Volksnah und korrupt

„Das mit dem Kegelverein ist unglücklich gelaufen“
Warum drei bayerischen Bürgermeistern selbst Ärger mit der Justiz nichts anhaben kann
Von Uwe Ritzer

München – Der Plöckl Sepp war ganz in seinem Element. Bestens gelaunt, den Trachtenjanker ausgezogen, die Krawattenspitze in die Hose gesteckt, schwang er den hölzernen Schlegel dreimal kräftig – schon steckte der Zapf hahn im Fass. Die Blasmusik spielte einen zünftigen Tusch, die Menge johlte, der Sepp verkündete strahlend „O’zapft is“, bezirzte die Landratsstellvertreterin, die Landtagsabgeordnete, die Bezirksrätin und natürlich die Spargelkönigin. Die muss auf’s Podium, wenn in Schrobenhausen das Volksfest eröffnet wird. Genauso wie der Plöckl Sepp, auch wenn er als Bürgermeister seit Monaten vorläufig vom Dienst suspendiert und gerade zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten auf Beahrung verurteilt wurde. „Für gute Taten“, wie der 62-jährige Plöckl glaubt. Der Vorsitzende Richter am Landgericht Ingolstadt sprach hingegen von bewiesener Untreue und nannte Josef Plöckl einen, der sich „um Recht und Gesetz nichts schert.“
„A Hund isser scho“ sagt ein Großteil der Schrobenhausener bewundernd über ihr Stadtoberhaupt auf Abruf, das von Gesetzeswegen aus dem Amt geworfen und alle Pensionsansprüche aus 33 Bürgermeisterjahren verlieren wird, sollte das Ingolstädter Urteil der Revision standhalten. Die konzentrierte öffentliche Aufmerksamkeit für den Plöckl-Prozess verwischte die Vermutung, dass es sich womöglich um keinen Einzelfall handelt. Immer wieder verlieren sich Bürgermeister vorwiegend ländlicher Kommunen in der Grauzone zwischen unbürokratisch-bayuwarischer Volksnähe und rechtsstaatlicher Gesetzespflicht. Manche aus Filser’scher Schlitzohrigkeit, manche weil sie mit ihrem Amt schlicht überfordert sind und wieder andere, weil sie mit zunehmender Amtszeit absolutistische Züge entwickeln nach dem Motto: Die Gemeinde bin ich!

Zu welcher Kategorie Karl Forster, der CSU-Bürgermeister der 2800-Einwohner-Gemeinde Wellheim im Altmühltal, gehört, steht für seinen hartnäckigsten Widersacher Wolfgang Löffler längst fest. „Er lebt in einer eigenen selbstgezimmerten Welt, in der Realität, eigene Einschätzung und Selbstgefälligkeit nicht mehr unterschieden werden“, schrieb der SPD-Fraktionschef im örtlichen Gemeinderat in einer Dienstaufsichtsbeschwerde über Forster an das Landratsamt Eichstätt. Weder menschlich noch fachlich sei der als Bürgermeister noch tragbar. 240 000 Euro Schaden soll Forster verursacht haben, indem er Herstellungsbeiträge für Kanal- und Wasserleitungen nicht eintrieb. Als unlängstlm cfemeindeteil Konstein der Kirchplatz neu gestaltet wurde, ließ der CSU-Mann kurzerhand private Randstreifen gleich mit pflastern, ohne die Eigentümer zu fragen. Die sollen nun aber dafür zahlen und sind entsprechend sauer. Gut möglich, dass die geschätzten 30 000 Euro Kosten an der Kommune hängen bleiben.
Die SPD-Gemeinderatsfraktion wittert Untreue und stellte Strafanzeige gegen den Bürgermeister.

Dies nicht zum ersten Mal. Vor 16 Jahren erließ Forster dem örtlichen Kegelverein eigenmächtig die Pacht für das Vereinsheim. Rechnungsprüfer beanstandeten dies fortan immer wieder, doch es geschah nichts. Nachdem auch das Land-, ratsamt Eichstätt wenig Aufklärungseifer zeigte, erstatten Forster-Kritiker Strafanzeige. Es ging schließlich um 114 000 Euro. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt stellte Anfang 2005 tatsächlich Untreue fest, konnte dem Bürgermeister aber nichts mehr tun, denn der Fall ist verjährt. Wie Josef Plöckl so sieht sich auch Karl Forster als Opfer böswilliger
Kritiker. „Das mit dem Kegelverein ist unglücklich gelaufen“, sagt er. Im Übrigen sei „alles in der Schwebe“, weshalb er derzeit nichts sagen könne.
Auch Martin Besenrieder schweigt. Er sei gerade beim Mittagessen und gleich danach müsse er auf’s Feld, erklärt der Landwirt und Bürgermeister von Wang im Landkreis Freising auf SZ-Anfrage. Deswegen will er nichts dazu sagen, dass die Rechnungsprüfer des Landratsamtes gerade die von ihm zu verantwortende Haushaltspolitik der 2000-Seelen-Gemeinde nach allen Regeln der Kunst zerpflückt haben. Von jahrelangen Verstößen gegen grundlegende haushaltsrechtliche Vorschriften schreibt die Aufsichtsbehörde. Mal wurden Erlöse aus dem Verkauf von Gewerbegrundstücken vertragswidrig in die Gemeindekasse umgeleitet, ein anderes mal „rechtswidrig“ auf Erschließungskosten für zwei Straßen verzichtet. Schon vor Jahren musste sich Besenrieder von staatlichen Prüfern „schwere Verstöße und Tricksereien“ vorhalten lassen. Einen Kindergartenbau hatte er statt über Darlehen durch Überziehung der Gemeindekonten um zwei Millionen Euro finanziert – mit weit höheren Zinsen und damit erheblichen Mehrkosten für die Kommune. Erlaubt waren ohnehin maximal 500 000 Euro Kassenkredit. Zur (politischen) Verantwortung gezogen wurde Besenrieder nicht. Jetzt verfügte das Freisinger Landratsamt, dass die Gemeinde alle Investitionen über 10 000 und alle Stundungen und Erlasse über 200 Euro melden muss. Als „hemdsärmeligen Typen“ beschreiben Besenrieder-Kenner den Bürgermeister. Einer, der nach dem Motto regiere: „Des mach ma scho“.

Ähnliches wird auch über Karl Forster erzählt und über Josef Plöckl. Leutselig, barock und schillernd sei dieser Typ Bürgermeister. Auch Josef Plöckl ist in der Bevölkerung als agil, unbürokratisch und erfolgreich beliebt. Er selbst ist überzeugt, dass „die Leut‘ für mich beten“ und hält es für eine unangebrachte Form von Majestätsbeleidigung, dass er nach 33 Jahren aufopferungsvollem „Dienst für Volk, Vaterland und Bürger“ sich überhaupt Fragen von Gerichten stellen muss. Zum Beispiel nach den besonders zinsgünstigen 20 000 Euro, die er sich von einem Bauträger lieh, mit dem er gerade praktischerweise als Bürgermeister von Amtswegen zu tun hatte. Das Amtsgericht wertete dies als Korruption. Dass er den Vorplatz des Rotkreuz-Heimes eigenmächtig und unrechtmäßig auf Gemeindekosten hat asphaltieren lassen brach Plöckl unlängst vor dem Landgericht das Genick. Ob er zudem Bauherren unrechtmäßig Erschließungskosten erlassen hat, wird sich in einem weiteren Gerichtsverfahren zeigen.

Die gewählten Kontrolleure in Stadt-und Gemeinderäten schauen nicht selten jahrelang weg, sind überfordert oder feige. Öffentliche Kritiker haben vor allem in kleinen Orten einen schweren Stand. „Einen Quertreiber“, nennt Wellheims Bürgermeister Forster seinen Kritiker Löffler. Dem wurden schon mal die Autoreifen zerstochen und im Glasvorbau an seinem Haus fand sich ein „einschussähnliches Loch“, wie er sagt. In Wang habe der Gemeinderat „nie gegen Bürgermeister Besenrieder aufgemuckt“, sagt ein Insider.
Und in Schrobenhausen ist man ohnehin nicht willens oder in der Lage, den Plöckl-Sepp zu bremsen. Der zelebrierte nicht nur die Volksfesteröffnung. Als die neue Spargelkönigin gekrönt wurde, blieb anstelle des suspendierten Plöckl der amtierenden Bürgermeisterin nur noch die Statistenrolle. Bei dem Zeremoniell nahm Josef Plöckl auf einem Thron Platz. In der Hand schwang er ein silbernes Zepter. Und das Publikum freute sich.

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2 Antworten zu Volksnah und korrupt

  1. i-L sagt:

    Aber klar doch!
    Auch noch nach einer so langen Zeit!

  2. Matthias Menzel sagt:

    Kommt Ihnen, lieber Leser, das irgendwie bekannt vor ?

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