Buchtipp „Wir können alles“

Teil 1: Schrottimmobilien und Tiefbohrer
Karlsruhe – Baden-Württemberg ist heutzutage überall „Spitze“. Oft ist gar vom „Musterländle“ die Rede. Eigentlich ist das ja eine badische Erfindung, denn die Industrialisierung war am Oberrhein schon viel früher fortgeschritten als im lange Zeit bäuerlich-ärmlich geprägten Württemberg. „Wir können alles“, heißt inzwischen der überaus geläufige Slogan „im Ländle“. Sind wir jedoch auch „Spitze“, wenn es um Filz, Korruption und Kumpanei geht? Das suggeriert ein neues Enthüllungsbuch. Im ersten Teil zu dem 14 Kapitel umfassenden Buch geht es um die „Schrottimmobilien“ der Badenia Bausparkasse und die Machenschaften von Ex-Flowtex-Chef „Big Manni“.

14 brisante Kapitel über Filz und Korruption zwischen Rhein und Donau, über Kumpaneien im „Musterländle“. Das Buch liefert Beispiele, die zeigen, dass Superlative eine ganz andere Bedeutung gewinnen können. Hinter dem Titel „Wir können alles“ verbergen sich Geschichten aus Baden-Württemberg, recherchiert und festgehalten von sechs Autoren, Journalisten aus Karlsruhe, Ulm, Singen und Berlin, Redakteure aus Stuttgart oder aus Weinstadt im Remstal. Vier der Autoren des Bandes, der erstmals im April im Theaterhaus in Stuttgart der Öffentlichkeit präsentiert wurde, arbeiten für Blätter der Landeshauptstadt. Auch in der Region am Oberrhein sind Lesungen geplant: die erste am 8. Juni in Bruchsal. Die von ka-news und dem Kulturmagazin INKA gemeinsam präsentierte Lesung findet an besagtem Sonntag, 8. Juni, um 11 Uhr in Kaufmanns Schlachthof in der Württemberger Straße 119 statt.

Buch ist über weite Strecken höchst vergnügliche Lektüre
„Es menschelet überall“, schreibt Felix Huby im Vorwort, der Schriftsteller und Erfinder der Tatort-Kommissare Max Palu und Ernst Bienzle, einst Korrespondent des „Spiegel“ in Stuttgart (1972 bis 1979) und längst in Berlin heimisch geworden. Huby lotst damit in ein Buch, das eigentlich Betrübnis auslösen müsste: und doch wird vieles auch von den Autoren selbst so bierernst nicht gesehen, was es da zu beschreiben gilt. Vielleicht ist das ja besser so, vielleicht ein wenig Selbstschutz – vor so mancher Ungeheuerlichkeit. Das im April erschienene Buch wird damit über weite Strecken zur höchst vergnüglichen Lektüre. Die Autoren, gestandene Journalisten, die seit Jahren ausgraben, was andere vertuschen wollen, haben ihre Recherchen in launig geschriebene kompakte Kapitel gepackt.

Vieles ist noch in Erinnerung: „Big Manni“ Schmider, Dreh- und Angelpunkt des Flowtex-Skandals, etwa, oder die Pleitiers der „Badenia“, einer der größten deutschen Bausparkassen mit Sitz südlich von Karlsruhes City. Alle diese Namen sind in diesem Pool schillernder Figuren aus der Welt der Politiker, Schönen, Reichen, Halbseidenen und sonstigen Gesellschaftsgrößen des Südwestens versammelt. Mit Schrottimmobilien lässt sich in Karlsruhe auch bei Bausparkassen gutes Geld machen (ka-news berichtete). Das ist das Fazit, das Autor Meinrad Heck nach langwierigen Recherchen zieht – und dabei auch Suizide, und Beinahe-Selbstmorde anführt, in welche „Häuslesbesitzer“ von ach so feinen Bankern und Investment-Managern getrieben werden. Eigentlich ist das nichts zum Lachen!

Über weite Strecken amüsant dagegen die „wieder aufgewärmte“ Geschichte des größten Wirtschaftskrimis der Nachkriegsgeschichte, zusammengefasst auf 26 Buchseiten. „Das Manifest“, heißt der Titel, eigentlich – so der Autor – soll das „Mannis Fest“ heißen. Auch für Manfred Zach, den Ex-Regierungssprecher in der Ägide von Lothar Späth, den Autor des Schlüsselromans „Monrepos“, der so mancherlei aus dem Staatsministerium, der Villa Reitzenstein, enthüllte, ist es nach wie vor verblüffend, wie wenige Menschen für den Milliardenbetrug der Flowtex-Affäre vonnöten waren. Da ist ein Hausmeister, der Seriennummern an Bohrmaschinen austauscht, da ist ein Computerfachmann, und schließlich ein Drucker, der Kontobelege der Deutschen Bank nachahmt, ansonsten für päpstliche Auftraggeber arbeitet; schließlich ein Anwalt, der immer wieder dicke Geldkoffer transportiert – und im Einzelfall – von einem Besitzer an den anderen übergibt.

Der Autor legt noch einmal explizit den Finger in die Wunde
Manch einer wundert sich, nachdem der Skandal Februar 2000 aufflog, dass Betriebsprüfer und kleine Angestellte vor Gericht standen, nicht aber mächtige Minister. Der Autor (ka-news berichtete) legt noch einmal explizit den Finger in die Wunde: Jürgen Morlok, der FDP-Ehrenvorsitzende und einst rechte Hand von „Big Manni“, soll angeblich verdeckte Zahlungen in Höhe von mehreren hunderttausend Schweizer Franken erhalten haben – die Indizien scheinen glasklar zu sein -, ebenso der einst renommierte FDP-Wirtschaftsminister Walter Döring. Keiner der Ermittler habe Döring je „mit dieser Räuberpistole“ belästigt, ist zu lesen. Den aberwitzigen Schwindel, der Hausmeister und Sekretärinnen nicht verborgen geblieben war, will dagegen Morlok nie wahrgenommen haben. Morlok ist heute Privatdozent an einer Hochschule. Sein Fachgebiet: Volkswirtschaftslehre und Internationale Wirtschaftsbeziehungen.

Bibliographische Angaben zum Buch: Freudenreich, Josef-Otto (Hg.): „Wir können alles. – Filz, Korruption & Kumpanei im Musterländle“. In Zusammenarbeit mit Meinrad Heck, Wolfgang Messner und Rainer Nübel. Verlag Klöpfer&Meyer, Tübingen; 19,90 Euro. ISBN 978-3-940086-12-9 (smj)

Meldung vom Freitag, 23. Mai 2008 © ka-news 2008

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4 Antworten zu Buchtipp „Wir können alles“

  1. rt sagt:

    Was ist in diesem Zusammenhang und ganz allgemein politische Aufklärung?

    Der Versuch, den Menschen das in den Kopf zu bringen, was sie im Arsch haben.

  2. i sagt:

    „Wir können alles“

    Weil uns im Musterländle der Spruch gewaltig zu Kopf gestiegen ist.

  3. timo sagt:

    Muster als VORBILD fürs Ländle (Musterländle) in einem Enthüllungsbuch?
    Das geht nicht zusammen.

  4. -rand/new.- sagt:

    „Musterländle“ – ein Muster ohne Wert als Warenprobe im Postverkehr zu gebrauchen.

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