Kommunen wollen Bürger stärker zur Kasse bitten

Krippenbesuch soll 50 Euro mehr im Monat kosten
„Wir müssen ausbaden, was die Politik in Berlin verzapft“
Von unserer Mitarbeiterin Julia Giertz
Karlsruhe/Bühl/Achern. Steuerentlastungen und Wirtschaftslage zwingen Städte und Gemeinden auch im Südwesten dazu, ihre Bürger zur Kasse zu bitten. Die Menschen müssen mancherorts mit kühleren Bäder-Temperaturen vorlieb nehmen, ihre Bücher im Bücherbus statt in Bibliotheken ausleihen und in Seitenstraßen ohne Beleuchtung auskommen, ergab eine Umfrage. Calws Oberbürgermeister Manfred Dunst bringt die Stimmung in vielen Rathäusern auf den Punkt: „Wir müssen das ausbaden, was die Politik in Berlin verzapft hat.“ Dagegen meint Bühls Oberbürgermeister Hans Striebel: „Das Anspruchsdenken in Bühl war sehr hoch. Da hilft die Krise vielen von uns, auf den Boden zurückzukommen und umzudenken.“ Angesichts der Finanzlöcher drehen die Kommunen an verschiedenen Stellschrauben:

STEUERN: In Stuttgart steigen die Grundsteuern auf 520 Punkte. Die Anhebung um 30 Prozent soll rund 32 Millionen Euro im Jahr bringen. Auch in Achern ist die Erhöhung der Grundsteuer ein Thema. Oberbürgermeister Klaus Muttach beziffert den Ertrag aus der Erhöhung um nur einen Prozentpunkt auf 100 000 Euro. „Es ist vielleicht an der Zeit, endlich zu begreifen, dass Investitionen und Steuersenkungen letztlich doch vom Bürger bezahlt werden“, fügt er hinzu. In Karlsruhe sollen Hunde- und Vergnügungssteuern angehoben werden.

BILDUNG UND KINDERBETREUUNG: Die Landeshauptstadt mit ihrem Anspruch, kinderfreundlichste Großstadt Deutschlands zu sein, macht vor Kindergärten und Familien nicht Halt. Normalverdiener müssen künftig 73 Cent, zehn Cent mehr als bisher, für eine Stunde Kinderbetreuung berappen. Inhaber der Familiencard, deren Besitz an ein geringes bis mittleres Einkommen gekoppelt ist, bezahlen fünf Cent pro Stunde mehr. Richtig tief in die Tasche greifen müssen Eltern von Kleinkindern. Der Krippenbesuch kostet 50 Euro mehr – im Monat. Das Mittagessen in den städtischen Einrichtungen verteuert sich von 3,00 Euro auf 3,25 Euro.

VERKÄUFE: Mannheim will Grundstücke verkaufen; Schwäbisch Hall Immobilien veräußern und Rücklagen auflösen, um dem Haushalt acht Millionen Euro zuzuführen.

BÄDER: Mannheim will in den Freibädern in der Übergangssaison die Heizung herunterdrehen.

KULTURFÖRDERUNG: Stuttgart verspricht sich von Einschnitten in diesem Bereich 1,2 Millionen Euro Ersparnis; darunter fallen die Schließung der Mediathek im Treffpunkt Rotebühlplatz, einer Präsenzbibliothek zum Thema Neue Medien, und die Schließung der Rathausbücherei. In Ludwigsburg soll eine Zweigstelle der Bibliothek durch eine Haltestelle des Bücherbusses ersetzt werden.

NEUE STRUKTUREN: Für Schwäbisch Halls Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim sind alle Einsparbemühungen ein Tropfen auf den heißen Stein. Einziger Ausweg aus der Misere sei die Auflösung und Zusammenlegung von Gemeinden, findet er. Auch die Karlsruher Finanzbürgermeisterin Margret Mergen hält Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen für sinnvoll. So habe Karlsruhe bereits Gespräche mit Nachbarkommunen über Stadtwerke, Rettungsdienste, Wohnungsgesellschaften und den Nahverkehr geführt.

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5 Antworten zu Kommunen wollen Bürger stärker zur Kasse bitten

  1. /tilg.-/ sagt:

    In Mode gekommen sind die Kassenkredite, die bereits für 1 Prozent zu haben sind, obwohl sie eigentlich nur als kurzfristige Überbrückungskredite beansprucht werden sollen.

    Nur, wenn die Bundesbank die Zinsen erhöht, dann gehen diejenigten Kommunen in die Zwangsverwaltung, welche sich über diese Kreditart längerfristig verschuldet haben.

  2. Sad./-sch. sagt:

    Neue Kredite mit Zins- und Tilgungslasten für die Steuerzahler gehen ja mit höheren Einnahmen Hand in Hand einher!

  3. schrb- sagt:

    Unabhängig von den unzähligen sowie unnötigen Kommunalkrediten in der Krise und Nichtkrise mit dem einzigen Zweck, freiwillige Aufgaben zu finanzieren.
    Um dann dafür die Steuerzahler mit Zins- und Tilgungslasten zu beglücken!

  4. peter S. sagt:

    Intelligent sparen, d.h. weniger ausgeben, soll man man nicht erst in der Krise.
    Völlig unangebracht ist es, in der Krise Einnahmen zu erhöhen, um mehr ausgeben zu können.

  5. mm sagt:

    würde die derzeitige „Krise“ tatsächlich dazu führen, dass die Bürger/Innen begriffen, „dass Investitionen und Steuersenkungen letztlich doch vom Bürger bezahlt werden“, wäre das doch schon ein gewaltiger Schritt nach vorne und die Krise wert?!

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