Ein wirklich großer Wurf?

Gemeinderat Bretten beschließt einstimmig die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels
von council 13

1.
Gemeinden sind nicht verpflichtet, einen Mietspiegel aufzustellen.
Wenn er dann existiert, hat er zwei wichtige Funktionen:

1. Markttransparenz
für Mieter und Vermieter öffentlich zugängige ortsübliche Vergleichsmiete auf breiter Informationsgrundlage

2. Begründungs- und Beweisfunktion
bei gesetzlichen Mieterhöhungsverfahren nach § 558 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Gerichte gehen davon aus, dass ein qualifizierter Mietspiegel die ortsüblichen Mieten zutreffend abbildet. Die Entscheidung in Streitfällen wird erleichtert.

Problematik
Der Mietspiegel in seiner heutigen Form kann die Lage auf dem Mietmarkt nicht im richtigen Maß abbilden. Will man das Mietniveau für Neuvermietungen wissen, liefert der heutige Mietspiegel zu geringe Werte. Will man hingegen das durchschnittliche Mietniveau kennen, so wird dieses durch eine reine Erfassung der Neuvermietungen nicht vollständig wiedergegeben.
Lösung: Wir brauchen zwei Mietspiegel: einen, der die Preise für Neuvermietungen zeigt und einen, der den Durchschnitt darstellt. Möglicherweise nicht nur in einem Wert, sondern auch mit einer Darstellung der Streuung. Dies lässt sich einfach mithilfe einer in der Statistik üblichen Differenzierung nach QUARTILEN erreichen.
Eine Anpassung von Unterschieden durch einen Mietspiegel wird stets in Richtung „teuer“ gehen. Außerdem kann er nur Begehrlichkeiten beim Vermieter wecken: Ach ich bin ja viel zu billig?

Kurze Zusammenfassung

Der Mietspiegel wird nur durch Befragung von Mietern erstellt – fragwürdig? Spieltheoretisch hätte jeder Mieter ja ein Interesse, die gemietete Wohnung schlechter und die Kosten höher darzustellen, als sie tatsächlich ist. – Für Vermieter würde das natürlich gegenteilig gelten. Repräsentativ kann ein Mietspiegel doch nur dann sein, wenn er sowohl Mieter als auch Vermieter befragt oder sonst einen Mechanismus zur Vermeidung von BIAS einbaut. BIAS = durch eine falsche Untersuchungsmethode verursachte Verzerrung des Ergebnisses einer Repräsentativerhebung. Wie wird denn mit einem Mietspiegel Objektivität sichergestellt?

2.
Mietpreise von vergleichbaren Wohnungen können differieren. Das liegt am freien Wohnungsmarkt und an qualitativen Unterschieden der Wohnwertmerkmale und an eventuell nicht erfassten Wohnwertmerkmalen hinsichtlich Art und Güte. Mietspiegel sollen Mieter vor zu hohen Mietpreisen schützen, geben Vermietern aber auch Hinweise auf unwirtschaftlich niedrige Mieten – Einwand drohende Erhöhungen von Stadtrat Mansdörfer (Grüne).

Es braucht im freifinanzierten Wohnungsbau eine breite Datenbasis. Ein wesentliches Merkmal bei der Vergleichsmiete ist der Quadratmeterpreis. Der beschlossene Regressionsmietspiegel liefert ein mathematisches Modell für den Zusammenhang von Nettomiete und Wohnwertmerkmalen.

Die Zielgröße
= Nettokaltmiete pro qm (ohne Betriebskosten und Heizkosten)

Die Regressionen
= mietpreisbildende Faktoren, die aus über 300 Rohvariablen nach inhaltlichen und statistischen Gesichtspunkten gebildet werden.

Deskriptiv ausreichend wären:
Verteilung der Nettomiete (pro qm)
Nettomiete pro qm versus Baujahr

Nettomiete pro qm versus Wohnfläche und Wohnanlage

3.
Worauf beim Aufbau eines qualifizierten Mietspiegels besonders zu achten ist:

Beispielsweise auf die Lageeinteilung, die gern willkürlich sein kann. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ; die Berechnung der Vergleichsmieten fehlerhaft.

Qualifizierte Mietspiegel unterliegen oft dem „Gestaltungswillen“ lokaler Politiker und Interessenvertreter mit der ausgeprägten Bereitschaft zur Einflussnahme im Gemeinderat. Der Wohnungsmarkt kann aber nur funktionieren, wenn der Mietspiegel zu einem marktnahen Abbild des Wohnungsmarktes wird – ohne Einflussnahme durch Kommunalpolitiker, die bekannterweise nur zu gerne mitreden, um ihre Positionen durchzusetzen. Wer keine Lust hat, Fragebogen auszufüllen und entsprechend zu antworten, tut das auch keinesfalls. Der Datenumfang ist so für eine repräsentative Stichprobe oft zu gering.

Der Mietspiegel sollte nur von wissenschaftlich ausgebildeten und geprüften Statistikern erstellt werden. Das „ALP Institut für Wohnen und Stadtentwicklung “ in Hamburg hat der Stadt Bretten ein Angebot abgegeben. Es soll nach Bewilligung der Fördergelder angenommen werden. In dem Institut arbeiten ein Geograph, ein Stadtplaner und ein Ökonom.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim und die Universität Regensburg haben Vorschläge in einer Studie entwickelt, wie der qualifizierte Mietspiegel künftig besser berechnet werden könnte. Abschließend ist anzumerken, dass der politische Gestaltungswille für eine Flut von Regulierungen gesorgt hat. Eine davon ist der Mietspiegel. Die Regelungsdichte in Deutschland wird als deutlich zu hoch beurteilt. – Also dranbleiben!

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4 Antworten zu Ein wirklich großer Wurf?

  1. fc sagt:

    „Berliner Landgericht kippt Mietspiegel“
    https://www.n-tv.de/ratgeber/Berliner-Landgericht-kippt-Mietspiegel-article20962810.html

    Noch Fragen ?
    Bretten – Berlin, nur noch eine Entfernung auf der Landkarte?

  2. beobachter sagt:

    Der Mietspiegel ist nichts anderes als eine Momentaufnahme eines bestehenden Marktes. Von seinen Kritikern wird er mit dem aktuellen Mietniveau verwechselt. Der qualifizierte Mietspiegel muss auf den Mietverträgen basieren, die in den letzten vier Jahren angepasst oder abgeschlossen wurden. Dadurch liegt er logischerweise immer unter dem aktuellen Marktniveau, weil in diesen vier Jahren stets auch eine Preissteigerung stattgefunden hat.

    Der Mietspiegel ist absolut kein Befriedungsinstrument, wie man es nach den beiden Veröffentlichungen – Brettener Nachrichten, Brettener Woche – darüber intendieren wollte. Er ist auch nicht in erster Linie ein Instrument zur Prozessvermeidung. Worin beteht denn nun der große Wurf, der mit Einstimmigkeit bei der Abstimmung auf einen kostenaufwendigen Weg gebracht wurde?

  3. beobachter sagt:

    Ein wirklich großer Wurf: Was für ein Verwaltungs-, Prozess- und Statistikaufwand, um einen Mietspiegel zu erstellen und zu pflegen. Von den Kosten einmal völlig abgesehen. In Bretten hat man ja für so ziemlich alles Geld – 40 000 Euro gelber Straßenbelag in der Georg-Wörner-Straße! – Haushaltsgrundsätze? Zur laufenden Pflege werden Kosten anfallen. Diese sind bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Der zweite Haushaltsgrundsatz, die Sparsamkeit, wurde mit Einstimmigkeit zur Marginalie. Nach Fertigstellung lässt sich dann mithilfe von Gutachten vor Gericht um die Höhe von Mieten und um Mietspiegel trefflich streiten.

    Der qualifizierte Mietspiegel darf alle zwei Jahre mit dem Hinweis auf den Lebenshaltungskostenindex angepasst werden. Er beruht so auf Daten, die einen Zeitraum von vier Jahren = zwingende Neuerstellung abbilden. Die tatsächlichen Mieten in einem sich schnell verändernden Markt weichen daher erheblich von den Mieten ab, die in den Mietspiegeln stehen.

  4. beobachter sagt:

    Zu Punkt 3 Absatz 1: Beispielsweise auf die Lageeinteilung, die gern willkürlich sein kann:

    Wohnlagen: Einfache, mittlere, gute.
    Gartennutzung.
    Besondere Hausformen bzw. Wohnungstypen.
    usw.
    Eine unerwünschte Einflussnahme durch die an der Methodik Beteiligten kann durchaus im Bereich des Möglichen sein.

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