch „Bretten“ ersetzen würde? Übrigens – die Gemeindeprüfungsanstalt hat das Brettener Finanzgebaren geprüft und ist fündig geworden. Die lange Mängelliste kann nachgelesen werden unter : Prüfungsbericht der Gemeindeprüfungsanstalt , BAK 11.Januar, 2007

  28. goh sagt:

    In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Da „leidet eine Gemeinde an einer enormen Verschuldung“, die ein Bürgermeister als Vorsitzender eines Gemeinderates zu verantworten hat. Dies obwohl er Kraft seines Amtes dazu verpflichtet ist, mit dem Steuergeld seiner Bürger haushälterisch umzugehen. Und dazu meint das Landratsamt nur lapidar: „Wir können keine Pflichtverletzungen erkennen“ und „Abgewartet werde derzeit noch das Ergebnis einer Kontrolle durch die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) Baden-Württemberg“.
    Und erst dann stellt man fest, „dass ein Landratsamt gegen einen Bürgermeister nichts unternehmen kann“! Längst vergessen geglaubtes Wissen aus dem Geschichtsunterricht wird dabei wieder gegenwärtig: Frankreich zur Zeit des Sonnenkönigs – L´Etat ce moi ! ( der Staat, das bin ich, ich der (Ober-) Bürgermeister).

  29. -az- sagt:

    „Wenn die Stadt ihre Bedürftigkeit zweifelsfrei nachweisen kann, kann man über eine Entschuldungshilfe reden“, habe es geheißen.

    Demnach müssen nicht nur die Einwohner von Aulendorf, sondern alle Baden-Württemberger für die Unfähigkeit eines Bürgermeisters (Heinzler habe immerhin 110 000 Mark aus seinem privaten Geldbeutel bezahlen müssen.)
    und für die 60 Millionen Euro gerade stehen!

  30. -rl- sagt:

    „…bei Amtsantritt einen richtigen „Konzern“ vorgefunden. 15 Tochtergesellschaften hatte Heinzler (CDU) im Laufe der Jahre gegründet. „Das Geld wurde immer von dem Konto genommen, auf dem gerade etwas drauf war, berichtet Eickhoff. Mittlerweile seien die Strukturen stark vereinfacht worden, es gebe noch zwei Gesellschaften, alle anderen befänden sich in Abwicklung.“

    Wird der nächste OB von Bretten auch so formulieren können – oder müssen?

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