Ausgaben begrenzen und auf Prestigeobjekte verzichten

Der Bürgermeister der schuldenfreien Gemeinde Brühl, Ralf Göck, hält das Ziel der Null-Verschuldung auch für andere Körperschaften für erstrebenswert

Landauf, landab klagen Kommunen über ihre schwierige finanzielle Situation. Selbst die baden-württembergische Gemeindeprüfungsanstalt hat festgestellt, die Finanzen der Städte, Gemeinden und Landkreise befänden sich seit 2001 „im freien Fall, und ein Ende ist nicht absehbar“. Trotz strenger Sparmaßnahmen mussten etliche Kommunen inzwischen akzeptieren, dass ihre Haushaltspläne von der Rechtsaufsichtsbehörde nicht genehmigt wurden. In dieser Situation ist es erstaunlich, dass es in Baden-Württemberg noch immer Gemeinden gibt, die ohne Schulden auskommen. Die größte davon ist mit 14 000 Einwohnern Brühl im Rhein-Neckar-Kreis. Unser Mitarbeiter Klaus Fischer hat sich mit Bürgermeister Dr. Ralf Göck darüber unterhalten, wie dies trotz sinkender Einnahmen und steigender Ausgaben möglich ist.

Von den 1110 Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg sind nur einige Dutzend schuldenfrei. Die größte davon ist mit 14 000 Einwohnern die Gemeinde Brühl, deren Bürgermeister Sie sind. Wie lautet Ihr Rezept?

Göck: Schuldenfreiheit kann man dadurch erreichen, indem man über viele Jahre hinweg an diesem Ziel festhält, sich im Verwaltungshaushalt, also vor allem beim Personal, beschränkt und Aufgaben möglichst nach außen verlagert, also privatisiert. Wir haben in der Gemeindeverwaltung heute eine Personalstelle weniger als vor fünf Jahren, insgesamt allerdings auch vier Stellen zusätzlich geschaffen, was vor allem durch die Einführung der Kernzeitenbetreuung an unseren beiden Grundschulen notwendig war. Das hat natürlich auch zusätzliche Kosten verursacht. Genau genommen sind wir übrigens nicht ganz schuldenfrei, sondern nur, was Darlehen vom freien Kapitalmarkt angeht. Unsere Altschulden von rund 43 Euro pro Gemeindebürger betreffen drei Wohnungsbau-Förderdarlehen des Bundes und des Landes, die wir vor Jahren günstig bekommen haben. Wenn man so billiges Geld für eine Aufgabe der Daseinsvorsorge bekommt, wäre es ja dumm, es nicht zu nehmen. Andererseits verfügen wir auch über eine Rücklage im Umfang von 7 Millionen Euro.

Nehmen Sie irgendwelche Förderprogramme in Anspruch?

Göck: Nein. Wir wissen, dass es Kommunen gibt, die alle möglichen Förderprogramme anzapfen. Dafür müsste ich eigentlich einen halben Mitarbeiter anstellen, der nichts anderes zu tun hätte, als solche Möglichkeiten ausfindig zu machen und entsprechende Anträge zu stellen. Ich fürchte, dass uns auf diese Weise Geld durch die Lappen geht. Andererseits haben wir auch schon zwei Mal die Erfahrung machen müssen, dass ein aufwendig ausgearbeiteter Antrag abgelehnt wurde. Ich fürchte, dass durch solche Förderprogramme auch viel Verwaltungskraft in den Gemeinden gebunden wird.

Die baden-württembergische Gemeindeprüfungsanstalt stellt in ihrem aktuellen Prüfbericht fest, die Finanzen der Kommunen seien seit 2001 „im freien Fall, und ein Ende ist nicht absehbar“. Warum hat es Brühl verschont?

Göck: Wir haben die Ausgaben in Grenzen gehalten, wir haben zwar alle notwendigen Einrichtungen, aber wir leisten uns keine Prestigeobjekte. So haben wir beispielsweise schon vor Jahren auf ein Bürgerhaus verzichtet, und im vergangenen Jahr haben wir kein neues Feuerwehrgerätehaus gebaut, wie es gewünscht wurde, sondern wir werden im kommenden Jahr das bestehende sanieren. Vor allem muss man von Objekten Abstand nehmen, die Folgekosten verursachen. Das ist sehr wichtig. Ich weiß, dass es Bürgerhäuser und Festhallen gibt, die bis zu einer Million Euro pro Jahr Folgekosten verursachen. Unsere sanierte Festhalle für 300 Personen verursacht lediglich Kosten in Höhe von 50000 Euro jährlich.

Wie sieht Ihr Haushaltsplan aus?

Göck: Unser Haushaltsvolumen im Verwaltungshaushalt liegt bei 20 Millionen Euro, und dies konstant seit rund zehn Jahren. Der Vermögenshaushalt beläuft sich auf 3 Millionen Euro, wobei der seit zwei, drei Jahren geschrumpft ist, weil die Einnahmen zunehmend geringer geworden sind. Die Zuweisungen vom Land und vom Bund sind seit dem Jahr 2000 um 300 000 Euro gesunken, während sich die Eigeneinnahmen punktuell sogar deutlich gesteigert haben. Was die allgemeinen Einnahmen betrifft, so kann man die wenig beeinflussen. Die Gewerbesteuer war bei uns immer schon relativ schwach, meist so um eine Million Euro. Bei den Eigeneinnahmen ist es wichtig, dass man seine Kosten kalkuliert und entsprechende Gebühren ansetzt.
So haben wir im vergangenen Jahr die Eintrittsgebühr für unsere beiden Bäder von 2,50 auf 3 Euro heraufgesetzt, für Kinder von 1,25 auf 1,50 Euro. Ebenso passen wir die Mieten für unsere Gemeinde- wohnhäuser regelmäßig an. Für andere kostenträchtige Einrichtungen, beispielsweise den Friedhof, werden die Gebühren alle zwei, drei Jahre überprüft und angepasst. Zum Glück war unser Gemeinderat immer Manns genug, solche Erhöhungen in kleinen Schritten mitzutragen. Wenn trotzdem alles schief läuft, haben wir genügend freiwillige Leistungen, die wir zur Disposition stellen können, insbesondere unser 30 Jahre altes, hoch defizitäres Hallenbad, und auf der Einnahmenseite haben wir die Möglichkeit, die Grundsteuer zu erhöhen. Damit sind wir nämlich am unteren Ende in der Region.

Geht es den Bürgern von Brühl wegen Ihrer sparsamen Haushaltspolitik schlechter als denen von verschuldeten Gemeinden?

Göck: Nein, den Bürgern von Brühl geht es bestimmt nicht schlechter als denen in vergleichbaren Umlandgemeinden, weil wir alle notwendigen öffentlichen Einrichtungen vorhalten und darüber hinaus einige freiwillige wie unser vorbildlich geführtes Freibad, das jedes Jahr, aber natürlich ganz besonders in diesem Jahr, über 100 000 Besucher aus der ganzen Region anlockt. Wenn andere Gemeinden hohe Schulden haben, so liegt das vor allen Dingen daran, dass sie noch mehr Aufgaben, meist freiwillig, übernommen und entsprechend höhere Ausgaben haben, zum Beispiel für Gymnasien, Mehrzweckhallen, Altenheime, bürgerhausähnliche Feuerwehrgerätehäuser. Diese Gemeinden haben eben andere politische Entscheidungen getroffen.
Als wir 2001/2002 beraten haben, ob wir ein neues Feuerwehrgerätehaus bauen sollten, hat sich herausgestellt, dass wir dafür unsere Rücklagen hätten auflösen müssen und die Folgekosten aus einem Verwaltungshaushalt hätten finanzieren müssen, der in diesem Jahr schon defizitär ist. Der Gemeinderat war dann nicht bereit, solche Folgekosten auf Pump zu finanzieren, und so haben wir dieses möglicherweise durchaus sinnvolle Großprojekt aufgegeben.

Diesem Verhalten könnte man entgegenhalten, dass man leicht aufs Schuldenmachen verzichten kann, wenn man nichts tut.

Göck: Das wäre ein Argument, wenn wir nichts täten. Die Gemeinde Brühl tut aber vieles, aber wir versuchen eben, unsere Projekte mit rentierlichen Elementen zu verwirklichen und Investitionen, die nur eigenes Geld kosten, möglichst zu vermeiden. Bei uns wird seit einigen Jahren die Sanierung bestehender Gemeindeobjekte großgeschrieben. So tauschen wir derzeit in unserem Schul- und Sportzentrum die Heizungsanlage mit einem Aufwand von über 500 000 Euro aus und sparen damit im Endeffekt auch Heiz- und Stromkosten. Wärmedämmung an Gemeindewohnhäusern, Photovoltaik- und Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden oder auch der Neubau einer Tennisanlage am Ortsrand und Umwandlung der bestehenden in Baugelände sind weitere solche rentierlichen Maßnahmen nur in diesem Jahr. Andere Beispiele: Bei uns gibt es zwei Altenheime, aber die sind privat betrieben und erhalten keine kommunalen Zuschüsse für Investitionen oder für den Betrieb. Darüber hinaus haben wir ein Projekt „betreutes Wohnen“ initiiert, das ebenfalls von einem privaten Pflegedienst betrieben wird. Und wir haben eine „BürgerStiftung für Menschen in Not“ initiiert. Zur Finanzierung werben wir Sponsoren – einer der prominentesten Förderer ist übrigens Finanzminister Stratthaus, der auch den Vorsitz der Stiftung übernommen hat. Andererseits geben wir trotz unserer konsequenten Sparpolitik auch viel Geld für das Ortsbild aus. Wir haben schön gestaltete Kreisverkehre und prächtige Grünanlagen. Das sind unsere „Prestigeobjekte“, um unser Image als „naturnahe Wohngemeinde“ zu erhalten.

Andere Gemeinden sind nicht so glücklich. In Freiburg sind kürzlich 30 Ihrer Kollegen auf die Straße gegangen, um gegen die trostlose kommunale Kassenage zu protestieren. Die Bürgermeister sehen sich außerstande, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Viele Gemeinden im Land sind nicht mehr in der Lage, ausgeglichene Haushalte aufzustellen.

Göck: Von einem nicht ausgeglichenen Haushalt spricht man dann, wenn die konsumtiven Ausgaben für den laufenden Verbrauch durch die Einnahmen nicht mehr gedeckt werden. Dann muss man auf die Rücklagen zurückgreifen. Das haben wir zuletzt 1998 getan, und wir werden es in diesem Jahr erneut tun müssen. Solche Einnahmeprobleme, von denen jetzt viele Gemeinden betroffen sind, kann man auch durch eine Politik von langer Hand nicht ausschließen. Aber die Krise trifft uns weniger hart.

Das heißt, Sie greifen Ihre Rücklagen an – oder haben Sie etwas zu versilbern, vielleicht irgendwelche Liegenschaften?

Göck: Wir haben Liegenschaften, aber die werden nicht leichtfertig verkauft. Das wäre unklug.

Nun sollen die Finanzprobleme der Kommunen ja durch eine umfassende Reform auf Bundesebene verbessert werden. Haben Sie dazu eigene Vorstellungen, etwa zur Gewerbesteuer?

Göck: Die Gemeindefinanzreform ist dringend notwendig. Schade fand ich, dass man sich in der Fachkommission nicht einigen konnte – wie sollen sich da Parteipolitiker einigen? Die Grundzüge des jetzt im Kabi-‚ nett verabschiedeten Reformansatzes halte ich für stimmig. Was die Gewerbesteuer betrifft, so hatte die bei uns noch nie einen hohen Stellenwert, sie macht nur ungefähr fünf Prozent unserer Einnahmen aus. Aber ich finde es gut, dass die Gewerbesteuer re-vitalisiert werden soll, nicht zuletzt auch deshalb, weil dadurch die Verbindung zur Wirtschaft gestärkt wird. Hoffentlich fließt ganz schnell mehr Geld in die Kommunen, so dass wir unsere Haushalte wieder ausgleichen können.

Bund und Land haben sich dem Ziel der so genannten Null-Verschuldung verschrieben, also dem Verzicht auf die Aufnahme zusätzlicher Kredite zum Ausgleich ihrer Haushalte. Halten Sie das aufgrund Ihrer Erfahrungen in Brühl für machbar?

Göck: In einer kleineren Gemeinde wie Brühl mit seinen 14 000 Einwohnern lässt sich ein solcher Kurs bestimmen, denn die Finanzentwicklung ist überschaubar, und man kann sich mit allen Beteiligten einigen. In größeren Städten ist dies erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, erst recht beim Land, das unter dem Einfluss zahlreicher Interessengruppen und in Konkurrenz zu anderen Ländern steht. Selbst in Brühl hat sich die Phase der Haushaltskonsolidierung über zwanzig Jahre hingezogen. So haben wir die Null-Verschuldung in Brühl 1993 erreicht, damals haben wir unser letztes Wohnungs- bau-Darlehen aufgenommen. Die Schuldenfreiheit wird uns vom Statistischen Landsamt seit 2001 attestiert. Das Ziel der Null-Verschuldung sollten sich durchaus auch andere Körperschaften setzen; ob es hingegen realistisch ist, dass eine Stadt oder das Land jemals so schuldenfrei wir Brühl wird, wage ich doch zu bezweifeln.

Bei Ihnen hat ja auch der aus Brühl stammende Tennisstar Steffi Graf einiges beigesteuert.

Göck: Sie spielen auf die größere Steuernachzahlung im Jahr 1996 an. Das Geld ist im Wesentlichen der Rücklage zugeflossen, unterlag aber auch der Gewerbesteuerumlage und wurde uns im Finanzausgleich zu 85 Prozent wieder abgezogen.

Aber um die Null-Verschuldung zu erreichen, muss man sich, wie Sie selber sagen, dieses Ziel vornehmen und es gegen alle Einwände und Schwierigkeiten auch durchsetzen.

Göck: Richtig, auch wenn es kein Wert an sich ist. Aber unsere Gemeinderäte sind stolz darauf, dass wir die Schuldenfreiheit erreicht haben, und wollen das nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Ich hoffe, dass das auch in Wahlzeiten so bleibt.

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