Mietsache mit G’schmäckle

Der „Landgraf“ muss sich kritischen Fragen stellen
Karlsruhe – Der Landrat Claus Kretz gerät wegen einer privaten Mietaffäre immer weiter unter Druck. Er ließ vom Landkreis Karlsruhe eine Villa kaufen und erst einmal für sich selbst herrichten.

Einen Spitznamen hat der Volksmund schon gefunden. Auf den Fluren des Landratsamts tuschelt man über den „Landgrafen“ und seine neue Bleibe. Dabei soll alles mit rechten Dingen zugegangen sein, als Landrat Claus Kretz im Januar ins Dachgeschoss einer hübschen Förstersvilla zog – ein prächtiges Haus am Rand des Karlsruher Schlossparks, das der Landkreis 2005 gekauft hatte. Als dringlich war der Fall seinerzeit den Kreisräten geschildert worden. Ein paar tausend Aktenmeter des kreiseigenen Archivs brauchten Platz und die Villa schien wie geschaffen.

Für 600 000 Euro Kaufpreis stimmten die Kreisräte zu. Aber kaum war die Tinte unter dem Kaufvertrag trocken, da fand nicht das Archiv seine neue Bleibe, sondern der Landrat persönlich. Als Mieter im Dachgeschoss der Villa für bescheidene 4,50 Euro pro Quadratmeter. Im Untergeschoss, wo schleunigst Archivmaterial hätte lagern sollen, wurde ein Weinkeller eingerichtet.

Das alles ließ sich monatelang vor der Öffentlichkeit verbergen. Vielleicht auch, weil der nahe Verwandte eines einflussreichen Lokaljournalisten im hübschen Nebengebäude der Förstersvilla wohnen durfte. Nur einige immer schärfer werdende Anfragen der Grünen streuten Sand ins Getriebe. Aber auch wurde zunächst noch nicht bekannt, weswegen der Landrat in vertrauter Runde des Ältestenrats die Stimmung seiner Kreisräte zu erkunden suchte. Dort debattierten die Teilnehmer hinter verschlossenen Türen über drohende „Neid-Debatten“ und ob sich das alles wohl „durchstehen“ ließe.

Natürlich hatten die meisten in der Runde längst mitbekommen, wer an dem prachtvollen Bau zu welchem Zeitpunkt was gemacht hatte. Zunächst waren Langzeitarbeitslose der kreiseigenen Beschäftigungsgesellschaft angerückt, um für das geplante Archivgebäude einen 3500 Quadratmeter großen Garten auf Vordermann zu bringen und einen blickdichten Zaun zu zimmern. Im Dachgeschoss, wo der Landrat wohnen wollte, durften sie „die Grobarbeiten“ verrichten: weg mit den Tapeten, weg mit einer störenden Wand, raus mit dem alten Bad.

Nun ist die Kreiskasse nicht üppig gefüllt, und deshalb wollten ein paar misstrauische Kommunalpolitiker wissen, was das alles koste. Das herauszufinden, erfuhren sie auf Anfrage vom Kreiskämmerer, sei jedoch „nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand“ möglich. Denn die Ausgaben für die Landratswohnung und den Rest der Haussanierung waren „ganzheitlich“ vergeben worden: Keiner weiß, in welcher Etage wie viel Geld steckt.

Dabei geht es um hohe Summen. 200 000 Euro stehen für die Renovierung im Haushalt, und die Kunstliebe des Landrats hat manchen der Kreisräte quer durch die Fraktionen auf die Palme gebracht. Denn ohne ihr Wissen hatte Kretz von einem namhaften Künstler ein formidables Deckengemälde zu Repräsentationszwecken im Entrée der Villa anbringen lassen. Das befanden die Gäste diverser Empfänge zwar als „durchaus gelungen“, aber es war auch teuer. Zusätzliche 40 000 Euro kostete es den Kreis.

Künstlerische Fragen hatten die Kreisräte schon seit Jahren ihrem Landrat überlassen. Eine Kunstkommission hatte er ihnen vorgeschlagen, aber sie hatten abgewunken. Weil das in der Vergangenheit so war, werde eine Beteiligung von Kreistagsausschüssen in Fragen teurer Kunstobjekte „auch in Zukunft nicht für erforderlich gehalten“, schrieb der Kämmerer auf Anfrage Ende November. An diesem Tag entschloss sich der Landrat, seine Bleibe wieder zu verlassen, um „Schaden vom Landkreis abzuwenden“.

Es war auf Nachfrage nur schwer erklärlich, warum etwa der Angehörige jenes einflussreichen Journalisten für vier Euro pro Quadratmeter in einer nach Auffassung des Landratsamtes „eher bescheidene Wohnung“ hausen musste, der Landrat dagegen in einem fast neuen Dachgeschoss für gerade 4,50 Euro. Das alles sei mit der Rechtsaufsicht abgestimmt, hatte Claus Kretz versichert, auf Nachfrage allerdings eingeräumt, wie diese Abstimmung tatsächlich ausgesehen hatte. Die Rechtsaufsicht im Regierungspräsidium hatte sich um die Zahlen nicht gekümmert, weil es sich „um einen wirtschaftlich nicht relevanten Vorgang handelt“.

Das Kreisarchiv ist in Teilen tatsächlich in die Villa umgezogen – am vergangenen Montag, fast zwei Jahre nach der Kaufentscheidung. Damals aber war den Vormietern vom früheren Eigentümer, dem Land Baden-Württemberg, gekündigt worden mit dem Hinweis, auf den dringenden Umzug des Archivs. Die Mieter wurden hinauskomplimentiert, weil „diese Nutzung nur möglich ist, wenn das gesamte Gebäude zur Verfügung steht“. Landrat Kretz hat nun angekündigt, er werde eventuell rückwirkende Mieterhöhungen aus eigener Tasche zahlen. Staatsanwälte haben derweil kritisch Zeitung gelesen, und nach einem Bericht in der Stuttgarter Zeitung einen Prüfvorgang eingeleitet.

Meinrad Heck, StZ

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