Unsere Hausaufgaben nicht gemacht

Im Brettener Studienzentrum stehen die Räume bei Semesterbeginn leer
Alle am Präsenzstudiengang Informatik Interessierte abgesprungen
Von unserem Redaktionsmitglied Claudia Kraus

Die Erwartungen waren auf allen Seiten hoch: Eigentlich sollten jetzt zehn bis 20 junge Leute in den Räumen des Brettener Studienzentrum von USQ vor dem Computer sitzen, büffeln und über Videokonferenzen im direkten Kontakt mit der University of Southern Queensland in Australien stehen. Eigentlich. (Siehe auch Kommentar).

Doch inzwischen ist auch der letzte Interessent abgesprungen. Die Firma Seeburger wollte ihre Berufsanfänger in Zusammenarbeit mit USQ ausbilden und sponsern. Die Auszubildenden hätten so einige Stunden in der Woche am Zentrum verbracht, um sich das akademische Rüstzeug zuzulegen, und die restliche Zeit im Brettener Betrieb mitgearbeitet. Sprachprobleme werden von Seiten der Firma als Grund dafür genannt, daß keiner der Auszubildenden bereit war, im dreijährigen Präsenzstudiengang den Abschluß eines Bachelor of Informatics anzupeilen.

Offiziell wird das USQ-Zentrum am 4. Oktober durch den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth eröffnet. Denn nach wie vor können Studenten ein Fernstudium über Bretten absolvieren. Ein Angebot, das auch derzeit genutzt wird.
Madeleine McPherson, die Vertreterin der USQ in Bretten, vermutet, dass es vor allem die finanzielle Seite war, welche die Auszubildenden vom Präserizstudium abgeschreckt hat. „Sie hätten von der Firma etwa 1200 Mark im Monat bekommen“, erklärt sie. Die Studiengebühren hätten die Studenten dann aus eigener Tasche zahlen müssen. Das ist man hierzulande nicht gewohnt, wie die USQ-Frau mittlerweile weiß.

Bisher hatten die‘ Australier vor allem mit Studenten aus Asien zu tun. „Diese sind bereit, für ihre Ausbildung Opfer zu bringen. Deutschland wie auch Australien sind dagegen wohlhabende Länder“, nennt McPherson einen wichtigen kulturellen Unterschied. Die Idee, das Studium teils selbst zu finanzieren, habe die Stadt Bretten für gut befunden, nicht aber die, die’s eigentlich betrifft: die Studenten, „was ich voll und ganz verstehen kann“, so McPherson. „

Als Katastrophe will die USQ-Vertreterin die enttäuschende Entwicklung dennoch nicht werten. Zwar würde ein Präsenzstudium für die Australier ein zusätzliches Bonbon bedeuten. „So viel springt dabei für uns aber gar nicht heraus“, räumt sie ein. Und außerdem: „Unsere eigentliche Stärke ist das Fernstudium“, betont McPherson, was nach ihrer Einschätzung für Bretten mindestens ebenso wertvoll ist. „Das müssen wir den Vertretern der Stadt begreiflich machen.“

McPherson räumt ein, dass es wohl zuviele Verständigungsprobleme zwischen Stadt und USQ und den Firmen gegeben habe. Vielleicht sei das Vorhaben auch zu schnell angegangen worden. „Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht“, bringt sie es auf den Punkt. „Wir dachten, das Ganze würde funktionieren, weil die Unternehmen so begeistert schienen, und so haben wir den Ratschlag der Vertreter der Stadt befolgt.“

Möglicherweise ist die Melanchthonstadt als Studienort für viele junge Menschen auch nicht attraktiv genug. Den Schülern der Brettener Gymnasien versuchte USQ das Konzept der Uni schmackhaft zu machen. „Einer meldete sich und meinte: ,Ich will schon studieren, aber nicht in Bretten'“, schildert McPherson.
In den Wind schreiben will man das Präsenzstudium dennoch nicht. Viel verspricht sich USQ vom Engagement des Geschäftsführers Martin Steinbüchel, der am Dienstag seine Arbeit aufnehmen will. „Er kennt die deutsche Studienlandschaft, und mit ihm wird es keine Sprachprobleme geben“, weiß Madeleine McPherson. Auch habe man von den Erfahrungen in den vergangenen Monaten gelernt. „Ich verstehe den Markt nun viel besser.“

Die finanzielle Barriere indes bleibt „es sei denn, die Firmen sind doch bereit, mitzumachen“, ist Madeleine „McPherson nicht allzu optimistisch. Auch müssten die Politiker hierzulande umdenken. Zum einen seien die Studienzeiten zu lang. „Außerdem müssen die Menschen flexibler werden und erkennen, dass wir ihnen die Möglichkeit bieten, sich immer wieder weiterzubilden.“

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6 Antworten zu Unsere Hausaufgaben nicht gemacht

  1. V.Q. sagt:

    Sonst wird sie wohl niemand haben wollen.

  2. Ottm.Schu. sagt:

    Dann passen ja beide haargenau nach Bretten.

  3. Ernst Fischer sagt:

    man schaue sich das Ranking der USQ an. Im internationalen Ranking befindet sie sich je nach Betrachtungsweise irgendwo zwischen Platz neunhundert und eintausend. Im nationalen Ranking erhielt die USQ 38 von 100 möglichen Punkten, die Charles Sturt University, die nun auch nach Bretten gelockt werden soll, hat immerhin 39 Punkte. Die Australian National University und die University of Melbourne erhielten jeweils 100 von 100 möglichen Punkten. Folglich sind die USQ und die Charles Sturt University selbst in Australien nur als drittklassig angesehen.

  4. Proll sagt:

    Aber die Chance für einen Doktorhut für den Oberbürgermeister steigt natürlich mit jeder Zweigstelle einer Unität und darum geht es, sonst um nix.

  5. Polak sagt:

    Mal sehen, wie das mit den weiteren Universitäten, die die Stadtverwaltung mit viel Steuergeld nach Bretten locken will, funktionieren wird. Wahrscheinlich ähnlich : „Ich will schon studieren, aber nicht in Bretten“!!

  6. g-d sagt:

    Den beiden obigen Kommentaren ist nichts hinzuzufügen!

    Warum? – Sie stimmen!

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