Wald vor harter Belastung

Hitze, Trockenheit, Insektenplage, Stickstoff setzen den Bäumen zu – Forstchefs zwischen Hoffen und Bangen

ENZKREIS. „2004 wird das Schicksalsjahr für den Wald“, prognostizieren Forstwissenschaftler. Die große Hitze 2003 und der trockene Winter würden den Bäumen stark zu schaffen machen, sagen sie.
Ganz so dramatisch sehen die Experten in der Region die Zukunft nicht. So meint der Neuenbürger Forstdirektor Heiner Pabst: „Unsere Bäume sind sehr leidensfähig.“ Sein Maulbronner Kollege, Forstdirektor Fritz Geiger, räumt jedoch ein: „In den kommenden Jahren werden wir Probleme bekommen.“ Geiger ebenso wie Pabst ein Mann aus der Praxis, gibt den Theoretikern insoweit recht: „Für das Nadelholz kann es ein Schicksalsjahr werden. Wir besitzen im Stromberg jedoch überwiegend Laubholz.“

Doch auch Buchen und Eichen bereiten Geiger, der 5300 Hektar Wald in Maulbronn, Illingen, Sternenfels, Knittlingen, Ölbronn-Dürrn, Neulingen, Ispringen und im Staatswald Oberderdingen zu betreuen hat, „größte Sorgen“, wie er bekennt. Allerdings meint er: „Der trockene Winter tut den Laubbäumen noch nicht so weh wie den Nadelhölzern.“
„Einige Totalausfälle“
Überall dort, wo im August und September Laub an den Ästen vertrocknet und nicht abgefallen sei, könne es aber auch für die Bäume mit Blättern kritisch werden: „Diese Bäume sind tot. Wir werden einige Totalausfälle zu beklagen haben. Das betrifft insbesondere Keuperhänge, beispielsweise in Sternenfels und Illingen oberhalb von Weinbergen.“
Dennoch gibt es auch Hoffnungszeichen oder fast wundersame Entwicklungen, wie der Neuenbürger Forstamtschef Heiner Pabst erfahren hat, der 6900 Hektar Baumbestand in Birkenfeld, Engelsbrand, Neuenbürg, Straubenhardt, Eisingen, Kämpfelbach, Keltern, Königsbach-Stein und Remchingen unter seinen Fittichen hat: „Da muss man sich schon wundern, dass 2003 nicht mehr passiert ist. Ein ausgewachsener Baum benötigt 50 bis 100 Liter Wasser pro Tag. Da habe ich mich im vergangenen Sommer schon gefragt, wo der das her kriegt. Vermutlich verfallen die Bäume in eine Art Winterschlaf oder Hungerzustand wie Eichhörnchen oder Bären.“
Doch auch Pabst weiß um mögliche Spätfolgen solcher Hitzeperioden: „1976 gab es ein extremes Trockenjahr. In den Folgejahren wurde dann das Waldsterben entdeckt.“ Abzulesen sei dies auch an den Jahresringen der Bäume: „Tanne oder Fichte wachsen pro Jahr um zirka einen Zentimeter. Ein paar Jahre lang kann der Zuwachs nur im Millimeterbereich liegen. Dennoch stirbt der Baum nicht ab.“ Auch Geiger prophezeit: „Die nächsten Jahresringe werden sehr dünn ausfallen. Bei Pappeln sind das sonst drei bis vier Zentimeter. Bei Eichen liegen die Jahreszuwächse sowieso nur bei einem Millimeter oder sogar noch darunter.“
Auf Schädlinge vorbereitet
Erschwerend müssen sich die Förster in diesem Jahr vermutlich mit einer Insektenplage herumschlagen. Die Trockenheit hat viel Totholz hervorgebracht, das als Tummelplatz für Schädlinge dient, beispielsweise für den Borkenkäfer. „Wir sind vorbereitet. Unser ganzes Personal ist sensibilisiert“, versichert Pabst. Wenn es wärmer werde, würden regelmäßige Kontrollgänge unternommen: „Symptome sind dürre Gipfel und abfallende Rinde. Solche Bäume werden gefällt, aus denen Scheidholz entsteht.“
Anzeichen dafür, dass der Schwammspinner vor einer Massenvermehrung steht, hat Geiger ausgemacht: „Es ist nicht auszuschließen, dass dieser schädliche Schmetterling die Laubbäume ähnlich leer frisst wie in den Jahren 1993 und 1994.“

Nach wie vor zu viel Stickstoff in den Böden gräbt ebenfalls Sorgenfalten in die Gesichter der Forstleute. In Form von Saurem Regen rieselt das Nitrat auf Wipfel und Böden nieder. Während Geiger die Strombergwälder nicht kalken muss („Wir haben viel Tonböden“), stellt sich das im Nordschwarzwald anders dar. Pabst informiert: „Jede Fläche wird regelmäßig einmal im Jahrzehnt gekalkt, um den Säureeintrag zu mindern.“
Trotz aller düsteren Aussichten ist in diesem Jahr in Sachen Wald noch nichts verloren. Geiger tröstet sich mit der Hoffnung: „Wenn es lange Zeit kühl und feucht bleiben sollte, wäre das für den Wald ein großer Segen.“

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Eine Antwort zu Wald vor harter Belastung

  1. Matthias Menzel sagt:

    Die Lösung dafür haben wir in Bretten schon gefunden : Wir holzen noch schnell ab, bevor das Holz wertlos wird ! Aber im Ernst, die Ignoranz der Entscheidungsträger, auch gegenüber 6000 Gegnern einer Rüdtwaldabholzung, ist unerträglich. Da helfen auch Briefe aus dem Wirtschafts- und Verkehrsministerium mit dem Hinweis auf die seit Jahren veröffentlichen Flächensparappelle nichts, selbst wenn sie persönlich an den Herrn Oberbürgermeister gerichtet werden. Wollen wir uns von einer Handvoll, in ihrer ökologischen Weiterentwicklung in den 70 Jahren stehengebliebenen Beamten unsere Lebensgrundlagen zerstören lassen ?

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