Deutlicher geht es nicht mehr

Vernichtende Kritik des Landesrechnungshofs an den Neuen Steuerungsinstrumenten NSI
S T U T TG A R T. ( M B ) Schon in dem vor einem halben Jahr bekannt gewordenen Prüfbericht des Landesrechnungshofs war harsche Kritik an den Neuen Steuerungsinstrumenten NSI in der Landesverwaltung laut geworden. Bei der offiziellen Vorstellung
der „Beratenden Äußerung“ des Rechnungshofs zu NSI fiel das Urteil noch deutlicher aus. „An eine Fehlinvestition dieser Größe entsinne ich mich nicht!“ Diese Aussage von Dieter Kiefer, Direktor des Landesrechnungshofes, bezeichnet die Dimension des Debakels. 220 Millionen Euro Projektkosten für die Einführung der NSI sind laut Rechnungshof versenkt, ohne dass die Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente in der Landesverwaltung auch nur einen Cent eingespart hätte. Im Gegenteil. Noch nicht einmal die laufenden Kosten der Mittelverwaltung von etwa 30 Millionen Euro im Jahr werden erwirtschaftet. Obendrein würden die Daten, die aus der Kosten und Leistungsrechnung gewonnen würden, kaum für eine bessere Steuerung der Verwaltung genutzt.

Die NSI wurden 1999 eingeführt, um die Landesverwaltung effizienter zu machen. Die Kameralistik (Aufstellen von Budgetplänen für ein Jahr) wurde abgelöst durch ein dezentrales Buchführungssystem mit ausgeprägten Controllinginstrumenten, wie es in der
Wirtschaft üblich ist. Die Neuen Steuerungsinstrumente gehen auf eine Idee von Ex-Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder zurück und wurden im Kabinett von Ministerpräsident Erwin Teufel unter Finanzminister Gerhard Stratthaus (alle CDU) eingeführt.

Günther Oettinger, damals CDU-Fraktionschef, hatte sich gegen die Einführung gewandt, war aber dann auf Regierungslinie eingeschwenkt. Bei der Planung und Einführung der NSI ist also nach Urteil der Rechnungsprüfer viel falsch gemacht worden.
Erstens, so Kiefer, sei das Projekt landesweit in 1200 Dienststellen bei 110 000 Mitarbeitern gleichzeitig eingeführt worden. Unterschiedliche Anforderungen vor Ort seien weitgehend außer Acht gelassen worden. Wichtige Instrumente der NSI, wie etwa die dezentrale Budgetierung, seien hingegen nur zögerlich dazugekommen. Zweitens seien die Auswirkungen der Verwaltungsreform auf die NSI nicht hinreichend bedacht worden. Die Übertragung von Aufgaben an Stadt- und Landkreise seien mit dem Gedanken der „konzernorientierten“ Gesamtsteuerung staatlicher Aufgaben durch das Land bei NSI nur schwer zu vereinbaren.

Drittens hätten viele Mitarbeiter in den Behörden die Methoden von NSI nicht akzeptiert. Das läge zum einen an „fehlender Neuerungsbereitschaft“ bei den Beamten, aber auch daran, dass die Einführung nicht mit Anreizen für die Mitarbeiter verbunden gewesen sei. Schließlich sei die Schulung schlicht ungeeignet gewesen und hätte viele Beteiligte „ratlos bis skeptisch“ hinterlassen.
Viertens seien bei der Einführung in einer Mischung „von Fortschrittsglauben und politischem Aktionismus“ Methoden aus der Privatwirtschaft übernommen und nicht hinreichend für den öffentlichen Dienst modifiziert worden. Der Tatsache, dass die „Dinge in der Soziokultur einer Verwaltung oft etwas Zeit brauchen“, sei schlicht nicht hinreichend Rechnung getragen worden, so Kiefer.

Die Folge: Für die Investitionen sei auch langfristig keine Amortisation in Sicht: „Wir sind schon froh, wenn die laufenden Kosten gedeckt werden.“ Gleichwohl seien weder alle Bestandteile der NSI fasch, noch liefe es in allen Behörden schlecht.
Entsprechend seine Vorschläge für die Zukunft. Das Haushaltsmanagementsystem, die Anlagenbuchhaltung und die dezentrale Budgetierung hätten sich bewährt und sollen nach Meinung des Rechnungshofes auch künftig die Basis der Buchhaltung sein. Darüber hinaus schlägt Kiefer eine „optimierte Projektfortführung“ im Innen-, Finanz- und Justizressort sowie in Teilen der Regierungspräsidien vor; in den übrigen Ressorts jedoch solle NSI deutlich reduziert werden.

Stratthaus räumt auf die Kritik wie bereits im Dezember ein, dass bei den NSI tatsächlich „Anlaufschwierigkeiten“ vorhanden seien. Entscheidend für ihn sei aber, dass die Prüfer grundsätzlich den Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente in der Verwaltung begrüßten. Dass eine Weiterentwicklung kommen muss, sei ihm klar.

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30 Antworten zu Deutlicher geht es nicht mehr

  1. wf sagt:

    Gute Leute braucht das Land. Wo sitzen die? Natürlich in den Regierungen.

  2. Tab. sagt:

    Das System läuft bereits seit dem Jahr 1999, und ein Ende ist in weiter Ferne. Und Gerhard Stratthaus (CDU) ist immer noch Finanzminister im Musterländle. Also alles bestens!
    Wen stören die laufenden Kosten von 30.000.000 Euro im Jahr. Die wurden jüngst per Ministerratsbeschluß sogar ermäßigt.

  3. v/Z sagt:

    Die laufenden Aufwendungen von 30.000.000 EUR werden nach einem CDU-FDP Ministerratsbeschluss gekürzt. Der Kürzungsbetrag wurde nicht genannt.
    Die Steuerzahler können jetzt echt zufrieden sein, weil richtige Sparmaßnahmen durchgeführt werden. Man ist doch auf dem richtigen Weg – wohin?
    Die völlig unverständliche und teilweise überzogene Entrüstung, die in den Kommentaren zum Ausdruck kommt, soll sich daher im allseitigen Interesse wieder legen – oder?

  4. i-L sagt:

    Ich frage mich, was die im Finanzausschuss machen. – Augenpflege oder abnicken?

  5. osk. sagt:

    Im Ländle ist es erstrebenswert, bodenständig sein zu wollen.

    Die am obigen Debakel Beteiligten und Verantwortlichen haben jede (finanzielle) Bodenhaftung verloren. Von finanzieller Reinkultur kann nicht mehr die Rede sein.

  6. F. M. sagt:

    Baden-Württemberg wird 2007 voraussichtlich ca. 25 Milliarden Euro an Steuern einnehmen. Da machen jährliche 30 Millionen Euro teils nicht gedeckte laufende Kosten den Kohl nicht fett. – Oder?

  7. av sagt:

    Ich verstehe die harsche Kritik in den Kommentaren überhaupt nicht.

    Herr Finanzminister Stratthaus (CDU) hat es im Jahr 1999 eingerichtet und wird es weiterhin richten.

    Das finanzielle Debakel baden doch „andere“ aus.

  8. ber.-sch. sagt:

    Herr Oettinger (CDU) sieht Spielraum für die Senkung von Lohn- und Einkommensteuer für alle Bürger ab 2010. Darauf können sich die Bürger in der Bundesrepublik Dutschland schon drei Jahre vorher freuen.

    Die Bürger in Baden-Württemberg freuen sich zusätzlich noch über die Verschwendung von öffentlichen Geldern für die sogenannten Neuen Steuerungsinstrumente. Projektkosten: 220.000.000 EUR! Laufende und nur zum Teil gedeckte Kosten: 30.000.000 EUR im Jahr!

  9. joh./mü. sagt:

    Weniger überflüssige Programme und Ausgaben (z. B. Neue Steuerungsinstrumente = NSI) hätten Baden-Württemberg wegen der 220 Millionen Euro an Projektkosten sowie der 30 Millionen Euro an jährlichen laufenden und nicht voll gedeckten Kosten mehr als gut getan!
    Man sollte sich doch besser mit Einsparvorschlägen im Rahmen des Finanzhaushaltes des Bundes vornehm zurückhalten!

  10. Chr.Z. sagt:

    Der Stuttgarter Regierungschef Günter Oettinger (CDU) brachte Steuersenkungen ab 2010 ins Spiel. „Je konsequenter die Haushaltssanierung jetzt im Mittelpunkt steht und je weniger Programme und Ausgaben den Haushalt prägen, desto mehr besteht ein Spielraum für die Senkung von Lohn- und Einkommensteuer für alle Bürger ab 2010“, sagte der CDU-Politiker.
    Brettener Nachrichten vom 12. April 2007 Seite 1 „Keine Steuersenkung“ Regierung: Vorrang für Sanierung der Staatsfinanzen

    Die Dimension des Debakels Neue Steuerungsinstrumente (NSI)in Baden-Württemberg: 220 Millionen Euro Projektkosten wurden versenkt, wofür Herr Oettinger die Verantwortung übernommen hat.

    Und der spricht öffentlich über Voraussetzungen für die Senkung von Lohn- und Einkommensteuer, wo sein Amtsvorgänger Teufel (CDU) mal eben 220.000.000 EUR in den Sand gesetzt hat und die laufenden Kosten von jährlich 30.000.000 EUR seit dem Jahr 1999 noch nicht einmal erwirtschaftet werden.

    Was soll man davon halten?

  11. urs. sagt:

    Das Ausgeben von öffentlichem Geld kommt mir so vor wie der Inhalt von einem Überraschungsei. Zum Rausnehmen ist immer was drin.

  12. wf sagt:

    Sie wissen nicht so ganz genau, was und wie sie arbeiten! Sie können sich ja noch nicht einmal kostendeckend selbst verwalten! Siehe oben: „Deutlicher geht es nicht mehr“!

  13. P.-G. sagt:

    Weiß die Landesverwaltung Baden-Württemberg, was sie und wie sie was tut?

  14. fr. ga. sagt:

    Und das alles funktioniert einwandfrei im (Vorzeige-)Bundesland Baden-Württemberg, weil einer die Verantwortung wofür? – dafür! übernimmt.

  15. cl. sagt:

    Badische Neueste Nachrichten vom 4. April 2007 NSI: Regierungschef gesteht Fehler ein – 1. Absatz letzter Satz:“ Die Verantwortung dafür übernehme ich.“

    Die finanziellen Dimensionen, welche die Kommentatoren im 14. und 15. Kommentar aufzeigen, sind fast nicht vorstellbar. Dennoch existieren sie wirklich.

    Ein herausragendes Beispiel für fast grenzenlose Geldverschwendung.

  16. -rl- sagt:

    Man beachte die Summen von 220.000.000.- Euro und weitere 30.000.000.- Euro pro Jahr.
    Für die 30 Millionen müssen jedes Jahr rund 5000 Facharbeiter ihre Lohnsteuer bezahlen, wenn sie beispielsweise 6000.- Euro pro Jahr ausmacht.
    Für die Bezahlung von 220 Millionen Euro waren demnach die Lohnsteuern von fast 37.000 Facharbeitern eines Jahres fällig. Und das alles für die Katz . . .

  17. -nz- sagt:

    Stellen Sie sich vor, ein Unternehmer würde 1 Million Euro Steuern hinterziehen. Das könnte sicherlich kein Kleinbetrieb tun. Was hätte das Finanzamt da getan? Neben der Rückzahlung mit Zinsen und einer saftigen Geldstrafe wäre selbst eine Freiheitsstrafe u.U. fällig.
    Anders kann man die Steuergeldverschwendung auch nicht sehen – oder?
    Allerdings brauchte man bei diesen Summen zunächst 220 solche Unternehmen und jeweils 30 weitere pro Jahr! In jedem Einzelfall wäre der Betriebsinhaber dafür voll verantwortlich – mit allen Konsequenzen.
    Für die Gesamtsumme, die laut Rechnungshof „versenkt“ wurde (bis jetzt fast eine halbe Milliarde Euro) übernimmt Herr Öttinger die Verantwortung. Mit den selben Konsequenzen wie für Herrn Öttinger könnte das jeder tun . . .
    Oder muss Herr Öttinger monatlich etwas zurück bezahlen?

  18. jos.pr. sagt:

    Passend zum 11. Kommentar:
    Besser 220.000.000 Euro den Gemeinden geschenkt als in der Landesverwaltung total versenkt!

  19. Zumb. sagt:

    Der Leitartikel der bwWoche vom 10. April 2007 lautet:

    SPD im Keller

    Nicht Ute Vogt allein ist schuld daran, dass die Sozialdemokraten im Land auf der Stelle verharren

    Der 10. Kommentar trifft hierzu den Nagel auf den Kopf.

  20. Th. sagt:

    Man kann eine simple Rechnung aufmachen.

    Die damalige Landesregierung konnte den Gemeinden im Land etwas zukommen lassen. Rund gerechnet: 220.000.000 EUR an ca.1100 Gemeinden ergeben 200.000 EUR für jede Gemeinde als Einmalzuschuss.

    Oder anders aufgeteilt: 200.000 EUR : 8 Jahre (bisherige Laufzeit von NSI) = 25.000 EUR pro Jahr für jede Gemeinde.

    Die bezuschussten – zweckgebunden oder nicht – Gemeinden hätten es der Landesregierung sicherlich mehr als gedankt.

  21. Ils.St. sagt:

    Das ist eine Steilvorlage für die Opposition. Frau Ute Vogt (SPD)- Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Bretten – kann sich profilieren.

  22. walt. sagt:

    Erwin Teufel (CDU) ist ja inzwischen Student in München und Privatmann in Württemberg.

  23. walt. sagt:

    Herr Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) hat die Sache auf den Weg gebracht und hat damit nichts mehr zu tun. Wie schön für ihn.

  24. T/U sagt:

    Den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Baden-Württemberg wird mit dem Finanzdebakel sehr viel zugemutet.

    Trotzdem gilt es weiterhin als MUSTERLÄNDLE!

  25. N./P. sagt:

    Stratthaus (CDU) räumt tatsächlich vorhandene „Anlaufschwierigkeiten“ ein. Ihm ist klar, dass eine Weiterentwicklung kommen muss.

    Acht Jahre nach Einführung des Systems von „Anlaufschwierigkeiten“ zu sprechen, dazu gehört eine gehörige Portion Mut. Und im gleichen Atemzug von Weiterentwicklung zu sprechen, das wirkt dann schon wie komischer Frohsinn.

  26. h - z sagt:

    Selbstverwaltung bedeutet heutzutage, dass die Verwaltung nur noch sich selbst verwaltet. Helmut Nahr

  27. Lis.-My. sagt:

    Ich sage besonders Herrn Minister Stratthaus für die Versenkung von sage und schreibe 220 Millionen EURO meinen aufrichtigen Dank und ermuntere ihn, so – wie seit dem Jahre 1999 – zum Wohle des Landes fortzufahren.

  28. J-N sagt:

    Mit den Inhalten im 1. und 2. Kommentar ist mir der Appetit so was von gründlich vergangen.

  29. Gust./Fo. sagt:

    In diesem Fall spricht man wohl besser von einem faulen Ei. Guten Appetit!

  30. Gust./Fo. sagt:

    Ein überteuertes Osterei von 220.000.000 Euro hat die Landesregierung vergangener Zeiten ihren Landsleuten ins Nest gelegt. Eine echte Überraschung zu Ostern 2007.

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