Neuer finanzieller Tiefpunkt für die Kommunen – 2011 keine Erholung in Sicht – Lichtblick bei der Gewerbesteuer

Deutscher Städtetag legt aktuelle Finanzdaten vor
Der wirtschaftliche Aufschwung hat den Absturz der Kommunen auf einen neuen finanziellen Tiefpunkt nicht aufhalten können. Auch 2011 ist keine Erholung für die Haushalte der Städte in Sicht. Das berichtete heute die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeisterin Petra Roth aus Frankfurt am Main, bei der Vorlage neuer Daten zur kommunalen Finanzlage.

„2010 war finanziell ein schwarzes Jahr für die Kommunen. Sie sind so tief in die roten Zahlen gerutscht wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Fast 10 Milliarden Euro Defizit müssen die Politik in Bund und Ländern aufrütteln. Es müssen jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden, um den Kommunen zu helfen und so die besonders notleidenden Städte vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren. Die Vorschläge der Kommunen liegen seit langem auf dem Tisch: Entlastung bei den Sozialausgaben und weitere Stabilisierung der Gewerbesteuer. Die zahlreichen Leistungen der Kommunen für die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht unter die Räder kommen. Unser Land braucht handlungsfähige Städte!“, sagte Roth.

Der Deutsche Städtetag veröffentlichte im Rahmen seiner jährlichen Finanzpressekonferenz in Berlin die aktuelle Prognose der kommunalen Spitzenverbände zur Finanzlage der Städte, Landkreise und Gemeinden in den Jahren 2010 und 2011. Die Städtetagspräsidentin nannte folgende zentrale Fakten:

· 2010 verzeichnen die Kommunen das größte Defizit seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben beträgt voraussichtlich 9,8 Milliarden Euro und liegt damit noch höher als das bisher höchste Defizit von 8,4 Milliarden Euro im Jahr 2003. Im laufenden Jahr ist eine Besserung nicht in Sicht, für 2011 wird ein Defizit von 9,6 Milliarden Euro erwartet.

· Die kurzfristigen Kassenkredite der Kommunen belaufen sich mittlerweile auf 40,5 Milliarden Euro – doppelt so viel wie im Jahr 2004. Innerhalb eines Jahres hat sich diese Summe dramatisch um 6,6 Milliarden Euro erhöht. Der bedrückende Anstieg der Kassenkredite zeigt, dass eine große Zahl von Kommunen keinerlei Einsparmöglichkeiten mehr besitzt und schlichtweg auf Pump leben muss.

· Nach dramatischen Steuerverlusten für Bund, Länder und Kommunen vor allem durch die Finanzkrise, aber auch durch Steuerrechtsänderungen sind die Steuereinnahmen der Kommunen 2010 dank der Gewerbesteuer wieder gestiegen. Die wichtigste Steuer der Städte wuchs erfreulich stark um 8,6 Prozent und wird sich 2011 voraussichtlich ähnlich gut entwickeln. Das bundesweite Volumen der Gewerbesteuer wird dennoch voraussichtlich am Jahresende um 2,8 Milliarden Euro unter dem Niveau von 41 Milliarden Euro des Jahres 2008 bleiben.

· Die Sozialausgaben der Kommunen stiegen 2010 erneut um rund 2 Milliarden Euro und erreichten einen Spitzenwert von über 42,2 Milliarden Euro.

„Viele Kommunen liegen auf der Intensivstation. Der Verfall ihrer finanziellen Basis muss gestoppt werden. Die Menschen spüren vor Ort, dass Angebote ausgedünnt werden und die Infrastruktur leidet. Der Aufschwung kommt in den Städten zwar an, die gute Konjunktur hat im vergangenen Jahr ein noch höheres Defizit verhindert, aber sie rettet uns leider nicht. Die schwerste Hypothek der städtischen Haushalte sind die immer weiter wachsenden Sozialausgaben. An dieser Stelle brauchen die Städte endlich Entlastung“, erklärte die Städtetagspräsidentin.

Der Deutsche Städtetag begrüße, dass Koalition und Opposition nun in einem weiteren Vermittlungsverfahren zu den Regelsätzen, zum Bildungspaket für bedürftige Kinder, zur Entlastung der Kommunen und zum Thema Mindestlohn eine Lösung suchen wollen: „Wir appellieren an beide Seiten, sich in diesen Gesprächen schnell zu einigen und dabei auch die in Aussicht gestellte spürbare Entlastung der Kommunen zu beschließen, indem der Bund die Ausgaben für die Grundsicherung im Alter übernimmt. Die Städte sind zuversichtlich, dass durch den gemeinsamen Antrag aller Länder zur Einberufung des Vermittlungsausschusses eine Einigung näher gerückt ist.“ Sie liege im Interesse der betroffenen Langzeitarbeitslosen und ihrer Kinder, aber auch im Interesse der finanziell schwer angeschlagenen Kommunen.

Gute Nachrichten im Bereich der Kommunalfinanzen gebe es bei der Gewerbesteuer, berichtete Petra Roth weiter: „Die erfreulichen Zuwächse der Gewerbesteuer belegen, was wir immer gesagt haben: Die Gewerbesteuer ist eine gute Steuer und erholt sich auch nach einer einschneidenden Krise schnell. Die Städte vertrauen auf die Zusage der Bundeskanzlerin, keine Gewerbesteuerreform gegen den Willen der Städte durchzusetzen.“ Die Gewerbesteuer genieße breiten Rückhalt – bei den Städten in den alten und neuen Ländern gleichermaßen wie bei gewerbesteuerstarken und gewerbesteuerschwachen Städten. Das habe zuletzt eine Resolution von rund 170 Kommunalpolitikern aus dem gesamten Bundesgebiet bei der Konferenz der Mitgliedsstädte des Deutschen Städtetages im November 2010 in Berlin eindrucksvoll belegt.

„Die Städte halten einmütig an den Hinzurechnungen von Mieten, Zinsen, Pachten und Leasingraten zur Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer fest. Diese Hinzurechnungen wirken der Steuervermeidung durch Unternehmen entgegen“, betonte die Städtetagspräsidentin. Ablehnend stünden die Städte nach wie vor kommunalen Zu- und Abschlägen auf die Einkommensteuer gegenüber, weil diese die Unterfinanzierung der kommunalen Ebene nicht beseitigen könnten.

Weitere Daten

Der Deutsche Städtetag veröffentlichte unter anderem folgende weitere Daten und Einschätzungen zum kommunalen Gesamthaushalt in den Jahren 2010 und 2011:

· Die kommunalen Einnahmen sind im Jahr 2010 um rund 3 Milliarden Euro bzw. 1,7 Prozent auf 173 Milliarden Euro gestiegen. 2011 ist ein Anstieg um 0,7 Prozent auf 174 Milliarden Euro zu erwarten. Die Ausgaben erhöhten sich 2010 um 5,6 Milliarden Euro bzw. 3,2 Prozent auf 183 Milliarden Euro. 2011 wird mit einem Anstieg um 0,5 Prozent auf 183,7 Milliarden Euro gerechnet. Der deutliche Ausgabenanstieg 2010 beruht vor allem auf starken Zuwächsen der Sozialausgaben, der Investitionen und des Sachaufwandes, worunter auch Straßenreparaturen nach den Winterschäden fallen.

· Der Finanzierungssaldo zwischen Einnahmen und Ausgaben, das Defizit, betrug im Jahr 2010 voraussichtlich 9,8 Milliarden Euro – und verschlechterte sich damit noch einmal gegenüber den 7,2 Milliarden Euro im Vorjahr. Dass das Defizit nicht, wie zwischenzeitlich befürchtet, noch höher ausfiel, liegt an der besser als erwartet verlaufenen Einnahmenentwicklung, vor allem bei der Gewerbesteuer.

· Die Steuereinnahmen erhöhten sich 2010 durch die Zuwächse der Gewerbesteuer voraussichtlich um 2,6 Prozent bzw. 1,6 Milliarden Euro. Anders als die Gewerbesteuer sank der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer um 2 Prozent. 2011 wird bei den Steuereinnahmen ein Plus von 3,9 Prozent erwartet, wiederum bedingt durch einen deutlichen Anstieg des Gewerbesteueraufkommens in Höhe von 8,7 Prozent. Der Einkommensteueranteil wird voraussichtlich etwa stagnieren. Die hohen Steigerungen bei der Gewerbesteuer treten besonders in den Städten auf, die im Jahr 2009 auch besonders stark von einem Rückgang der Gewerbesteuer betroffen waren. Ende 2011 wird mit einem bundesweiten Gesamtaufkommen der Gewerbesteuer von rund 38,3 Milliarden Euro gerechnet.

· Die kommunalen Sozialausgaben steigen unvermindert weiter. 2010 betrug der Zuwachs voraussichtlich 4,8 Prozent. Im laufenden Jahr wird ein weiteres Plus von 2 Prozent erwartet – und eine Gesamthöhe von 43,1 Milliarden Euro. Die niedrige Zuwachsrate 2011 darf nicht als Entwarnung gesehen werden, denn sie folgt einer überproportionalen Steigerung im Jahr 2010. Im Durchschnitt der beiden Jahre 2010 und 2011 liegt die Steigerung bei 3,4 Prozent und führt zu einem Gesamtzuwachs von 2,8 Milliarden Euro – eine Größenordnung, die nicht durch steigende Einnahmen in den kommunalen Haushalten aufgefangen werden kann und zu weiter wachsender Verschuldung führt. Die ostdeutschen Kommunen verzeichneten 2010 einen deutlich geringeren Anstieg der Sozialausgaben in Höhe von 0,8 Prozent. Eine wesentliche Ursache dafür ist der im Westen stärker ausgeprägte Anstieg der Ausgaben für die Jugendhilfe und die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen.

· Die kommunalen Investitionen erhöhten sich dank des Konjunkturpakets auch im Jahr 2010 deutlich. Der Zuwachs von 7,9 Prozent auf 23,6 Milliarden Euro im Jahr 2010 darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die nicht mithilfe des Konjunkturpakets finanzierten Investitionen aufgrund der prekären Finanzlage vieler Kommunen weiterhin abnehmen. Daher ist im Jahr 2011 ein Rückgang von 3,4 Prozent auf 22,8 Milliarden Euro zu erwarten, obwohl aus dem Konjunkturpaket Mittel in gleicher Höhe wie im Vorjahr fließen. In der Prognose nicht dargestellt, aber praktisch unausweichlich ist ein deutlicher Rückgang der Investitionen im Jahr 2012.

· Für das Jahr 2010 wird mit einem leichten Anstieg der Gebühreneinnahmen in den Kommunalhaushalten gerechnet. Die Einnahmen aus Gebühren erhöhen sich voraussichtlich um 240 Millionen Euro bzw. 1,5 Prozent auf 16 Milliarden Euro. Für 2011 wird ein weiterer leichter Zuwachs um 300 Millionen Euro bzw. 1,9 Prozent vorhergesagt.

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