„Man muss Politikern auch Fehler zubilligen“

Podium im Bruchsaler Schlachthof diskutiert Schlussfolgerungen des Freitods von Landrat Claus Kretz
Von unserem Redaktionsmitglied Walter-Ulrich Macherauch
Bruchsal. Demokratie heißt wörtlich Herrschaft des Volkes. Selbst wenn der Begriff heutzutage nur noch Sammelbezeichnung ist für Herrschaftsformen, deren Grundlage aus dem Volk abgeleitet werden, heißt das trotzdem: Ohne Volk geht nichts. So gesehen ist ein politischer Frühschoppen eine höchst demokratische Veranstaltung, denn sie bietet ein Podium politisch denkender und handelnder Menschen, und sie bietet Raum für Bürger, sich anzuhören, was da gesprochen wird.

Dass der Titel des Frühschoppens – „Der Tod eines Landrats – Fragen und Folgerungen“ – ein bisschen reißerisch geraten ist, sieht man dem Veranstalter im Bruchsaler Schlachthof schnell nach, immerhin hat er auf diese Weise viele interessierte Bürger angelockt. Und die hörten aufmerksam zu, was die politischen Akteure zu sagen hatten, die dem verstorbenen Landrat Claus Kretz näher – wie CDU-Fraktionschef Josef Offele – oder ferner standen, wie der ehemalige Bürgermeister von Karlsdorf-Neuthard, Egon Klefenz, oder Bernhard Oberle, ehemals Vorsitzender des Kreisseniorenrats. Vervollständigt wurde das Podium durch den freien Journalisten Meinrad Heck.

Der hatte sich als einer der Berichterstatter um die Forsthausaffäre nach dem Freitod von Claus Kretz heftigen Vorwürfen ausgesetzt gesehen. Wie andere Berichterstatter auch und sogar manche politische Akteure. Von „Hetzjagd“ war da die Rede, von „gnadenlosen“ Gesetzen der öffentlichen Meinung. Für den Fall Kretz sei diese Beurteilung überzogen – darin war sich das Podium grundsätzlich einig. Allerdings hätte sich Klefenz sich mehr Zurückhaltung in der Berichterstattung gewünscht, solange Staatsanwaltschaft und Regierungspräsidium in der Angelegenheit ermittelten.

Offele betonte, der Mensch Claus Kretz habe sich tatsächlich gehetzt gefühlt. Diesen Druck hätte er als Amtsträger natürlich aushalten müssen, habe es aber persönlich nicht aushalten können. Letztlich warb Offele darum, konkreter zu prüfen, was einen Menschen in die Enge drängen könne. Das Menschliche stellte auch Bernhard Oberle in den Vordergrund. Man müsse auch politisch Handelnden Fehler zubilligen und den Menschen dahinter sehen. Dass dies für Journalisten nahezu unmöglich sei, betonte Meinrad Heck. Zumal Affären wie die um das Forsthaus in Deutschland tausendfach existierten. „Und die Reaktion ist immer: Vertuschen.“ Die menschliche Komponente vieler Vorgänge spiele ganz oft ins Privatleben der Handelnden hinein, und dies müsse gerade in der Berichterstattung getrennt bleiben.

Unterm Strich blieb die Erkenntnis, dass Politikern natürlich Macht zu Gestaltung eingeräumt werden muss, dass diese aber auch der Kontrolle bedarf: durch die politischen Gremien, deren Auftrag das ist, wie durch die Presse. Egon Klefenz forderte darüber hinaus die Wahl des Landrats durch die Bürger, das verhindere Abhängigkeiten jeglicher Art.

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4 Antworten zu „Man muss Politikern auch Fehler zubilligen“

  1. Schm. sagt:

    Nur dann, wenn sie die Volkswahl ernst nehmen würden!

  2. Jak. sagt:

    „Egon Klefenz forderte darüber hinaus die Wahl des Landrats durch die Bürger, das verhindere Abhängigkeiten jeglicher Art.“

    Eine absolut richtige Forderung, für die sich eigentlich alle Kreistagsmitglieder in Baden-Württemberg stark machen müßten.

  3. K-DV sagt:

    Eine für den Leser und Bürger eher unergiebige und kümmerliche Veranstaltung = Podium.

  4. mm sagt:

    Ohne Volk geht nichts. Soso,aha! Der „politische Frühschoppen“ als Beispiel für „eine höchst demokratische Veranstaltung“ mit der klassischen „demokratischen“ Rollenverteilung:
    „Ein Podium politisch denkender und handelnder Menschen“,(die Politiker) „und sie bietet Raum für Bürger, sich anzuhören, was da gesprochen wird.“
    Ob beabsichtigt oder nicht, hier hat der Journalist den Beweis angetreten, dass es durchaus auch ohne Volk geht und wenn mit, dann bitte nur um “ sich anzuhören, was da gesprochen wird“.

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