Im Land der schwarzen Löcher

Abdruck mit freundlicher Genehmigung aus Creditreform – Das Unternehmermagazin aus der Verlagsgruppe Handelsblatt
In Deutschland gewinnt die Diskussion über Stand und Gefahren der öffentlichen Verschuldung an Fahrt – genährt sicherlich durch das bis zur Stunde ungelöste Griechenland-Desaster.
Eine klare Gesamtübersicht über die unterschiedlichen Schuldenarten und Verpflichtungen in Deutschland gibt es nicht. Ganz im Gegenteil helfen diverse Bilanzierungstricks bei der Vernebelung der schwarzen Löcher im Lande. Auch durch Zweckoptimismus soll alles ein wenig ungefährlicher aussehen, als es denn in Wirklichkeit ist. So brach bei der Verabschiedung des aktuellen Bundeshaushaltes Begeisterung aus, weil nur 80 Milliarden Euro Schulden gemacht wurden und nicht, wie vorher erwartet, gar 85 Milliarden Euro. Die klassischen Schulden des Bundes in Größenordnungen von etwa 1,5 Billionen Euro geraten dort schnell aus dem Blickwinkel. Ganz weit weg sind inzwischen die sinnigerweise Sondervermögen genannten Belastungen etwa aus den Wiedervereinigungslasten oder andere Verschiebebahnhöfe.

Die Bankenhilfe umfasst Zusagen in Höhe von 145 Milliarden Euro. Ganz zu schweigen von den Zusagen an Sparer über staatliche Garantien, die den Betrag lässig auf 500 Milliarden Euro ausdehnen. Natürlich sind hier, ebenso wie bei der Garantie von Kreditvergaben, Bürgschaftsverhältnisse gemeint und nicht aktuelle Schulden. Aber wenn sie umschlagen und die Summen tatsächlich fällig werden, hätten wir mehr als griechische Verhältnisse. Ähnliches gilt auch für freundliche EU-Zusagen, von denen Deutschland 27 Prozent zu zahlen hat. Nebenher bauen auch die Bundesländer seit Jahren ihre Defizite auf, und die jüngste Klagemauer mit derzeit geschätzten 50 Milliarden Schulden sind die Gemeinden im Lande.

Stadtdirektoren, Verbandsvertreter, Bürgermeister überschlagen sich derzeit beim Jammern. Die Konjunktur sei Schuld, der Ausfall bei den Gewerbesteuern, die Steuerstruktur und der permanente Zuwachs der Kosten der sozialen Sicherungssysteme, verursacht durch Bund und Länder. Nun kann kein Zweifel daran sein, dass insbesondere die Belastungen im sozialen Bereich nicht mehr verkraftbar sind. Die entsprechende Bundesgesetzgebung geht konsequent zu Lasten Dritter. Konjunkturelle Schwankungen hat es dagegen immer mal wieder gegeben, zugegebenerweise nicht in der derzeitigen
Dimension. Fakt ist aber auch, dass die kommunal Verantwortlichen über Jahrzehnte hinweg ohne Rücksicht auf Verluste Wünsche realisiert haben, die nicht vernünftig durchfinanziert waren, und ausgesprochen nachlässig bei der Daseinsvorsorge handelten.

So gibt es beispielsweise wenig Rücklagen für schlechte Zeiten und kaum Begeisterung beim Aufbau von Rücklagen für Verpflichtungen aus der Altersversorgung. Billige Kassenkredite uferten aus, ein
Instrument, das eigentlich nur als Liquiditätshilfe gedacht war. Nicht, dass es im Lande an hervorragenden Beispielen fehlte, wie man andere Wege gehen kann. Herausragend ist die Stadt Düsseldorf, deren langjähriger Oberbürgermeister Joachim Erwin kommunales Eigentum privatisierte, die Erlöse in die Entschuldung steckte und einen Puffer für schlechte Zeiten aufbaute. Düsseldorf ist damit eine vorbildliche Großstadt und der inzwischen verstorbene Oberbürgermeister wurde dafür jahrelang heftig angefeindet. Aber auch kleinere Städte wie das ebenfalls rheinische Langenfeld haben ähnliche Wege beschritten und können daher die schlechten Zeiten mit Bravour meistern. Darüber hinaus sind Städte und Gemeinden, die ähnliche Wege gegangen sind für die Bürger attraktiver geworden und ziehen sowohl Wirtschaftsaktivitäten wie gut ausgebildete jüngere Menschen an.

Ganz offensichtlich sind die schwarzen Löcher im Lande nicht unbedingt unvermeidbare Schicksalsschläge, sondern der Verzicht auf eine klassische Finanzpolitik mit entsprechender Zurückhaltung in finanziell schlechten Zeiten und unbequemen Maßnahmen zur Vorsorge, wenn es denn besser geht. Eigentlich schwer erklärbar in einem Land, dessen Sparquote seit Jahren bei gut 12 Prozent liegt und dessen Bürger offenbar wissen, wie man sein Pulver trocken halten kann. Und dass wir in unserem Land der schwarzen Löcher weder national noch international Spielräume zum Versenken weiterer Milliarden haben, ist auch schon lange klar. Halten wir uns daran.
Uwe Hoch

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8 Antworten zu Im Land der schwarzen Löcher

  1. ul-d sagt:

    Siehe oben: „So brach bei der Verabschiedung des aktuellen Bundeshaushaltes Begeisterung aus, weil nur 80 Milliarden Euro Schulden gemacht wurden und nicht, wie vorher erwartet, gar 85 Milliarden Euro.“

    BNN am 4. Juni 2010: „Offenbar weniger Schulden als geplant“

    „Statt der bisher geplanten gut 80 Milliarden Euro könnten es nun 70 Milliarden oder gar weniger werden, bestätigten Koalitionskreise am Donnerstag in Berlin. Entlastung brachten auch die mehr als 4 Milliarden Euro aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen.“

    Dazu fällt mir folgendes ein:

    Planung bedeutet, den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.

  2. n.-K. sagt:

    An Frz. am 13. Mai, 2010

    Wir müssen sparen, wo es geht – egal, was es kostet! 🙁

  3. pp sagt:

    Die Zentralbanken drucken viel Geld, um das derzeitige Finanzsystem aufrecht zu erhalten.
    Ein Zurück aus der jetzigen Politik gibt es wohl nicht mehr. Deshalb wird es wohl zur Inflation kommen. Denn der Schuldendienst ist ja bei andauernd steigenden Verbindlichkeiten sonst gar nicht mehr möglich.
    Die Kosten einer Inflation beschränken sich nicht nur auf reale Vermögensverluste für die große Schar der Sparer. Und gewollt (rein zufällig) trifft es wieder einmal die sogenannten kleinen Leute.
    Wie Sie und mich!

  4. rd sagt:

    Deutschland hat bisher die EU-Politik maßgeblich beeinflusst und trägt allein schon deshalb ein besonderes Maß an Verantwortung für die EU-Misere.

  5. S. sagt:

    Die politisch erfundene europäische Gemeinschaftswährung Euro = Ein Milliardengrab

  6. Frz. sagt:

    Jeden Tag liest man Lippenbekenntnisse zum nationalen rigorosen Sparen. Die immer gleichen Finanz-Akteure werden dazu auf Fotos abgebildet.

    Dabei bleibt es.

    Nebelkerzen (Ratlosigkeit) in der deutschen, europäischen sowie Welt-Finanzpolitik.

  7. Quid. sagt:

    Keiner im Land blickt durch die Zahlen, die er öffentlich macht und dazu noch völlig überflüssigerweise kommentiert.

  8. fr.ga. sagt:

    Unser Staat mit seinen Finanzen ist zur black box mutiert.
    Niemand kann sagen, was tatsächlich drin ist und was ebenso rein kommt.
    Nur was raus kommt, das überrascht meist ungemein.

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