Beifall für die offene Rebellion gegen die Bürokratie

Brettens OB Paul Metzger missachtet Vorschriften und kommt bis jetzt ungestraft davon – Aufsichtsbehörde: Wir sind nicht blind
Seine eigensinnigen Entscheidungen sparen dem Staat Geld und dem Bürger Nerven. Deshalb will der Brettener Oberbürgermeister Metzger weiter frech wider den Stachel umständlicher Vorschriften löcken. Das Karlsruher Regierungspräsidium sieht das sogar irgendwie positiv.

Von Wieland Schmid
„Ich rudere gegen den Strom“, hat Paul Metzger schon früher gern und lachend gesagt. Aber nach seinem 60. Geburtstag macht der Oberbürgermeister von Bretten im Landkreis Karlsruhe seine Absichten noch deutlicher. „Ich will den Finger auf die Wunde legen, wo es nur um die Selbstbefriedigung der öffentlichen Verwaltung geht“, kündigt der seit 1986 amtierende Verwaltungschef auch für die Zukunft an. In einem geplanten „Schwarzbuch“ will der aufmüpfige Kommunalpolitiker bald vor allem die Ministerialbürokratie für ihre „Selbstbeschäftigung bei der Planung von Verfahren“ an den Pranger stellen. Zusammen mit einem Stuttgarter Anwaltsbüro und der Karlsruher Hochschule für Technik und Wirtschaft will Metzger dabei auch durchaus „Ross und Reiter nennen“.

Bis es so weit ist, verlängert der Oberbürgermeister wenigstens die Liste seiner eigenen Verfehlungen wider das Verwaltungsrecht. Wie berichtet, hatte Metzger unlängst einem von einer Pizzeria entlassenen irakischen Christen kurzerhand einen neuen Job besorgt und dem Familienvater auch gleich die Arbeitserlaubnis dafür erteilt. Laut der neuen Beschäftigungsverfahrensordnung, im Amtsdeutsch „BeschVerV“ abgekürzt, hätte der Ausländer allerdings erst ein wochenlanges Prüfverfahren der Arbeitsagentur abwarten müssen. Das hat dem OB der Stadt mit 28 000 Einwohnern zu lange gedauert.

Jetzt hat Metzger dafür gesorgt, dass die Bewohner des Brettener Hausertalviertels auf die Schnelle einen lang ersehnten Lärmschutzwall bekamen. Beim Ausbau der Bundesstraße 35 ist eine Menge Erde angefallen, und davon hat der Oberbürgermeister gleich 7000 Kubikmeter für einen 160 Meter langen Hügel vor dem Hausertal auf der anderen Straßenseite abgezweigt. Das hat dem Bundeshaushalt eine Menge Geld gespart, denn eigentlich hätte die Erde erst auf eine Deponie gekarrt werden müssen. Schließlich müssen für einen solchen Wall alle möglichen Behörden ihre Zustimmung erteilen.

„Ich hatte gar keine Befehlsgewalt“, sagt Metzger. „Aber ich habe einfach kraft Amtes die Genehmigung erteilt.“ Einen Tag später, erinnert sich Metzger vergnügt, habe er für diesen rechtswidrigen Handstreich sogar Lob von höchster Stelle bekommen: „Bei einem Besuch in Bretten hat Innenminister Rech zu mir gesagt, er müsste mich eigentlich dafür rügen, aber er freue sich, dass die Lärmschutzmaßnahme vorankomme.“ Vom Karlsruher Vizeregierungspräsidenten habe er zwar eine mündliche Rüge bekommen, gesteht Metzger, aber dem habe er eben schlicht „widersprochen“.

Weiter ist nichts passiert. Man kenne schließlich den Brettener OB, sagt Alexander Ellinghaus von der Karlsruher Aufsichtsbehörde: „Ansonsten hält er sich doch an die Vorschriften, er ist äußerst zuverlässig, auf ihn ist Verlass.“ Weil die Entscheidungen des Oberbürgermeisters in Sachen Jobvermittlung und Lärmschutzwall „in der Sache sicherlich nicht falsch“ gewesen seien, sehe die Kommunalaufsicht „keinen Anlass, sich einzuschalten“. Im Regierungspräsidium werden die „Unmutsbekundungen“ Metzgers sogar mit klammheimlichem Verständnis zur Kenntnis genommen. „Wir sehen das durchaus auch als positives Signal“, sagt Ellinghaus. „Auch die Aufsichtsbehörde ist nicht blind. Wir wissen, dass wir zu viele Bestimmungen haben.“

Dass ihn auch Ministerpräsident Günther Oettinger unlängst in Karlsruhe auf seine mutwilligen Verfehlungen angesprochen hat („Er ist interessiert“), beflügelt den Sünder im Chefsessel des Brettener Rathauses zu weiteren Taten. Er hat die Baurechtsbehörde angewiesen, keine Bußgelder zu verhängen, wenn Häuslesbauer nach abgeschlossenem Prüfverfahren auch ohne formale Bestätigung die Baugrube ausheben lassen. Das sei zwar ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung und „eine neue Tretmine“, sagt Metzger grimmig. „Aber wenn Bürger anderen keinen materiellen Schaden zufügen und formal im Recht sind, dann wird halt die Wartezeit abgekürzt.“ Dann sei vielleicht doch eine Abbruchverfügung möglich, aber „sonst bestrafe ich niemanden, der bei uns investieren oder schaffen will“.

Im Übrigen freut er sich über die vielen anfeuernden Zuschriften, die er bekommt. Manche rühmen ihn mittlerweile sogar als „den Robin Hood von Bretten“. Auch deshalb will er weiter unverdrossen wider den Stachel der Obrigkeit löcken. Allerdings, sagt Metzger, „beklage ich nicht die, die unnötige Stellungnahmen abgeben und überflüssige Briefe schreiben müssen, sondern die obere Ministerialbürokratie, die die Vorschriften formuliert“. Immerhin, ein Ärgernis hält er schon für beseitigt. „Ich begrüße die Abschaffung der Oberschulämter, die gottgleich regiert haben.“ Paul Metzger fügt bissig hinzu: „Das war ein ganz schlimmer Haufen!“

Aktualisiert: 17.09.2005, 06:12 Uhr

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