Gläserner Bürger

MARTIN FERBER
Es ist der Traum aller Bürokraten: Jeder Bürger vom Baby bis zum Greis wird zu einer Nummer, alle wichtigen Daten werden ein Leben lang zentral gespeichert und verwaltet und alle Ämter und Behörden haben direkten Zugriff auf den Datensatz. Steuerhinterziehung ist damit praktisch ausgeschlossen, ebenso der Missbrauch von Sozialleistungen. Und im Kampf gegen den Terrorismus können verdächtige Kontenbewegungen sofort aufgespürt werden.
So weit so gut.


Im Zeitalter des Internets ist in der Tat nicht einzusehen, warum ein Bürger bei jedem Umzug eine neue Steuernummer erhält, warum die Gemeindeverwaltungen Jahr für Jahr umständlich Lohnsteuerkarten drucken und verteilen und warum es Steuerhinterziehern und Schmarotzern durch eine Vielzahl von Systemen und nicht miteinander verknüpften Rechnern leichtgemacht wird. Nur, was im Jahressteuergesetz 2008 so harmlos als Modernisierung und Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens angepriesen und als Beitrag zum Bürokratieabbau gefeiert wird, birgt ein enormes Gefahrenpotenzial in sich. Bis 2011 entsteht die umfangreichste Datenbank über alle Deutschen mit einer Vielzahl sensibler Informationen.
Der vollkommen gläserne Bürger wird Wirklichkeit. Nicht auszudenken, diese Datensammlung wird geknackt, gerät in falsche Hände oder wird von einer wie auch immer gearteten zukünftigen Regierung missbraucht, die Datenschutz und Bürgerrechte deutlich weniger schätzt als die jetzige. Die Datenschützer schlagen Alarm. Zu Recht. Um Terrorverdächtige, Steuerhinterzieher, Kapitalflüchtlinge und Sozialschmarotzer zu bekämpfen, baut die Große Koalition ein bislang nicht gekanntes engmaschiges Melde- und Kontrollsystem auf, das die Überwachung von 82 Millionen Bürgern zum Ziel hat. Kombiniert mit den Maut-, Handy- und Kreditkartendaten ist der Weg zum lückenlosen Bewegungsprofil eines jeden Bürgers frei. Wer das will, soll es auch sagen. Ansonsten gilt: Wehret den Anfängen.

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2 Antworten zu Gläserner Bürger

  1. Z.K. sagt:

    „Die Datenschützer schlagen Alarm.“

    – Ohne jede politische Durchsetzungskraft –

  2. -an-i- sagt:

    „…oder wird von einer wie auch immer gearteten zukünftigen Regierung missbraucht, die Datenschutz und Bürgerrechte deutlich weniger schätzt als die jetzige.“

    Schätzt man überhaupt die Bürgerrechte, so kommt man schon gar nicht auf solche Ideen.

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