„Ich frage: Was wäre die Alternative gewesen?“

Interview mit IHK-Einzelhandelsexperte Kammerer
Bretten. Die Kunden träumen vom großen Elektronikhandel in der Sporgasse und davon, trockenen Fußes vom Auto in die Shopping-Meile zu flanieren. Die Brettener Einzelhändler erhoffen sich, dass viel mehr Kunden in die Innenstadt strömen. Und die Stadt hofft, dass die Millionen-Investition in das Schneider-Areal irgendwann wieder reinkommt, weil die Kundenströme auch neue Steuereinnahmen generieren. Kurz gesagt: In Bretten erwartet man den ganz großen Wurf. Wie realistisch diese Hoffnungen sind, darüber sprach BNN-Redakteurin Christina Zäpfel mit Stephan Kammerer, Referent für Handel bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Karlsruhe.

Leerstände in der Innenstadt, große attraktive Einkaufsstädte in der Umgebung – hat der Einzelhandel in Bretten in Zukunft überhaupt eine Chance?
Kammerer: Bretten liegt strategisch günstig zwischen Stuttgart und Karlsruhe. Es hat mit vielen kleineren Gemeinden in der Nachbarschaft ein großes Einzugsgebiet. Und was Bretten vor allem hat: eine wunderschöne Innenstadt. Die Voraussetzungen sind so schlecht also nicht.

Warum stehen dann in der Innenstadt immer mehr Läden leer?
Kammerer: Es gibt hier folgendes Problem in dieser sogenannten 1-A-Lage. Gerade entlang der Melanchthonstraße bis zum Gottesackertor können Sie keinen großflächigen Einzelhandel ansiedeln. Heutzutage ist es schwierig, auf solch kleinen Flächen guten Umsatz zu erzielen. Der Kunde ist große Auswahl gewohnt, die er auf der kleinen Fläche unmöglich findet.

Klar, auf der grünen Wiese kann man nicht nur umsonst parken, sondern hat gleich auch noch eine doppelt so große Auswahl. Wie kann kleinflächiger Einzelhandel in der City überhaupt noch zukunftsfähig sein?
Kammerer: Wenn das kleine, inhabergeführte Geschäft in der Innenstadt erhalten bleiben soll, schafft man das nur mit einer absolut modernen Produktpalette, die sich von der gängigen Massenware absetzt. Außerdem durch hohe Kompetenz und individuelle Beratung und am Besten durch ein ganz spezielles Marktsegment, eine Nische also, die es in keinem Kaufhaus gibt.

War es die richtige Entscheidung seitens des Gemeinderats und der Verwaltung, das alte Schneider-Kaufhaus zu kaufen und das Gelände mitsamt dem Sporgassen-Areal neu überplanen zu lassen?
Kammerer: Ja. Denn ich frage, was wäre die Alternative gewesen? Die Entscheidung, diese zentrumsnahen Flächen zusammenzuschließen und dort neuen Einzelhandel anzusiedeln, kann ich nur begrüßen. Ein dickes Lob an die Beteiligten für ihren Mut. Nur so kann man den dringend notwendigen großflächigen Einzelhandel und die viel beschworenen Frequenzbringer endlich in die Innenstadt holen.

Die Kunden träumen schon von Media-Markt, Saturn oder H&M. Wie realistisch ist es, solche „Magnete“ an die Sporgasse zu holen? Immerhin ist ein Investor, der kleinere Brötchen backen wollte, schon vom Gemeinderat dafür abgestraft worden.
Kammerer: Ich denke, solche klassischen Frequenzbringer wie die genannten sind durchaus realistisch. Bretten hat neben seinen knapp 30 000 Einwohnern ein großes Einzugsgebiet, sprich großes Einkaufspotenzial. Wir werden sehen, ob es einem Investor gelingt, die großen Namen nach Bretten zu holen.

Werden solche Ketten den verbliebenen kleinen Einzelhändlern nicht noch die letzten Kunden abjagen?
Kammerer: Unsere Erfahrungen in anderen Städten zeigen, dass diese Magnete die Menschen in die Innenstadt ziehen. Was man daraus macht, ist die entscheidende Frage. Es darf nicht darauf hinaus laufen, dass die Kunden in die neue Parkgarage fahren, ihre drei Einkäufe erledigen und die eigentliche Innenstadt gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Dem muss man aktiv entgegen wirken, etwa indem man auch außerhalb des Geländes Parkplätze anbietet. Aber ich sage auch: Es wird einen erhöhten Wettbewerb geben, der gleichzeitig die Chance für Neukunden bringt.

Die beiden Investoren, die noch im Rennen sind, versprechen rosige Aussichten mit modernen Shopping-Erlebnissen. War es die richtige Entscheidung, das „Schicksal“ dieses wichtigen Geländes in die Hand von Investoren wie Sepa und Ten Brinke zu legen?
Kammerer: Meine Erfahrung sagt mir: Die investieren nirgends, wenn sie nicht vorher ihre Fühler ausgestreckt haben, die Lage sondiert haben und für sich lukrative Chancen sehen. Ich denke, da sind absolute Profis am Werk.

Hat die Stadt damit das Heft des Handelns nicht aus der Hand gegeben?
Kammerer: Man muss das ganz emotionslos betrachten. Nur zusammen können Verwaltung, Gemeinderat und Investor dort etwas Gutes schaffen. Die Kommune hat die Aufgabe, die Spielregeln zu vereinbaren. Man muss ausgiebig mit dem Investor diskutieren, was geht und was nicht. In Bruchsal zum Beispiel ist das bereits geschehen, dort entsteht ein solches Einkaufszentrum an ganz prominenter Stelle. Das sieht vielversprechend aus.

Es kann auch schief gehen. Wer garantiert, dass am Ende nicht nur ein Schnäppchenmarkt, ein Solarium und eine Imbissbude in einer ansonsten ausgestorbenen Passage übrig bleiben?
Kammerer: Nach allem, was ich über Bretten weiß, stehen die Chancen dort nicht so schlecht. Eine Garantie gibt es nie. Ich kann mich nur wiederholen: Was wäre die Alternative?

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3 Antworten zu „Ich frage: Was wäre die Alternative gewesen?“

  1. h - z sagt:

    Bitte lesen Sie oberhalb den letzten Satz des IHK-Einzelhandelsexperten Kammerer:

    „Ich kann mich nur wiederholen: Was wäre die Alternative?“

    ALTERNATIVLOS – eben! 🙂

    Was für ein Quatsch! Und das aus dem Munde eines Experten? 🙁

  2. mm sagt:

    schwer zu ertragen, wie man sich hier wieder gegenseitig auf die Schulter klopft! Realisten sind kleinkariert und werden ausgebuht, aber warum auch realistisch sein, die Rechnung zahlt doch, na Sie wissen schon…

  3. uwe sagt:

    „Was wäre die Alternative?“

    Die Abrissbirne!!! 🙂

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