Der Wald lebt nicht unter einer Käseglocke

Von Andrea Bußmann
Seit Generationen werden im Neippergschen Forst Bäume gepflanzt und gefällt. Eine wirtschaftliche Nutzung, die dem Ökosystem Wald bisher nicht geschadet hat. Im Gegenteil: Nur im Buchtal bei Schwaigern wurde in Deutschland bisher der seltene Pseudo-Skorpion gefunden.
Der Fund stellt eine kleine Sensation dar. Er misst gerade mal vier Millimeter und hat sich in Europa außer im Neippergschen Wald bisher nur in Dänemark blicken lassen. Das Spinnentier, im Fachjargon Anthrenochernes stellae genannt, schlage alles , sagt der Biologe Claus Wurst, der neben dem Pseudo-Skorpion auch noch zwei weitere Insekten nahe Schwaigern entdeckt hat: Einen so genannten Juchtenkäfer, von dem zumindest die Flügel gefunden wurden, und einen Schmetterling mit dem Namen Spanische Flagge. Die beiden gehören zu den prioritären Arten und sind damit besonders schutzbedürftig. Aufgrund dieser Funde wurde das 200 Hektar große Buchtal zum Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) erklärt.

Noch existieren für das Buchtal keine Pflege- und Entwicklungspläne, die den Umgang des Menschen mit Flora und Fauna regeln. Karl-Eugen Graf zu Neipperg, Besitzer des Neipperg schen Forsts, stützt sich auf die EU-Richtlinien, wenn er an die künftige Nutzung des Waldes denkt. FFH-Schutz bedeutet Verschlechterungsverbot, aber auch kein Verbesserungsgebot , sagt der Graf, gesteht jedoch, dass auch er bisher noch nicht wisse, welche Konsequenzen Pflege- und Entwicklungspläne für die ökonomische Nutzung haben. Besonders da sowohl der Pseudo-Skorpion als auch der Juchtenkäfer bevorzugt Altholzbestände mit Baumhöhlungen aufsuchen. Bäume also, die dem Waldbauern den nötigen Ertrag in die Kasse bringen.

Auch Karl Walch, Förster im Neippergschen Wald, hat seine Bedenken, wenn er an die Pflege- und Entwicklungspläne denkt. Schließlich sei es die Natur selbst, die sich verändere. Der Wald lebt nicht unter einer Käseglocke. Das, was seit Generationen an wirtschaftlicher Nutzung im Buchtal betrieben werde, habe schließlich dazu geführt, dass sich die seltenen Insekten angesiedelt hätten. Als nach dem Krieg viele Waldbauern auf Nadelhölzer umgestiegen seien, habe die Neipperg sche Forstverwaltung weiter auf eine möglichst naturnahe Bewirtschaftung gesetzt. Nun fürchtet Karl Walch Konsequenzen, aus der guten Tat von gestern .

Die Sorgen, versichert hingegen Michael Waitzmann vom der Landesanstalt für Umweltschutz, sind unbegründet. Große Einschränkungen wird es nicht geben . Der Biologe setzt auf Stichproben, mit denen später etwa der Bestand an alten Bäumen kontrolliert wird. Claus Wurst kann sich sogar vorstellen, Juchtenkäferpopulationen von gefällten Bäumen umzusieden.

Im Wald hat Karl Walch letztens eine Buche entdeckt, die ein idealer Brutplatz für den Juchtenkäfer sein könnte. Der Baum ist ein Opfer des heißen Sommers 2003, ist übersät mit Pilzen, steht aber auch gefährlich nahe der Straße.
In Sachen Naturschutz, sagt Walch, könne er sich einiges vorstellen. Aber die Hand des Forstmanns muss am Baum bleiben.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Beitrag wurde unter Rüdtwald abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert