Leserbrief : Fallkonstruktion ist demagogisch

Zum Leserbrief „Was wäre geschehen, wenn…“ von Dr. Günter Koch vom 25. Oktober:
Der Fall des Opfers, das von gewalttätigen jungen Menschen angegriffen wird und dem niemand sich zu helfen traut, ist leider keine Seltenheit. Einzigartig ist jedoch die Argumentation, mit der Leserbriefschreiber Dr. Koch den hilfsbereiten Menschen abzuschrecken versucht, der sich nicht wie andere einfach heraushält.
Aber nicht das Risiko, selbst zusammengeschlagen zu werden, malt diesem der Leserbrief an die Wand. Der Schreiber, juristisch gut bewandert, lässt ein Szenario ablaufen, bei dem der Eingreifende à la Robin Hood kommt, schlägt und siegt, aber danach mit einer höheren Gewalt unliebsame Bekanntschaft macht.
Das Gericht, so rechnet Dr. Koch vor, wird nicht nur dem glorreich vom Helden niedergeschlagenen Nachwuchs-Gangster glauben und den fein satirisch „Frank Aufrecht“ titulierten Helfer verurteilen, sondern dem eigentlichen Täter auch noch zu einem Schmerzensgeld verhelfen.

Das Fatale an diesem Weltbild des Herrn Koch ist allerdings, dass er – sicher aus eigener intimer Kenntnis – von zwei angeblich festen Größen ausgeht: Auf der einen Seite schürt er das Vorurteil vom realitätsblinden Richter, und auf der andern Seite muss man sich einen gerissenen Anwalt vorstellen, der eigentlich Dr. Winkel heißen müsste.
Dr. Koch legt zwar dessen Argumente einem Staatsanwalt in den Mund, aber seine gesamte Fallkonstruktion zielt auf die populistische und demagogische Unterstellung, dass vor unseren Gerichten bevorzugt der Übeltäter Recht bekommt.
Freilich, wenn ein kluger Mann wie Herr Koch Richter wäre, würde er den Fall, einfach wie er ist, leicht durchschauen. Wäre er der Anwalt von Frank Aufrecht, ginge die Sache auch zu dessen Gunsten aus. Aber, so darf man vermuten, den teuersten Anwalt wird sich der Täter leisten können, und dieser Anwalt könnte so ähnlich argumentieren wie Dr. Koch.
Dessen Bild von unserer Rechtsprechung, das er verbreitet, sollte nicht unwidersprochen bleiben: Ein Anwalt ist nicht verpflichtet, jede Schamlosigkeit und jede Lüge seines Mandanten zu decken.

Manfred Hiller Turbanstraße 23 Bretten

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