Vertrauen in die Parteipolitik sinkt, Volksbegehren nehmen zu

Mehr Demokratie legt Volksbegehrensbericht 2009 vor
Während Spenden- und Sponsoring-Skandale die Parteipolitik erschüttern, entwickelt sich die Direkte Demokratie auf Landesebene langsam aber stetig. Das ergab der Volksbegehrensbericht 2009 des Vereins Mehr Demokratie. 35 direktdemokratische Verfahren liefen demnach im vergangenen Jahr in den deutschen Bundesländern. Beliebte Themen waren Bildung und Kultur (27 Prozent), Demokratie und Innenpolitik (27 Prozent) sowie Soziales (18 Prozent).
Zwar gab es 2009 mit elf neuen Verfahren weniger Neustarts als 2008 (16). Dafür erreichten aber acht Verfahren die zweite Stufe der Unterschriftensammlung – so viele wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Eines der Begehren, Pro Reli in Berlin, kam zum Volksentscheid und wurde von einer knappen Mehrheit abgelehnt.

Dass 2009 so viele Volksbegehren in die zweite Stufe kamen, sei eine Folge der Boom-Jahre 2007 und 2008, so die Mehr Demokratie-Vorstandssprecher Michael Efler und Daniel Schily auf einer Pressekonferenz in Berlin. „Beispiele wie das nach langem Ringen erfolgreiche Hamburger Wahlrechts-Volksbegehren zeigen deutlich, dass die Mühlen der Direkten Demokratie langsam aber zuverlässig mahlen“, erklärt Schily.

Hat es ein Volksbegehren erstmal bis zum Volksentscheid geschafft, liegen die Erfolgschancen für die Initiative etwa bei 53 Prozent. Doch zwei Drittel der von Bürgern angestoßenen Verfahren scheitern noch immer vor der Abstimmung. In zehn Bundesländern hat bisher noch kein einziger Volksentscheid stattgefunden. „Ausschlaggebend ist nicht nur die Zahl der erforderlichen Unterschriften, sondern auch die Eintragungsbedingungen und die Sammelfristen“, erläutert Efler.

So ist etwa Brandenburg mit einer neuen Initiative alle 0,6 Jahre neben Hamburg Spitzenreiter, was die Einleitung neuer Verfahren angeht. Doch während im Hamburg schon zwölf Volksbegehren in die zweite Stufe kamen und fünf Volksentscheide stattfanden, schaffte es in Brandenburg keines der acht Begehren über die zweite Hürde. Ganz hinten auf der Liste der Bürgerfreundlichkeit stehen weiterhin Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und das Saarland, wo seltener als alle 60 Jahre ein Volksbegehren in die zweite Stufe kommt. „Wir sind deshalb besonders gespannt, ob die neue Jamaika-Koalition im Saarland ihre im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechen umsetzt und tatsächlich die Hürden senkt und finanzwirksame Volksbegehren zulässt“, so Efler.

Wenn es Initiativen gelingt, auch die zweite Unterschriften-Hürde zu überwinden, werden sie kontrovers diskutiert und versetzen die Parteipolitik nicht selten in Aufregung. „Das Nichtraucher-Volksbegehren in Bayern und das Begehren gegen die Schulreform im Hamburg zeigen, wie unterschiedlich der Umgang der Politiker mit Volksbegehren ist“, sagt Efler. In Hamburg, wo alle 1,2 Jahre ein Volksbegehren in die zweite Stufe kommt, haben die Parteien gerade einen Kompromiss geschmiedet, um den Volksentscheid zur Schulreform noch abwenden zu können. In Bayern – mit einem Volksbegehren alle 3,6 Jahre ebenfalls in der Spitzengruppe – sieht die Regierung dem Rauchverbots-Volksentscheid indessen gelassen entgegen.

Insgesamt bewertet Mehr Demokratie die Entwicklung auf Landesebene vorsichtig positiv. „Die Richtung stimmt, aber an den Fahrzeugen muss in manchen Bundesländern noch gründlich geschraubt und modernisiert werden“, fasst Schily zusammen. Dringenden Reformbedarf sieht der Verein in NRW, wo heute (11. März) die Kampagne „Mehr Demokratie für NRW“ zur Stärkung des Bürgereinflusses startet.
Volksbegehrensbericht 2009 als PDF und Zusammenfassung:

http://www.mehr-demokratie.de/presse-hintergrund.html

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