Leserbrief : Wenn der Wald eine Firma wäre…

Ich kam neulich von einem Spaziergang hinter Diedelsheim zurück und schaute auf Bretten. Als romantisch veranlagter Mensch kam mir der Gedanke, wie wohl von dieser Stelle aus der Blick im 16. Jahrhundert ausgefallen wäre. Hätte man einen Bürger von damals jetzt, also im 21. Jahrhundert, auf Bretten blicken lassen, er wäre vermutlich in Tränen ausgebrochen. Aber wir leben in einer modernen Zeit, da sieht die Welt halt anders aus. Es ist gerade modern, dass Firmen den Standort Deutschland verlassen oder damit drohen. Es gibt ein neues Schlagwort in unserer Zeit, es heißt Arbeitsplätze. Damit kann man gut argumentieren – und eben drohen.Wer will denn schon arbeitslos sein? Arbeitslosigkeit ist ein schlimmes persönliches und gesellschaftliches Übel. Es gibt aber pro Woche wenigstens zehn Meldungen über Firmen, auch sehr große Firmen, die mit ihrem Weggang Arbeitsplätze vernichten, deren Zahl noch gar nicht geschätzt werden kann.

Und unser Bretten? Bretten vernichtet den Wald. Wenn es Städten heute immer schwerer gelingt, Firmen und Arbeit zu halten, obwohl die Fabrik schon existiert, wie kann man dann behaupten, dass das auf Dauer ein abgeholzter Wald kann? Wer kann denn heute überhaupt etwas dauerhaftes versprechen? Ich wette, dass ein Baum mehr Versprechen hält, als eine Firmenansiedlung, die dann meinetwegen fünfzig Lagerarbeitsplätze schafft. Neulich wurde von kompetenter Seite aus die Warnung ausgesprochen, dass der enorme Flächenverbrauch in Baden-Württemberg bedenklich sei. Wenn der Wald eine Firma wäre, wäre er längst mit Gram abgewandert. Es wird vielleicht einmal eine Zeit kommen, wo man sich nicht mehr nach Null-Euro-Handys sehnt, sondern nach Wasser, Luft und echtem Vogelgezwitscher. Ich hätte nicht gedacht, dass der Wald tatsächlich in Gefahr ist. Dazu war der Bürgerwille doch zu eindeutig. Gegen den Bürgerwillen zu handeln – auch das ist ja gerade modern. Ob das gut geht?

Dr. Helfried Urban
Bretten

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Beitrag wurde unter Rüdtwald abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Leserbrief : Wenn der Wald eine Firma wäre…

  1. G. H. sagt:

    „Gegen den Bürgerwillen zu handeln – auch das ist ja gerade modern. Ob das gut geht?“

    Mit der Abholzung des Rüdtwalds hatte sich die Brettener Stadtregierung – mit Taschenspielertrick und nur einer einzigen Firmenumsiedlung durchsetzen können – siehe Beiträge unter „Nach Umzug in den Rüdtwald Platz zum Wachsen“ – Für wen und wie viele?

    Zehn Jahre nach dem obigen Leserbrief muss die Stadt-Regierung Bretten in der Sache „Moschee“ zunächst kräftig zurückrudern, weil das gemeine Brettener Volk sich auf seinen Bürgerwillen besonnen hat!

    Vom damaligen und jetzigen Gemeinwohl will ich in diesem Zusammenhang Garnichts erwähnen.

  2. mm sagt:

    Geradezu prophetisch, dieser Leserbrief, Gratulation an den Verfasser! Aber wie so oft, werden Prognosen von der grausamen Wirklichkeit noch überholt, siehe den aktuellen Zustand des Rüdtwaldes!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert