Leserbrief: Sie werden die Verlierer bleiben

Zu den neuen Werkrealschulen:
Alle paar Tage die gleiche Meldung aus den umliegenden Gemeinden: Die neue Werkrealschule, eine massive Fehlentscheidung der baden-württembergischen Bildungspolitik, wird einfach durchgewinkt. Auffällig ist die Abwesenheit jeglicher kritischer Auseinandersetzung mit diesem Unsinn.
Klar, die Bürgermeister wollen ihre Schulstandorte erhalten, die Rektoren ihre Posten. Von den meisten Gemeinderäten wird man keine überlegten bildungspolitischen Meinungen erwarten können. Was aber erstaunt, ist, dass selbst von den in den Räten vertretenen Lehrern oder Lehrerinnen keine Stimme zu hören ist.

Die Werkrealschule ist der letzte verzweifelte Versuch der baden-württembergischen Landesregierung, das ideologisch begründete dreigliedrige Schulsystem und die zu einem langsamen Ableben verurteilte Hauptschule irgendwie zu retten.

Obwohl sich Absolventen der Werkrealschule mit dem mittleren Bildungsabschluss schmücken dürfen wie Realschüler, werden sie – wie bisher schon – im Vergleich mit mit ihren gleichaltrigen Kollegen weiterhin die Verlierer bleiben, auf dem Ausbildungsmarkt oder beim Übergang auf weiterführende Schulen.
Es ist kaum zu sehen, wie eine nur organisatorisch umgestaltete Hauptschule inhaltlich eine andere, qualitativ bessere Schule werden soll. Zwei Tage Unterricht während der 10. Klasse in einer Berufsbildenden Schule sind ein Krampf, der pädagogisch nicht zu begründen und als Trostpflaster für die Berufsschulen gedacht ist, denen die zweijährige Berufsfachschule wegzubrechen droht. Kinder und Jugendliche brauchen feste Bezugspersonen und vertraute Lernumgebungen, keinen Pendelverkehr zwischen den Schulen.

Die Handwerkskammer Baden-Württemberg kritisierte schon 2008 die Landesregierung für ihren fehlenden Mut, die Bildungsstruktur grundlegend zu reformieren. Von der pädagogischen Diskussion über längeres gemeinsames Lernen in einer neuen Sekundarschule oder Mittelschule scheint in der Provinz noch nichts angekommen zu sein. Immerhin ist in Knittlingen eine enge Kooperation zwischen Werkrealschule und Realschule angedacht. Bravo!

Das Holpern und Stolpern unserer Bildungspolitiker ohne richtungweisende Zukunftskonzepte ist nun erst einmal von den Bürgermeistern und Gemeinderäten abgesegnet worden. Ich bin sicher: das Thema wird in wenigen Jahren wieder auf die Tagesordnung kommen. Dann wird die umetikettierte Hauptschule namens Werkrealschule endgültig zu Grabe getragen.

Gerhard Junge-Lampart Otto-Hahn-Straße 22 Bretten

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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