Medizin ohne Grenzen – Fluch oder Segen für Patienten?

von G.H. (Name und Anschrift des Verfassers sind dem BAK bekannt)
Heute am 14. Januar 2011 ist die SWR-Fernsehsendung Nachtcafé mit dem Thema „Medizin ohne Grenzen-Fluch oder Segen für Patienten?“ Wieland Backes diskutiert Ethikfragen mit Gästen von 22.00 Uhr bis 23.30 Uhr. Vorab habe ich mir dazu Gedanken gemacht. Jedoch völlig ohne die ehemaligen Gesundheitsminister der letzten Jahre Seehofer (CSU), Frau Fischer (Grüne), Frau Schmidt (SPD) sowie aktuell Rösler (FDP) einzubeziehen.

Wer heute Medizin ohne Grenzen betrachten will, kommt an dem Wort „finanzielle Krise“ nicht vorbei. Krise ist ein Ausdruck der antiken griechischen Medizin. Hippokrates, der Urahn der westlichen Ärzte, hat das Wort geprägt. Er beobachtete, dass Erkrankung und Gesundung mit dramatischen Theaterstücken vergleichbar sind. Sie verlaufen nach der „wohlgeordneten Feierlichkeit der Tragödie“. Anmerkung: Das deutsche Gesundheitswesen ist so eine, und sie wird es bleiben. Weiter. Das Gleichgewicht der Kräfte ist gestört, Unheil kündigt sich an. Der Auftritt des Helden spitzt die Situation zu, löst Konfrontationen aus. Die Krise ist die eigentliche Entscheidungssituation. Sie birgt in sich aber schon die Zukunft – entweder als Lösung des Konflikts oder als Untergang des Helden.

Hippokrates interessierte sich für dieses Verlaufsmodell der Tragödie, weil er seinen Patienten besser helfen wollte als die Kollegen, die glaubten, ein schneller Blick klärt schon über die Ursachen der Erkrankung auf. Anmerkung: Heute üblich. Hippokrates‘ größte Aufmerksamkeit galt der Vorhersage. Krisen, so lehrte er, sind Punkte, an denen sich die Zukunft entscheidet. Um richtig handeln zu können, muss der Arzt herausfinden, welche Kräfte in der Krise wirken und wie er sie zum richtigen Zeitpunkt für die Gesundung nutzen kann. Für den Ausgang der Krise gibt es frühe Anzeichen. Hippokrates entwickelte eine wahre Deutungskunst, um aus Zeichen wie Fieber, Aussehen, Verdauung, Hautfarbe oder dem Befinden des Kranken Aussagen abzuleiten. „Wenn man aber die guten und schlechten Symptome denkend erwägt, so muss man aufgrund dieser seine Voraussage treffen.“

Die Erkenntnis der Krankheit und ihres Verlaufs erforderte mehr als nur körperliche Untersuchungen. Das Vertrackte war, dass gleiche Symptome oft auf völlig verschiedene Ursachen hinwiesen. Hippokrates versuchte, näher an die Kranken heranzukommen, er fragte nach ihrer Lebensweise, ihrem Beruf und durchforstete ihre Biografie. Ihre eigene Meinung war wichtig, denn Stimmungen und Gefühle können die Krankheit zum Sprechen bringen. Krisen zu bewerten und daraus die Zukunft zu prognostizieren war kein Selbstzweck. Hippokrates wollte den besten Zeitpunkt für die Anwendung therapeutischer Mittel herausfinden. „Der beste Arzt scheint mir der zu sein, der sich auf Voraussicht versteht. Denn wenn er den gegenwärtigen und den ihm vorhergegangenen und den künftigen Stand einer Krankheit schon vorher erkennt und den Kranken vorhersagt und ihnen erklärt, was sie zu unterlassen haben, dann werden sie ihm vertrauen, weil er ihren Zustand besser als sie selbst erkennt, sodass die Menschen es wagen, sich dem Arzt anzuvertrauen.“

Krisen öffnen die Augen – nicht allein für Konflikte, sondern gerade für konstruktive Kräfte und Stärken (in der Politik gegenteilig). Hippokrates wusste, dass sie mit einem Sprung das Leben neu ordnen können, wobei aus Nützlichem Schädliches werden kann und umgekehrt. „Nichts ist unerklärbar und unmöglich.- Heilbar sind die meisten Krankheiten durch ganz dieselben Faktoren wie die, aus denen sie entspringen.“ Für Hippokrates gab es keine Krise ohne Sinn. Man muss sie als Weggabelungen verstehen und helfen, Sackgassen zu vermeiden. (In der Politik gegenteilig-rein in die Sackgassen). Es geht um die Kunst, Chancen aufzuspüren und Konflikte in zukunftsträchtige Bahnen zu lenken. Krisen schärfen den Blick für das Wesentliche, sie fordern Veränderungen ein. Die beginnen im Kopf derjenigen, die die Zeichen der Zeit frühzeitig deuten können und nicht vorschnell den simplen Patentlösungen vertrauen (in der Politik an der Tagesordnung)

Vorbeugen ist besser als heilen. Und nicht wie oberhalb der falsche Diskussionsansatz: Fluch oder Segen für Patienten. Was das mit Ethik zu tun haben soll, bleibt wohl ein Geheimnis des SWR.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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Eine Antwort zu Medizin ohne Grenzen – Fluch oder Segen für Patienten?

  1. G.H. sagt:

    Ich habe mir die Augen gerieben.

    Der SWR zeigt diese Sendung in Wiederholung heute abend von 23.55 Uhr bis 1.25 Uhr zur absolut besten Sendezeit!
    Anderer, weil passenderer Titel für die Wiederholungssendung wäre:

    Medizin ohne (finanzielle!) Grenzen – Fluch oder Segen für Patienten? – Wer hat (finanziellen) Nutzen am deutschen Gesundheitswesen?

    Darüber liesse sich trefflicher streiten!

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