Turbulenzen heizen Fusionsdebatte an

Rüttgers gegen „überhasteten Verkauf“ der WestLB
Mitunter hochriskante Geschäfte
Frankfurt/Stuttgart (dpa/AP/gih). Vor einer Krise am US-Hypothekenmarkt wurde schon lange gewarnt. Als sich die Zahlungsausfälle von Kunden mit schlechter Bonität („subprime“) häuften, gingen im Juli zunächst die Kurse der US-Banken auf Talfahrt. Vor wenigen Wochen führten die Probleme zu einer weltweiten Kreditkrise und schwappten auch nach Deutschland über. Als erste deutsche Bank war die Düsseldorfer IKB über faule US-Immobilienkredite gestolpert und musste mit einer Bürgschaft gerettet werden. Als zweites deutsches Geldinstitut geriet die Sachsen LB in Bedrängnis. Deren Geldnot hat die Debatte um die Zukunft der öffentlichen Landesbanken neu entfacht.

Die Sächsische Landesbank ist gewaltige Risiken eingegangen, für die der Steuerzahler nun aufkommen muss. Sachsens Finanzminister Horst Metz (CDU) betonte indessen: „Die Sachsen LB pokert nicht und spekuliert nicht mit den Steuergeldern.“ Allerdings wurden in der Vergangenheit schon oft Schieflagen von Landesbanken auf Kosten der Bürger behoben. Kritiker sehen dies als Beleg dafür, dass es sich mit öffentlichem Geld leichter spekulieren lässt als mit privatem. Der Druck auf öffentlich-rechtliche Banken steigt, Fusionspläne bekommen neue Nahrung. Beobachter rechnen damit, dass die aktuellen Schwierigkeiten für manch eine Landesbank mit dem Verlust der Eigenständigkeit enden wird.

„Bei den Landesbanken muss sich dringend etwas tun in Sachen Zusammenlegung“, forderte der Bankenprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. „Ich denke, dass man am Ende in Deutschland mit einer großen Landesbank am besten fahren würde.“ Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV/Berlin), hat sich bekanntlich bereits mehrfach für eine Landesbank stark gemacht: Die Landesbanken wären zusammen „die große Bank Deutschlands“. Laut Haasis sollten die Länder erkennen, dass sie heute gemeinsam mit den Sparkassen den Schlüssel für die Neuordnung des deutschen Bankenmarktes in der Hand halten. Er wünscht sich, dass aus der Sparkassenorganisation heraus eine international ausgerichtete Bank gegründet wird, die Unternehmen noch besser in die internationalen Märkte begleiten kann. Auch Baden-Württembergs Sparkassenpräsident Peter Schneider, der Haasis bei dessen Amtsantritt in Berlin beim Landesverband in Stuttgart beerbte, hält es für notwendig, die Kräfte der Landesbanken zu bündeln, um international mitspielen zu können. Für Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ist ebenfalls klar, dass man in Deutschland den zersplitterten Zustand der Landesbanken bereinigen muss.

In Deutschland gibt es noch elf Landesbanken. Mehrere Anläufe, insbesondere Ende der 80er Jahre, eine einzige deutsche Landesbank zu schaffen, waren gescheitert, weil Landespolitiker und Bankenvorstände um Macht und Prestige fürchteten. Eine Landesbank gilt immer noch als Stolz eines jeden „Landesfürsten“. Selbst Kritiker halten diesen Instituten zugute, dass sie zum Beispiel den Mittelstand dort fördern, wo es sich für große Banken nicht lohnt.

Die derzeit laufenden Fusionsgespräche zwischen der WestLB, die ein Engagement von 1,2 Milliarden Euro auf dem US-Immobilienmarkt eingeräumt hat, und der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bekommen nun neuen Schwung. Damit würde die drittgrößte Bank Deutschlands entstehen. Als Ziel nannte Schneider, der zugleich Vorsitzender des Verwaltungsrates der LBBW ist, ganz klar die Fusion der beiden Institute. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) würde es „sehr begrüßen, wenn durch eine Konsolidierung auf Landesbankenebene ein Institut entstünde, das in der Champions League mitspielen kann. Wir können einen weiteren großen Anbieter neben der Deutschen Bank und der Commerzbank gut vertragen.“

Die nordrhein-westfälische Landesregierung sperrt sich unterdessen gegen einen „überhasteten Ausverkauf“ der WestLB. Das Land lasse sich als Miteigentümer weder bei einem Verkauf noch bei Verhandlungen über eine Landesbanken-Fusion unter Druck setzen, sagte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gestern im Düsseldorfer Landtag. Dem Konzept der Sparkassenverbände, die WestLB rasch mit der LBBW zu fusionieren, erteilte er eine Absage. Für die Probleme der Bank müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Aus Sicht von Finanzexperten sind die Landesbanken allein nicht überlebensfähig und gehen zu große Risiken ein. „Ihnen fehlt die Kompetenz und das notwendige Know-how für solche Geschäfte“, sagte Dirk Schiereck von der European Business School (ebs) in Oestrich-Winkel. Daher seien sie im Gegensatz zu Privatbanken besonders anfällig für renditestarke, aber risikoreiche Geschäfte wie den Handel mit minderwertigen Hypothekenkrediten aus den USA. „Die aktuellen Probleme bei der Sachsen LB sind ein Signal, dass zumindest kleine Landesbanken an den internationalen Kapitalmärkten überfordert sind“, bekräftigte Burghof.

In den Aufsichtsgremien sitzen nach Meinung der Kritiker zu viele Bürgermeister und Landespolitiker, die sich mit den komplexen Themen der Finanzmärkte zu wenig auskennen. Insbesondere die EU-Kommission hatte dafür gesorgt, dass die Landesbanken neue Geschäfte suchen: Auf Druck aus Brüssel waren Mitte 2005 die sogenannten Staatsgarantien für Sparkassen und Landesbanken weggefallen – nur für vorher geschlossene Vereinbarungen gilt eine Übergangsfrist bis 2015. Dass in Deutschland der Staat die nötigen Mittel für den Betrieb sicherte (Anstaltslast) und bei einer Pleite – die allerdings nie eintrat – einsprang (Gewährträgerhaftung), verzerrte aus Sicht der Kommission den europäischen Wettbewerb.
Mit der Brüsseler Intervention endete die jahrzehntelange Sonderbehandlung öffentlich-rechtlicher Institute. Die Landesbanken können sich seither an den Märkten nicht mehr zu günstigeren Bedingungen mit frischem Geld versorgen als die private Konkurrenz. Das trieb die Institute mitunter auch in hochriskante Geschäfte.
Zuwachsraten wie noch im vergangenen Jahr sind nach Einschätzung des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) angesichts der jüngsten Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten vorerst nicht mehr zu erreichen. Insgesamt werde die deutsche Wirtschaft aber auf einem soliden Wachstumspfad bleiben.

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3 Antworten zu Turbulenzen heizen Fusionsdebatte an

  1. -el- sagt:

    „In den Aufsichtsgremien sitzen nach Meinung der Kritiker zu viele Bürgermeister und Landespolitiker, die sich mit den komplexen Themen der Finanzmärkte zu wenig auskennen.“

    Und was sagen die Betroffenen?
    Also, da gibt sicherlich solche, die von sich überzeugt sind…
    Obwohl – siehe oben.

    Aber, der Verschuldungsgrad einer Gemeinde, oder des Landes, könnte als Maßstab herhalten.

  2. -an-i- sagt:

    „Die Sächsische Landesbank ist gewaltige Risiken eingegangen, für die der Steuerzahler nun aufkommen muss.“
    Zunächst ging es ja „nur“ um 17 Milliarden Euro.
    Schlaue Köpfe haben ausgerechnet, dass diese Summe in etwa der Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19% entspricht.
    Nun gibt es sicherlich die Möglichkeit, die MWSt. weiter zu erhöhen, damit die hochbezahlten „Kindsköpfe“ noch mehr Spielgeld in die Hände bekommen.
    Sind wir eigentlich noch zu retten, wenn wir weiterhin nichts gegen die Geldvernichtungsmaschinerie – auf allen Ebenen – unternehmen?

  3. mm sagt:

    Einem Städtchen wie Bretten mit bescheidener Personalausstattung traut man aber scheinbar diese Kompetenz zu. Wie sonst ist es zu erklären, dass der Stadtverwaltung erlaubt wurde Geschäfte mit Zinsderivaten zu unternehmen ? Ergebnis, siehe Ravensburg und Pforzheim !

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