Leserbrief : Zu fachspezifische Vorlagen?

Zu: „Unter falschen Voraussetzungen zugestimmt?“ vom 2. Dezember
Zum Kauf des früheren Forsthauses im Hardtwald, dem Teileinzug des Generallandesarchivs und dem Einzug des Landrates hagelte es die interfraktionelle Kritik verschiedener Kreisräte. Und dies, obwohl die Mitglieder des Verwaltungsausschusses im Kreistag vor zwei Jahren dem Kauf zugestimmt hatten. Herr Landrat Kretz konterte unmissverständlich, dass in den damaligen Vorlagen alle kritisierten Einzelheiten (außer seinem Einzug) zu finden waren.
Es hat also den Anschein, als hätten die Mitglieder des Verwaltungsausschusses diese Vorlage nicht (richtig) gelesen, so der Vorwurf des Landrates. Wurde etwa im Vertrauen zu den Inhalten dieser Vorlage oder im Vertrauen zum Landrat dem Kauf zugestimmt? Darüber kann der Leser nur spekulieren.
Spekulieren kann der gemeine Bürger und Wähler demnach auch über so manche Entscheidung auf anderen politischen Ebenen. Denn auch in Gemeinderäten, Kreistagen, Landtagen, im Bundestag, Vereinen, Parteien oder anderen gesellschaftlichen Gruppierungen sind umfangreiche Vorlagen mit Entwürfen, Stellungnahmen, Fachexpertisen und Gutachten die Grundlagen für politische und oft nachhaltige Entscheidungen. Die Auftraggeber und Gestalter dieser Vorlagen sind meistens die Menschen, die an der Spitze von Gemeinden, Kreistagen und so weiter stehen und über einen fachkundigen Mitarbeiterstab verfügen.

Denen gegenüber stehen die ehrenamtlichen und nebenberuflichen Gemeinderäte, die sich allesamt mit umfangreichen und oft (zu?) fachspezifischen Vorlagen beschäftigen müssen. Diese umfassen in der Entwicklung von neuen Baugebieten oft mehrere hundert Seiten und im Verfahren zur Gesundheitsreform über 1 000 Seiten. Wer bitte soll das noch lesen (können)?
Deshalb obliegt es unseren bezahlten Herren Bürgermeistern, Landräten und anderen Spitzenfunktionären, objektive, transparente und überparteiliche Vorlagen zu erarbeiten, die kein Kleingedrucktes, Gefälschtes und/oder spezielle Interessenslagen beinhalten und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger signalisieren. Denn auch beim Fußball gilt eine Vorlage zu einem im Abseits stehenden Mitspieler als Regelverstoß!

Roland Jung
Mittelweg 24
Weingarten

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4 Antworten zu Leserbrief : Zu fachspezifische Vorlagen?

  1. v-K sagt:

    Zum 1. Kommentar:

    Die Mitglieder von Ratsgremien müssen sich auf ihre Entscheidungen sorgfältig vorbereiten und, soweit ihnen die eigene Sachkunde fehlt, den Rat ihrer Verwaltung oder die Empfehlung von sonstigen Fachbehörden einholen bzw. notfalls sogar außerhalb der Verwaltung stehende Sachverständige zuziehen. Bundesgerichtshof (BGH) Karlsruhe. Es hat Geltung für alle politischen Ebenen.

    Auf jedes einzelne Gemeinderatsmitglied bezogen, heißt das, es hat die Pflicht, sich sachkundig zu machen. Der Vorsitzende des Gemeinderates kann also eine Abstimmung durch Beschlußvorlage zu einem Tagesordnungspunkt von einem Gemeinderatsmitglied erst dann verlangen, wenn dieses bestens Bescheid weiß. Er muß diesem Gemeinderatsmitglied die vom BGH zur Aneignung von Sachkunde genannten Möglichkeiten einräumen.

  2. b.z. sagt:

    Der Kreistag hat beschließende und beratende Ausschüsse. Beschließenden Ausschüssen werden bestimmte Aufgabengebiete zur dauernden Erledigung sowie einzelne Angelegenheiten übertragen. In dringenden Fällen haben sie ein Eilentscheidungsrecht, was hier nicht nötig war. Beratende Ausschüsse werden vom Kreistag zur Vorbereitung seiner Verhandlungen oder einzelner Verhandlungsgegenstände bestellt.

    Vorsitzender der Ausschüsse ist der Landrat. Er ist sozusagen Herr eines jeweiligen Verfahrens.

    Die Mitglieder im beschließenden Verwaltungsausschuß werden sich anhand der ihnen ausgehändigten Unterlagen nicht genügend schlau gemacht haben. Der Einzug des Landrats war dazumal wohl kein Thema. Nun kann sich jeder halbwegs nachdenkende Leser vorstellen, was in der Angelegenheit beschlossen wurde und was sich danach rein zufällig – oder auch nicht – ergab. Das sind mindestens zwei Paar Stiefel.

  3. A/P sagt:

    „Haben die Kreisräte dem Kauf des noblen früheren Forsthauses zugestimmt, weil sie die Vorlagen nicht richtig gelesen haben“, fragt der Schreiber des obigen Leserbriefs.

    Das ist eindeutig zu verneinen, weil viele Kreisräte Bürgermeister und sogar Oberbürgermeister sind. Oder ist die Frage doch zu bejahen? Dann aber nur aus dem einzigen Grund, daß sie in ihrem Amt als Vorsitzende des jeweiligen Gemeinderates überwiegend von Abnickern umgeben sind, die für sie so zur Ansteckungsgefahr geworden sein können.

  4. ghg sagt:

    Dem Verfasser des obigen Leserbriefes kann ich in fast allen Punkten zustimmen. Nur in einem Punkt nicht, wenn er schreibt: „Denen gegenüber stehen die ehrenamtlichen und nebenberuflichen Gemeinderäte, die sich allesamt mit umfangreichen und oft (zu?) fachspezifischen Vorlagen beschäftigen müssen. … Wer bitte soll das noch lesen (können)?“

    Alle Gemeinderatsmitglieder haben das Recht und die Pflicht, sich vollständig kundig zu machen. Wenn sie jedoch pflichtgemäß von ihrem Recht keinen Gebrauch machen, dann bleiben sie angepaßte und langweilige Abnicker. So läuft es fast überall in den Gemeindeparlamenten ab.

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