Zeugen der Anklage

Stadträte sitzen in öffentlicher Verhandlung über den Stil des OB zu Gericht
Der Beobachter fühlt sich weniger in einem Ratssaal, denn in einem Gerichtssaal. Vorne der Delinquent, der sich in der abendlichen Verhandlung gleich einer ganzen Reihe von Vorwürfen gegenüber sieht. Hauptanklagepunkt: schlechter Stil. Anklagevertreter: die Sprecher mehrerer Fraktionen. Mutmaßlicher Täter: der OB.

Arno Schütterle verteidigt sich selbst. Doch er hat in diesen Tagen keinen leichten Stand, wenn er in öffentlicher Verhandlung ins Kreuzverhör genommen wird. Zumal dann, wenn nicht mehr nur der Oberstaatsanwalt Günter Bächle eine Verurteilung fordert, sondern – als es im Verwaltungsausschuss vordergründig um die neuen Rathaus-Öffnungszeiten geht – noch weitere Kollegen dem vermeintlichen Sünder ins Gewissen reden. Als der Oberbürgermeister am Dienstag dem gemeinderätlichen Verwaltungsausschuss nochmals kurz die Vorgeschichte darlegen und den Fall damit zu den Akten legen wollte, erhob Günter Bächle umgehend Einspruch.

Die Unterlagen zu diesem Thema lägen dem Verwaltungschef nicht erst seit Montag, sondern schon seit Freitag vor, behauptete der CDU-Fraktionschef und forderte im Namen des Ausschusses die sofortige Vorlage dieses Beweismittels. Schütterle widersprach dem Verdacht – doch vergebens. Wenn der Gemeinderat und die Mitarbeiter aus der Zeitung von den neuen Öffnungszeiten erfahren müssten, polterte Bächle, sei dies ein „schlechter Stil“.

Andere bestätigten das Vergehen. Von einem „ungeheuerlichen Stil“ sprach Rolf Leo im Namen der Freien Wähler. „Eine Politik am Gemeinderat vorbei ist ungehörig“, schimpfte er und befahl: „Ändern Sie ganz schnell Ihren Stil!“

Doch für ein schlechtes Gewissen und öffentliche Reue sieht wiederum der Angeklagte keinen Grund. „Ich bin nicht vorgeprescht“, betont er. Das Rathaus mittwochs wieder zu öffnen, sei schließlich der ausdrückliche Wunsch des Gemeinderates gewesen, verweist der OB auf die Hintermänner und -frauen der Tat. „Ich hab’s in guter Absicht getan.“

Auch dieses Bekenntnis der Verteidigung kann das Gericht kaum milder stimmen: Es wäre sinnvoller gewesen, kritisiert Harald Tölt für die SPD den Verlauf des Verfahrens, die Öffnungszeiten nicht von der noch ausstehenden Beratung über das gewünschte Bürgerbüro abzukoppeln.

Indes: Dem empörten Rolf Leo ging es keineswegs nur um Arno Schütterles Verhalten im Zusammenhang mit den Rathauszeiten. Nein, seine mit Nachdruck und angriffslustig vorgebrachte Anklageerhebung war umfassend und von grundsätzlicher Art. So führte Leo diverse Vorstrafen an: dass der OB des Öfteren durch Abwesenheit glänze, „manchmal auch unentschuldigt“. Darüber hinaus habe der OB die Öffentlichkeit getäuscht, als er in Lomersheim öffentlich erklärt habe, er setze die Sanierung der dortigen Turn- und Festhalle oben auf seine Prioritätenliste. Tatsache sei vielmehr gewesen, dass im Etatentwurf des OB kein einziger Cent dafür vorgesehen gewesen sei. Dass mittlerweile eine Planungsrate von 60000 Euro für die Lomersheimer Halle eingeplant ist, sei vielmehr dem Einsatz von CDU, Freien Wählern und FDP zu verdanken, bestätigte als Zeuge der Anklage Günter Bächle. Sein konkreter Tatvorwurf in diesem Fall: Der OB schmücke sich mit fremden Federn.

Frank Schneider (FDP) beklagte die Erinnerungslücken des Angeklagten, wenn es um Details – Wer hat wann wo was gesagt und gefordert? – geht. „Das Gedächtnis des OB scheint immer schlechter zu werden“, sorgt er sich in einer öffentlichen Erklärung, um sogleich die bange Frage nachzuschieben: „Vergisst der OB denn vor lauter Wahlkampf, bei der Wahrheit zu bleiben?“

Was dem Prozess noch fehlt, ist die Strafandrohung. Die kam prompt von Rolf Leo, der in seiner neuen Rolle als Chefankläger sogar noch den erfahrenen Oberstaatsanwalt aus Lienzingen übertrumpfte. Wenn der OB nicht rasch seinen Stil ändere, mahnte der Stadtrat in seinem Plädoyer, das bereits einer Verurteilung gleich kam, drohe ihm der „offene Krieg mit dem Gemeinderat“.

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2 Antworten zu Zeugen der Anklage

  1. Siegb. Querf. sagt:

    In Bretten undenkbar? – Wer weiß?

  2. mm sagt:

    beim Lesen der ersten Zeilen dachte ich schon : Hoppla, sie sind aufgewacht! Das sind sie auch, aber in Mühlacker 🙂

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