„Die Verwaltungsspitze stand unter besonderem Druck“

Kreistag will wieder vertrauensvoll mit dem Landratsamt arbeiten / Regelmäßige Finanzberichte eingeführt
„Wir haben zu viel geglaubt und vertraut und zu wenig geprüft“
Von unserem Redaktionsmitglied Walter-Ulrich Macherauch
Marxzell. Vertrauen war gestern wohl das meistgebrauchte Wort in der Carl-Benz-Halle in Marxzell-Pfaffenrot. Dort kam der Kreistag zusammen und zu diesem Anlass hatte der Stellvertreter des Landrats im Kreistag, der Bruchsaler OB Bernd Doll, eigens den Punkt vier: „Bericht zum vorläufigen Abschluss 2006“ auf die Tagesordnung gesetzt.
Hinter dem verbarg sich letztlich die ganze Vertrauenskrise, in der der Landkreis Karlsruhe seit geraumer Zeit steckt.
Aktuellstes Beispiel: Kreiskämmerer Peter Adam hatte auf Anweisung des verstorbenen Landrats Claus Kretz im Haushaltsentwurf 2007 unrichtige Prognosezahlen stehen lassen. (Die BNN berichteten.)
Nach dem Selbstmord des Landrats war er aber nicht etwa zu Doll gekommen und hatte Kretz’ Eigenmächtigkeit eingeräumt, nein, Adam schwieg weiter. Er ließ sogar den Kreistag den Haushalt 2007 verabschieden – wissend, dass statt des ausgewiesenen Überschusses von knapp acht eigentlich fast 20 Millionen Euro zu erwarten waren.

Doll kritisierte dieses Handeln gestern deutlich, nannte es „zunächst nicht nachvollziehbar“. Im Wort „zunächst“ fand er aber den Weg zu einer vertrauensbildenden Maßnahme zwischen ihm und Adam. Der hat nämlich in einem Schreiben an die Kreistagsfraktionen um Verständnis geworben dafür, dass er über die Umstände des Todes von Landrat Claus Kretz in einer emotionalen Extremsituation gewesen sei, die rationale Überlegungen verhindert hätten, so gab Doll den Inhalt wieder.
Doll äußerte sich auch außergewöhnlich deutlich zur Vorgeschichte dieses Vorgangs. Die Vorgänge um den Ahaweg 2 – die umstrittene Dienstwohnung, die Kretz bezogen hatte – aber auch politische Themen zuvor hätten zwischen Kreistag und Landrat zu einer Vertrauenskrise geführt. Dieses Misstrauen habe sich auf die Führungsmannschaft des Landratsamts erweitert. Vorgänge seien zur Chefsache gemacht worden, das habe die Verwaltungsspitze in einem hierarchisch solidarischen Verhältnis unter besonderen Druck gesetzt.

Für den Kreistag übte Doll aber auch Selbstkritik. Es habe sicher auch an der nicht genügend couragierten Haltung des Gremiums gelegen, dass gewisse einsame Entscheidungen des Landrats ohne genügenden Widerspruch in falsch verstandener Solidarität Zustimmung gefunden hätten. Doll erwähnte explizit den Austritt aus dem Arbeitgeberverband als einen von mehreren Fällen. Nach dem, was heute über die vergangenen zwei Jahre aus dem Landratsamt bekannt sei, solle man der Verwaltung und auch Peter Adam wieder vertrauen, forderte er.
Konsequenzen haben die Vorgänge um die falschen Haushaltszahlen aber auch. Die Verwaltung, informierte Doll, hat veranlasst, dass ab sofort vierteljährliche Finanzberichte von den Fachämtern an die Kämmerei und von dieser an die Verwaltungsleitung zu liefern sind.

Das begrüßten ausnahmslos die Fraktionen. Josef Offele betonte, die Vertrauenskrise könne nur durch absolute Offenheit beigelegt werden. Dazu gehörten die von der CDU gewünschten Berichte. Werner Linsen forderte für die SPD eine Sondersitzung des Ältestenrates mit den Fachbereichsleitern des Landratsamtes. „Wir haben zu viel geglaubt und vertraut und zu wenig geprüft“, sagte er.
Eberhard Roth (FWV) unterstützte den Wunsch. Er betonte aber, dass man ohne eine gut arbeitende Verwaltung keine 20 Millionen Euro Überschuss erwirtschaften könne. Karl Mittag sagte für die Grünen, es sei erstaunlich, dass selbst Amtsleiter kaum Möglichkeiten hätten, sich bei unrechtmäßigen Entscheidungen einer Anordnung zu widersetzen.

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2 Antworten zu „Die Verwaltungsspitze stand unter besonderem Druck“

  1. v/Z sagt:

    Nach dem Tod von Claus Kretz bestand die Voraussetzung für die folgende Begründung nicht mehr, unter dem Druck der Verhältnisse gehandelt zu haben. Danach stand die Verwaltungsspitze eben nicht mehr unter besonderem Druck. Und sie hat trotzdem den Kreisräten falsche Zahlen aufgetischt.
    Insoweit kommt man den Lesern nun mit absolut faulen Ausreden daher.

  2. l-rd sagt:

    Tatsache ist, der Kreiskämmerer hat das vom Kreistag in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt.
    Nach dem, was heute über die vergangenen zwei Jahre aus dem Landratsamt bekannt sei, solle man der Verwaltung und auch Peter Adam wieder vertrauen, forderte Bernd Doll (CDU).
    Die Bürger können nur hoffen, daß sich dieses erschütterte Vertrauen nicht hin zum blinden Vertrauen wandelt. Damit wäre ihnen keinesfalls gedient.

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