Wir ersticken am Formalismus

Rückendeckung für Brettens Oberbürgermeister für seine Kritik an zunehmender Bürokratie
ENZKREIS. Der Wall in Bretten steht. Der Lärmschutz, den Oberbürgermeister Paul Metzger ohne Planverfahren hat aufschütten lassen, wird vom Landratsamt Karlsruhe nachträglich genehmigt.

Dass Metzger sein Vorgehen als Signal gegen übertriebene Bürokratie versteht, wundert allerdings den zuständigen Amtsleiter Joachim Schneider. „Hätte er uns das vorher gesagt, hätte die Sache auch nicht lange gedauert“, sagt er. Genehmigungen dafür, den Aushub an anderen Stellen in Bretten zu verwenden, habe es gegeben.
Trotzdem erntet Metzger von Amtskollegen im Enzkreis Verständnis für seine Kritik an komplizierten Genehmigungsverfahren. „Die bürokratischen Hürden sind sehr hoch“, sagt Birkenfelds Bürgermeister Reiner Herrmann und denkt an das jahrelange Ringen um die jüngsten Birkenfelder Baugebiete. Sein Ispringer Kollege Heinrich Kemmet hätte „am liebsten Schaufel und Pickel in die Hand genommen“, um den Bau des zweiten Stadtbahnhaltepunkts „Ispringen West“ zu beginnen. Das Verfahren hatte sich hingezogen.

Der Zugang zu der neuen Haltestelle ist nicht leicht zu verwirklichen. Eine Rampe wird zwar für Rollstuhlfahrer eine barrierefreie Auffahrt schaffen und den Vorschriften genügen, doch sie wäre so steil, dass Behinderte schon sehr viel Kraft bräuchten, um zu den Gleisen zu kommen. Zahlreiche Fachleute der Bahn sowie der Albtalverkehrsgesellschaft (AVG) haben den Plan unter die Lupe genommen und auf den Weg gebracht. Dann mussten alle Unterlagen nochmals geprüft werden – vom Eisenbahnbundesamt. Jetzt ist das Planwerk auf dem Weg zum Regierungspräsidium in Karlsruhe. „Da steht man in Gedanken kurz davor, schwarz zu bauen“, sagt Kemmet. Die hemdsärmelige Art Paul Metzgers gefällt ihm denn auch: „Gut, dass es solche Leute gibt.“

Wunsch, etwas zu bewegen
„Meine Hochachtung für Paul Metzger“, sagt der Wiernsheimer Schultes Karlheinz Oehler. Die Gemeinden erstickten an Formalismus. „Metzgers Schritte gegen Bürokratie ist die einzige Art, etwas zu bewegen“, sagt Oehler. Wie Brettens Oberbürgermeister hat er beim Ausbau einer Straße 20 000 Kubikmeter Erdaushub für einen Schutzwall verwendet: „Ich hab’s aber gleich in den Plan hineingeschrieben.“

Metzgers zweite Aktion, einem arbeitslosen Iraker unbürokratisch gegen Vorschriften des Ausländerrechts und der Agentur für Arbeit einen Job zu besorgen, gefällt Oehler auch. „Bei uns ist eine Firma mit 500 Euro bestraft worden, weil sie zwei Tage Differenz bei der Anstellungsvorschrift für Ausländer übersehen hatte“, sagt der Wiernsheimer.
Beamte hat auch Oehler schon mit Spontaneität beeindruckt. Als Fachleute der Straßenbaubehörden in Serres über den Bau einer Verkehrsinsel debattierten, hielt der Schultes einen Lasterfahrer an und bat ihn kurzerhand zu einer Testfahrt um die Insel. „Das war eben Praxis pur, das ist besser, als 20 Ingenieure einen Wenderadius ausrechnen zu lassen“, schmunzelt Oehler noch heute.

Wer kennt Beispiele für unbürokratisches Handeln aus der eigenen Gemeinde?

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