Die Gretchenfrage im Ratssaal

Öffentlich oder nicht – daran scheiden sich in der Kommunalpolitik mit schöner Regelmäßigkeit die Geister
MÖNSHEIM/ENZKREIS. Grundsätzlich tagen die Gemeinderäte in öffentlicher Sitzung. Wenn dann, wie zuletzt in Mönsheim, mehrere Hektar Gemeindewald hinter verschlossenen Türen verkauft werden, tauchen Fragen auf.
Der Sportwagenbauer Porsche hat rund zehn Hektar Gemeindewald von den Gemeinden Mönsheim und Weissach gekauft. Den Verkauf des Gemeindewalds erstmals öffentlich bestätigt hatte Mönsheims Bürgermeister Thomas Fritsch am 17. Juli gegenüber der „Pforzheimer Zeitung.“ Fritsch hatte angeführt, dass nach der Gemeindeordnung „Grundstücksverkäufe und Personalangelegenheiten grundsätzlich nichtöffentlich beschlossen“ würden. Dem folgend habe die Beratung und Abstimmung im Mönsheimer Gemeinderat geheim zu bleiben, so Fritsch.

„Bei Grundstücksverkäufen irrt er“, schrieb Stefan Jung aus Ispringen in einem Leserbrief an die PZ. Jung beruft sich dabei auf den Kommentar von „Kunze, Bronner, Katz“ zur Gemeindeordnung. Danach „muss in jedem Fall geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die nichtöffentliche Verhandlung gegeben sind. Es ist zum Beispiel nicht zulässig, alle Grundstücksangelegenheiten schlechthin auf den nichtöffentlichen Teil der Tagesordnung zu setzen.“ Nach Jungs Einschätzung ist der Beschluss des Mönsheimer Gemeinderats „nichtig und unwirksam“, da im Vorfeld eine notwendige Einzelentscheidung nicht getroffen worden sei.

Schutz einzelner Personen
Nichtöffentlich oder öffentlich – mit dieser Frage beschäftigt sich regelmäßig auch Jörg Gilon, der das Kommunalamt im Landratsamt Enzkreis leitet. Häufig melden sich Bürgermeister und gewählte Bürgervertreter bei Gilon und fragen nach der Rechtslage. „In den meisten Fällen ist die Sache ziemlich klar“, sagt Gilon. Von dem in der Gemeindeordnung fixierten Öffentlichkeitsgrundsatz kann laut Gesetz nur abgewichen werden, „wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern.“
Dieser Schutz einzelner Personen betreffe vor allem Personalentscheidungen oder etwa Steuerstundungen, sagt Gilon. Bei Immobilien müsse differenziert werden: Allgemeine Richtlinien etwa für den Verkauf von Bauplätzen in neuen Wohngebieten seien von den Gemeinderäten stets öffentlich zu fassen.

Komplizierter wird es, wenn die Gemeinde Grund und Boden einzeln kauft oder verkauft. Hier müssten nach Gilons Auskunft meistens „berechtigte Interessen des Erwerbers“ geschützt werden, etwa wenn dessen soziale und finanzielle Verhältnisse überprüft werden. Dies könne vor allem dann zum Tragen kommen, wenn der mögliche Vertragspartner die Gemeinde um Vertraulichkeit ersucht habe. Vor diesem Hintergrund hält Gilon den Beschluss des Mönsheimer Gemeinderats für rechtmäßig, den Verkauf des Gemeindeforsts in nichtöffentlicher Sitzung zu verabschieden. Die Aussage von Bürgermeister Fritsch sei nach Gilons Einschätzung „zutreffend“ gewesen. Ob es um den Verkauf mehrerer Hektar Gemeindewald an Porsche oder um den Verkauf eines einzelnen Baugrundstückes an eine Familie ginge, spiele insoweit keine Rolle, sagt Gilon.

Die wieder belebte Bürgerinitiative gegen das Gewerbegebiet MöWe hatte hingegen Mitte Juli mehr Transparenz eingefordert. „Am Schellenbergwald hat der Bürger ein elementares Interesse und auch das Recht zu wissen, was mit einem Gebiet geschieht, in dem er seit Jahren Erholung sucht.“ Überdies vermutet die Bürgerinitiative als „wahren Grund für die Geheimhaltung, dass man bei öffentlicher Behandlung berechtigten Widerstand aus der Bevölkerung befürchtet hat“.

Öffentlichkeit als Grundsatz
In Prüfberichten teilt die Kommunalaufsicht im Enzkreis den Gemeinden „schon mit, wenn die Behandlung im nichtöffentlichen Teil nicht richtig war“, weiß Gilon. Zudem sei es durchaus üblich, dass einzelne Gemeinderäte Geschäftsordnungsanträge auf Herstellung der Öffentlichkeit stellen würden. Einzelne Bürger können sich an die Kommunalaufsicht wenden, wenn sie Zweifel an der Zulässigkeit nichtöffentlicher Behandlung haben. Die Entscheidung, welche Themen hinter verschlossenen Türen beraten werden, trifft der Bürgermeister. „Manche neigen im Streitfall eher zur öffentlichen, andere eher zur nichtöffentlichen Behandlung“, beobachtet Gilon.„Wenn wir allerdings den Eindruck haben“, sagt Gilon, „dass zu viel nichtöffentlich behandelt wird, dann gehen wir auf den Bürgermeister zu.“ Dies habe dann schon dazu geführt, dass sich der Gemeinderat mit bestimmten Themen fortan öffentlich beschäftigt hätte.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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