Wachsende Not

MICHAEL LEHNER
Während es für die Masse der Deutschen wieder aufwärts geht, hat sich die finanzielle Talfahrt der Rentner enorm verschärft. Der Nation droht soziale Schieflage auf Kosten einer nahezu wehrlosen Generation.
Das Schlimmste: Die bösen Zahlen sind eigentlich keine Überraschung. Aber die Öffentlichkeit scheint die wachsende Not erst wahrzunehmen, wenn sie mit Bild-Schlagzeilen konfrontiert wird. Die Einkommenseinbußen der Rentner sprengen das Maß des Zumutbaren jedoch schon seit Jahren.


Dass die Wiedervereinigung zu einem guten Teil zum Schaden der Rentenkassen finanziert wird, ist nur eine Ursache der Misere. Die übrigen Gründe sind ebenso hausgemacht. Die Gesellschaft hat sich über Jahre damit abgefunden, dass immer mehr Alte in die Rolle von Sozialhilfeempfängern gedrängt werden — oft unter dem Deckmantel einer Generationengerechtigkeit, die in Wahrheit keiner Generation gerecht wird.
Es grenzt an Häme, wenn diese Entwicklung damit erklärt wird, dass die Menschen immer jünger in den Ruhestand wechseln. Die Betroffenen haben vielfach keine andere Wahl, wenn schon Fünfzigjährige als Altes Eisen gelten und Politik der Illusion anhängt, dass Arbeitgeber ohne Zwang dem Jugendwahn abschwören.
Wahr ist, dass die Entwicklung längst auch die Jungen schrecken muss. Sie sind nämlich die nächste und die übernächste Rentnergeneration — und somit von den Grausamkeiten besonders betroffen. Und sie haben sogar Grund, an den Appellen zur privaten Vorsorge zu zweifeln, wenn der Staat auch bei den Lebensversicherungen in unvorhersehbarem Ausmaß zugreift.
Zum Versuch, Konjunkturprobleme auf dem Rücken der Ruheständler zu lösen, kommt die Tatsache, dass viele Lasten Menschen mit kleinem Geldbeutel ganz besonders treffen — von der Zuzahlung in der Arztpraxis bis zur Heizölrechnung. Das System der Rentenversicherung hat zwar der Nachkriegs-Not getrotzt, aber es ist offensichtlich nicht dem Egoismus einer Wohlstandsgesellschaft gewachsen, die ihre Probleme am Liebsten zulasten der Schwachen löst.
Besserungsvorschläge sind in solcher Situation nicht wohlfeil. Aber neben dem Argument, dass steigende Sozialversicherungsbeiträge nur ja nicht den Aufschwung bremsen dürfen, sollte ein wenig Platz bleiben für eine Einsicht, die seit Gründung der Republik lange unbestritten war: Die Menschlichkeit einer Gesellschaft lässt sich zuverlässig an der Art erkennen, in der sie mit ihren Alten umgeht.

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28 Antworten zu Wachsende Not

  1. viktor. sagt:

    Renten unter Sozialhilfeniveau – eine Schande für die Bundesrepublik Deutschland!

    s. ludw. am 8. August 2007

  2. quid sagt:

    42,1 Prozent der Rentnerinnen und Rentner hatten 2007 eine Rente von bis zu 600 Euro.

    Heute sind diese nicht wesentlich höher!

    Wo bleibt in diesen Fällen das Bundesverfassungsgericht mit dem Begriff eines (finanziellen) menschenwürdigen Daseins?

  3. alb.-hengst.ler sagt:

    „Die Rente ist sicher“ – Aber deren Höhe?

  4. alb.-hengst.ler sagt:

    @ h – z von heute

    Von wegen tolle Renten!
    Staatliche Fürsorgeleistungen Herr Blüm (CDU) und alle Sozialminister nach ihm!

  5. peter S. sagt:

    Die Interessenvertretung der Rentner/-innen hat die Koppelung der Renten an die Lebenshaltungskosten zu fordern.

    Leider gibt es keine!

  6. h - z sagt:

    Zu den deutschen Renten

    Wie viele Rentner erhielten was an Rente von der gesetzlichen Rentenversicherung (18,8 Millionen Rentner) Stand 31.12.2007

    Anteile in %

    42,1% – 600€
    34,9% 600-1050€
    18,5% 1050-1500€
    4,5% 1500€ und mehr

  7. ghg sagt:

    Rentenerhöhungen vor der Wahl finden keine Fortsetzung mehr, wenn die Rente bei zukünftig steigenden Löhnen – zum Ausgleich – eingefroren bleibt.

    Von Erhöhung (bei Löhnen) reden, jedoch Einbußen (bei Renten) verschweigen, ist nichts anderes als eine verlogene Rentenpolitik. Sie treibt so einen weiteren Keil zwischen Jung und Alt.

  8. O.Sch. sagt:

    Zur aktuellen Lage der Renten

    Sie wurden seit dem Jahr 2001

    -in ihrer Kaufkraft halbiert.

    Die Preise verdoppelten sich seither. Die Renten stiegen aber

    -noch nicht einmal um zehn Prozent.

    Und diese schwach(e)-sinnige Erhöhung wurde durch die schwachsinnige höhere Besteuerung wieder aufgefressen!

    Vielen Dank für alles!
    Einer von 20 Millionen

  9. A.-By. sagt:

    An dr am 15. August 2007

    Aber der ausgediente Arbeits- und Sozialminister Müntefering (SPD) ist derzeit zumindest privat gut drauf! 🙂

  10. b sagt:

    Jetzt ganz bestimmt nicht mehr!

  11. Zach. sagt:

    Er freut sich, dass es ihm gut geht.

  12. o.V. sagt:

    Und Herr Tauss (SPD) „tut was“ als Mitglied des Bundestags.

  13. dr sagt:

    Der grossartige Arbeits- und Sozialminister „Münte“ (SPD) ist bei seinem Renteneintritt sauber abgesichert.

    Der hat dann finanziell mit den 20 Millionen Mitrentnern nichts gemein. – Nur das Alter! Und das sorgt für die ausgleichende biologische Gerechtigkeit!

  14. walt. sagt:

    Wen interessiert schon eine wachsende Not bei den Menschen, wenn es den Volksvertretern gut geht.

  15. ludw. sagt:

    Renten unter Sozialhilfeniveau – eine „saubere“ Rentenpolitik für die Alten in Deutschland!

  16. i-L sagt:

    Hartz IV-Empfänger = vom Staat verordnete Unterschicht.
    Die Politiker sollten sich schämen!

  17. edd. sagt:

    Es ist unerträglich, heutzutage noch von Klassenunterschieden und (Berufs-)Ständen zu sprechen.

    In unserem so reichen Land müssten diese längst überwunden sein!

  18. Norb. Sch. sagt:

    Ist ein menschenwürdiges Dasein für jedermann sichergestellt?

    Ich verneine das!

  19. kord. sagt:

    Herrn Müntefering muss doch die Schamröte ins Gesicht steigen.

    Kann sein, er merkt nichts mehr!

  20. er. mei. sagt:

    Kirchen und Wohlfahrtsverbände erbringen für Menschen erhebliche Ausgaben zur sozialen Sicherung.

    Bei Wegfall dieser Leistungen würde es in Deutschland noch viel schlechter aussehen.

  21. K-DV sagt:

    Ich weiß nicht, wer sich selbst als Sozialpolitiker bezeichnen will.

  22. wf sagt:

    Gerade die Rentnerinnen und Rentner mit geringen Renten werden von der erhöhten Mehrwertsteuer massiv getroffen, weil sie dadurch noch mehr von ihrer nur eingeschränkten Kaufkraft verlieren.

  23. urs. sagt:

    Von einem Umsteuern in der Sozialpolitik weit und breit nichts zu sehen.
    Warum denn auch?

  24. si/z sagt:

    Es findet eine stetige Verarmung statt, welche sich zur Not verwirklicht.

  25. i-L sagt:

    Die westdeutschen Rentenkassen wurden von den Herren Kohl und Blüm geplündert, indem sie zur Finanzierung der deutschen Einheit mißbraucht wurden.
    Hier wurden auf höchste Weisung (renten-)versicherungsfremde Leistungen erbracht, welche die gut gefüllten Rentenkassen schrittweise abbauten.

  26. edd. sagt:

    Die sogenannten Tafelläden – auch in Bretten – können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die bundesdeutsche Renten- und Sozialpolitik vermurkst ist.
    Die sie eigentlich humanisierenden Politiker haben auf der ganzen Linie versagt.

  27. Chr/Leh. sagt:

    Nullrunden für die Rentner, regelmässige Erhöhungen der Kranken- sowie Pflegeversicherungsbeiträge, seit 2005 Einführung der schrittweisen Brutto-Rentenbesteuerung, all diese Hol-Geld-Zurück Aktionen des Staates haben dafür gesorgt, dass den Rentnern seit Jahren der Rentenzahlbetrag – völlig unabhängig von der konjunkturellen Lage und den Lohnsteigerungen – systematisch nicht eingefroren, sondern sogar herabgedrückt wurde.

  28. -az- sagt:

    „Die Menschlichkeit einer Gesellschaft lässt sich zuverlässig an der Art erkennen, in der sie mit ihren Alten umgeht.“

    Und wer schafft die Voraussetzungen – zum Guten oder zum Schlechten? Sind das nicht alleine die Politiker, die bei Abstimmungen nach den Partei-Mehrheiten (50% +) entscheiden?

    Das Leben lässt sich aber nicht nach bestimmten Parteiprogrammen leben. Schon aus diesem Grunde kann eine Partei nie glaubwürdig oder vollkommen sein. Die jeweilige Partei schließt immer einen anderen Teil der Menschen aus – egal mit welcher Mehrheit sie gewählt wird. Das Individuum als Ganzes wird dabei ausgeblendet und das spiegelt sich in der Wahlbeteiligung wider.
    Bei einer „Handvoll“ Parteimitglieder (die beiden „Volksparteien“, jede für sich, haben kaum noch ein wenig mehr als eine halbe Million Mitglieder) muss der Rest die Entscheidungen ertragen. Und die bestimmen somit, was die andere, über 80 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, tun müssen. Ist das nicht schizophren?

    Die Politiker ohne Parteibuch und die Volksentscheide wären deshalb die ersten Schritte in die richtige Richtung.

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