Neulich bei Schneider

ein Gastbeitrag von A.W. aus Bretten
So gegen Ende August diesen Jahres las ich hier im Internet des BAK, dass das Kaufhaus Schneider geschlossen werden sollte. Naja, so richtig wirklich schockiert hat mich das nicht, erstens übertreiben die vom BAK gerne mal ein wenig 😉 und zudem gehört der Schneider nicht gerade zu meinen Favoriten, wenn es ums Einkaufen geht.

Aber trotzdem wusste ich irgendwie, da war doch etwas? Bis es mir dann schlagartig wieder einfiel : der Gutschein von der Schwiegermutter! Die hatte mir zum Geburtstag auf diese Weise 30€ zukommen lassen, wohl verbunden mit dem dezenten Hinweis, dass man nicht immer nach Karlsruhe fahren muss, um zu Shoppen?!

Also ich nicht lange gezögert und noch am gleichen Tag zu Schneider getigert. Mental waren meine Ellenbogen bereits in Kampfstellung, denn ich erwartete eine Art Sommerschlußverkaufs-Orgie.
Aber weit gefehlt, bei Schneider konnte man wie üblich völlig unbehelligt durch Verkäufer die Gänge entlang flanieren, nichts Neues also, oder treffender: business as usual !
Aber wenn es denn sein muss, findet Frau, zumal für den exorbitanten Betrag von 30€, immer und überall etwas passendes. Ein nettes Schälchen (so eines zum um das Hälschen wickeln) sollte es sein und ganz entspannt näherte ich mich der Kasse. Hier war dann aber endgültig Schluss mit lustig und entspannt!

„Gutscheine dürfen wir nicht mehr annehmen, das verbietet der Insolvenzverwalter“ teilte mir die Verkäuferin absolut ruhig mit. „Aber sie können sich hier in eine Liste eintragen“ und damit legte sie mir ein DIN A4 Blatt vor, das vor mir wohl schon etwa 30 „Gutscheinbesitzer“ brav ausgefüllt hatten. Und wozu das Ganze, entgegnete ich entrüstet? „Der Insolvenzverwalter meldet sich dann bei ihnen“, macht 34,50€ bitte, schloss die Verkäuferin die Diskussion endgültig ab und schob mir einen Kugelschreiber hin.

Irgendwie kam ich mir wie ein ertappter Ladendieb vor, was kaufen, aber nicht bezahlen wollen! Andererseits hatte aber doch die „Schwieger“ die Ware im voraus bereits bezahlt? Und die anderen auf der Liste? Wenn von denen jeder auch so mit um die 30€ „beschenkt“ wurde, dann streicht der Insolvenzverwalter mal so eben 900€ ein: Ätsch Insolvenz, wer zu spät kommt…??

Auf dem Heimweg stellte sich bei mir das „Bretten-Gefühl“ ein: so ähnlich wie nach einer Light-Zigarette, einem gesunden „Halbfett-Menu“… Bretten bringt’s!

Zwei Wochen später, ich hatte das Erlebte bereits erfolgreich verdrängt, fand ich den Brief einer Rechtsanwalts-Kanzlei im Kasten. Absender Schultze & Braun, Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH aus Achern. Mein Blutdruck erreichte augenblicklich pathogene Höhen, Insolvenz, was, wer, warum?

Ach der Schneider und der Gutschein, die 30€, kam mir schließlich die Erleuchtung. Der Herr Insolvenzverwalter teilte mir mit, dass ich zur Anmeldung meiner Forderung (ich dachte, das hätte ich bereits gemacht), den beigelegten Fragebogen doppelt auszufüllen hätte, den Gutschein im Original beizulegen und an ihn zurückzuschicken hätte. Es sei auch der „Grund der Forderung“ anzugeben, damit der Verwalter sie überprüfen könne. Weitergehende Informationen sollte ich dem beigelegten „Merkblatt für die Insolvenzgläubiger“ entnehmen, auf was ich nach dem Studium der prickelnden juristischen Lektüre gerne verzichtete. Zusätzlich gäbe es eine Internetseite auf der man „nur für die Insolvenzgläubiger einsehbare Informationen, insbesondere Sachstandsberichte“ einsehen könne. Dazu bekam ich eine persönliche 16-stellige PIN-Nummer mitgeteilt.

Obwohl mir bereits klar war, dass die Aussicht auf die 30€, so real wie der Tunnelbau zu Bretten sein würden, bemühte ich meinen Laptop auf die Seite der „glaeubigerinfo.de“. Brav tippte ich die 16 Zeichen meiner PIN ein und…. „Wählen Sie den gewünschten Informationsbereich und geben Sie Ihre PIN erneut ein. Achten Sie bitte darauf, dass Sie Ihre PIN korrekt eingeben.“ Mehr an „Information“ war aus der Seite für Insolvenzgläubiger nicht herauszuholen!
Mir fiel augenblicklich eine Karte aus meinem Lieblingsspiel „Monopoly“ ein : „Gehe nicht über LOS, ziehe nicht DM 4000 ein„.

Und die Herren aus der Schloßallee? Die treffen sich sicherlich demnächst auf der „Gläubigerversammlung“ und verteilen den Rest von Schneider unter sich. Meine 30€ gehen wohl dabei für eines der dort gereichten, bescheidenen Kanapes drauf…

Ich gehe jedenfalls wieder nach Karlsruhe zum Shoppen und an der Kasse zücke ich ganz entspannt mein Gold-Kärtchen, da gibt’s sogar noch ein Lächeln gratis dazu!

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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2 Antworten zu Neulich bei Schneider

  1. Gern./Sch. sagt:

    @ A.W. aus Bretten

    Beim Skat hätten Sie wenigstens sagen können, ich bin raus aus dem Schneider (mehr als 30 Punkte). 🙂

  2. V.Q. sagt:

    Provinz bleibt Provinz:

    In den Brettener Kaufläden – ob im „Saft“ oder in der Insolvenz! 🙁

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