Heimatblues tritt OB auf die Füße

Ärger um frechen Song von Peter Gropp
„Bredde, Bredde, mei Herz dut weh, vieles was mit dir bassiert, isch neme schee!“, heißt es in einem brandaktuellen badischen Mundartsong. Die landauf und landab propagierten Heimattage Baden-Württemberg, die heuer vom 6. bis 9. September in der Melanchthonstadt Bretten stattfinden, setzen offensichtlich kreative Energien frei, mit denen einige buchhalterische Veranstalter des Spektakels nicht gerechnet hatten. Eine eben in einer Auflage von 1000 Stück erschienene Musik-Kassette mit zwei „Heimatliedern“ sorgt jedenfalls bei den „zuständigen Stellen“ in Bretten für Unruhe. Das „Corpus delicti“ beinhaltet zwei Stücke mit den Titeln „Heimat“ und „ Bretten“, das „Entfant terrible“ ist der in Bretten-Ruit beheimatete Berufsmusiker und Liederdichter Peter Gropp.

Der hat sich nämlich erlaubt, in seinem „Heimatlied“ so freche und provozierende Reime wie „Tradition und alte Bräuche, Heimatfeste fette Bäuche“ mit dem „alten Wort Heimat“ in Verbindung zu bringen und stellt hinsichtlich von Asylanten und Emigranten, die ihre angestammte Heimat verloren haben, selbstkritisch und lapidar fest: „Heimat hin und Heimat her, wer macht mir das Leben schwer? Alle, die der Heimat wegen Feste feiern und verlegen Wohlstand mehren noch und noch. Und im Luxus baden – doch dabei ganz vergessen, daß sie die Heimat Welt vernichten.“

Noch deutlicher wird der muntere Mundartautor in seinem zweiten, einfach mit „ Bretten“ überschriebenem Song. Gropp beklagt darin nicht nur, daß in seiner Heimatstadt alte Häuser wegsaniert und schöne Plätze zubetoniert worden seien, sondern nennt auch die verantwortlichen Urheber respektlos beim Namen: „’m G’moinderat sitzt allerlei, was se mache, isch Flickschuschterei“, „Magischdrat und Induschdrie, die mache deinen Charme voll hie“.

Vor allem aber bekommt Oberbürgermeister Metzger sein Fett weg: „A kloiner Mann mit großer Gosch, der führt dei Regiment!“ Das war offensichtlich einigen Brettheimer Honoratioren zu viel. Ein ansässiges Bankinstitut, welches die Musik-Kassette mitsponserte und in ihren Räumen die live-Uraufführung übernehmen wollte, bekam kalte Füße und fragte im Melanchthonstädter Rathaus nach, ob man diese Texte wie geplant präsentieren solle.

In einem fast einstündigen Gespräch zwischen OB Metzger und Peter Gropp stellte der Brettener Schuhes klar, daß er uneingeschränkt für die Freiheit der Kunst eintrete, auch wenn sie kritisch sei. Allerdings gab das Stadtoberhaupt zu bedenken, „daß solche Lieder das Selbstwertgefühl des Gemeinderats nicht gerade steigern und seine Arbeit erschweren können.“ Jedenfalls erhielten die Organisatoren der Heimattage grünes Licht.

Nun wird der inkriminierte „Heimatblues“ statt im Bankfoyer am 25. August beim dritten Brettener Open-air seine Premiere haben und nochmals am 8. September um 20 Uhr, in der TV-Halle zu hören sein, wo der Süddeutsche Rundfunk im Rahmen seiner Direkt-Sendung „Heimatland“ moderne Volksmusikgruppen aus ganz Baden-Württemberg vorstellt.

Eine andere Entscheidung hätte gewiß für noch mehr Aufsehen gesorgt, denn Peter Gropp ist nicht irgendwer. Der Profi, dessen Karriere als Kontrabaß-Spieler in der Zigeunerkapelle „Titi Winterstein“ einsetzte, hat mit seiner Rockjazzband WOK auch überregional großen Anklang gefunden und gehört ausgerechnet mit der Brettener Heimtlieder-Kassette zu den Siegern des Volksmusikwettbewerbs, der vom Badenradio des SDR ausgeschrieben wurde. Die Arrangements sind übrigens professionell gemacht, mit fetzigem Sound und starkem feeling. Es swingt und jazzt ganz schön, wenn Blues-Sängerin Alexandra Patzsch die Texte vorträgt.
ru

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