Behalt’ den Wald

Forstexperten raten davon ab, Gemeindewald zu verkaufen: Der Wert wird oft unterschätzt
von Hannes Kuhnert, Freudenstadt
SASBACHWALDEN. Die Zeiten, in denen der Wald die Sparbüchse der Gemeinden war, sind vorbei. Bei zwei Drittel der Kommunen in Baden-Württemberg, in denen sich Wald im Gemeindebesitz findet, stehen im Waldhaushalt rote Zahlen. Das soll sich ändern. Denn abgesehen davon, dass Wälder auch einen ökologischen Wert haben, den es zu erhalten gilt, sieht es so aus, als könnten sie mittelfristig auch aus wirtschaftlicher Sicht wieder interessant werden. Und es ist durchaus möglich, dass das Geschäft mit dem Holz zwischenzeitlich über staatliche Hilfen angekurbelt wird. Sven von Ungern-Sternberg (CDU), Regierungspräsident in Freiburg und mittlerweile auch Herr über die Forstdirektion, kann sich das vorstellen.

,,In der Baisse verkauft man nicht“
Am Rande der 30. ,Jahrestagung Wald besitzender Gemeinden“ im — natürlich holzgetäfelten — Kursaal in Sasbachwalden in der Ortenau stieg von Ungern-Sternberg mit Forstpräsident Meinrad Joos aus Freiburg ins gleiche Horn: Die gemeindeeigenen Wälder müssen samt ihrer vielfältige Funktionen neu bewertet werden. Der Wald sei mehr als finanzielle Manövriermasse und mehr als der Ort der Holzernte. Es sei für Gemeindevertreter ein Glück, wenn sie über Wälder als Erholungsgebiete und Frischluftlieferanten im Ort selbst bestimmen könnten.

Auf keinen Fall dürfe es dazu kommen, dass Gemeindewald aus purer Finanznot verkauft werde.
Joos weiß von fünf Gemeinden in Baden-Württemberg, in denen genau das geplant oder bereits beschlossen ist. Das sei ,,ein völlig falsches Signal“.

Von Ungern-Sternberg rechnet dazu noch ganz kühl: ,,In der Baisse verkauft man nicht“. Dass es mit der Waldwirtschaft seit einigen Jahren nicht so gut läuft, räumt er damit unverhohlen ein. Stürme wie Wiebke, Vivien und Lothar sowie Borkenkäfer-Attacken haben die heimischen Wälder zerzaust. Holz-Konkurrenz aus dem Ausland, die lahmende Baukonjunktur und hohe Bewirtschaftungskosten lassen den Wald in vielen Gemeindehaushalten lediglich als eine weitere lästige Kostenstelle erscheinen. Dazu kommen die abgesackten Holzpreise. Nach Angaben von Joos sind ,,unsere Preise für Rundholz vergleichbar mit denen in Polen“. Trotzdem neigt er nicht zu Pessimismus, spricht von ,,Zeiten des Umbruchs“ und von Licht-blicken. Immerhin stiegen die Holzpreise allmählich wieder. Je teurer Öl und Gas würden, desto mehr gewinne Holz als Energieträger an Bedeutung, prognostiziert Joos. Schon heute sei Brennholz so gefragt wie noch nie. Die technischen Möglichkeiten, den erneuerbaren Rohstoff in verschiedenen Formen — etwa als Holzbriketts, Pellets oder Hackschnitzel — zu verfeuern, seien noch lange nicht ausgereizt. Er setzt darauf dass der Einsatz von Holz als Brennstoff von Politikern gefördert wird. Und schließlich erlebe Holz auch bei Häuslebauern eine Renaissance.

Der Regierungspräsident hat sich bereits Gedanken darüber gemacht, wie Gemeindevertreter davon abgebracht werden können, Wald zu verkaufen. ,,In der Verteilungsmasse von Förderungen der Gemeinden müssen sich doch Ausgleichsmechanismen finden lassen, die Wald besitzende Kommunen stärker berücksichtigen, ohne gleich den Steuerzahler zusätzlich zu belasten“, so von Ungern-Sternberg zur bwWoche. Fördergelder als Anreiz, den Wald zu behalten, mit dem eines Tages vielleicht sogar wieder Gewinne zu erwirtschaften wären.
Außerdem soll den Gemeindevertretern mehr Know-how im Umgang mit den Wäldern vermittelt werden. Landrat Klaus Brodbeck (parteilos) berichtet von einer entsprechenden Initiative bei ihm im Ortenaukreis. Er bietet in den Gemeinden an, zusammen mit Gemeinderäten und Förstern die Waldstücke zu begutachten und zu bewerten. Brodbeck: ,,Die Gemeinderäte müssen Farbe bekennen und sagen, was sie in Zukunft mit ihrem Wald wollen“. Manch ein in die roten Zahlen abgerutschter Waldhaushalt könne wieder in die Gewinnzone manövriert werden, ist sich der Landrat sicher.

Kastanienholz wurde plötzlich zum Renner
,,Die naturalen Voraussetzungen für Zugewinn im Wald sind so gut wie nie zuvor“, meint Forstpräsident Joos. Er bezieht sich auf die Ergebnisse der Bundeswaldinventur II. Danach sind sowohl die Holzvorräte als auch der Zugewinn und die Baumzusammensetzung in Baden-Württemberg, dem Bundesland mit der größten Körperschafts-Waldfläche, nahezu ideal. Ein weiterer Lichtblick sei der wachsende Markt für Laubhölzer. Noch hat sich längst nicht in allen Gemeinden herumgesprochen, dass sie etwa in Italien zur Möbelproduktion gefragt sind. Abgesehen davon brauchen diejenigen, die Holz aus Gemeindewäldern absetzen wollen, dazu nicht unbedingt in die Ferne zu schweifen. Joos wirbt für die Zusammenarbeit mit den örtlichen Sägewerken – bis hin zur Abstimmung darüber, welche Hölzer sich zum Aufforsten gerade besonders anbieten. Schließlich seien Wald- und Sägewerksbesitzer im Land auch voneinander abhängig.

Eine interessante Marktnische hat sich im nördlichen Teil der Ortenau aufgetan. Dort waren Bürgermeister und Förster überrascht, als plötzlich das Interesse am Holz der Edelkastanie anzog und für den Festmeter, der sonst durchschnittlich zwischen 65 und 80 Euro kostet, Traumpreise bis zu 200 Euro bezahlt wurden. So viel Geld für einen bis dahin weit gehend unbeachteten Baum, der, wie Landrat Brodbeck meint, ,,bei uns wie‘s Unkraut wächst“. Behutsame Nachforschungen ergaben, dass die Stämme von Importeuren aus Italien aufgekauft werden, die das harte und feste Holz der Edelkastanie als Bau- und Möbelholz schätzen — vor allem, weil es als termitensicher gilt. Diese Nische soll jetzt in der Ortenau gepflegt werden. Und damit schließt sich ein Kreis. Einst kam das Holz der Castanea sativa mit den Römern über die Alpen in die Ortenau. Die Römer nämlich banden die Weinreben, die sie pflanzten, bevorzugt an Pfählen aus Kastanienholz fest. Das galt bereits damals als dauerhafter und beständiger als Fichtenholz.

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