Schrumpfkur im Land

RAINER HAENDLE
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Baden-Württemberg muss sich in den kommenden Jahrzehnten auf eine erhebliche Schrumpfkur einstellen. 1,6 Millionen – oder in Zahlen: 1 600 000 Einwohner wird das Land verlieren, wenn die Vorausrechnungen der Statistiker stimmen. Natürlich kann in den nächsten 50 Jahren noch viel passieren, was Auswirkungen auf die Prognose haben könnte. Doch der Trend ist klar. Der Südwesten muss sich auf immer weniger und immer älterere Menschen einstellen. Kein Problem, könnte man meinen, verwandeln wir einfach Schulen in Altersheime. Doch so einfach ist der demografische Wandel nicht in den Griff zu bekommen.

Beim Abspecken wird es Gewinner und Verlierer geben. Dies zeigt das Beispiel der neuen Bundesländer, wo die Erosion bei der Bevölkerung schon längst in vollem Gang ist. Randlagen verlieren dort überdurchschnittlich, attraktive Städte dagegen können ihre Position zumindest behaupten. Ähnlich könnte die Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten auch in Baden-Württemberg aussehen.

Da die Gesellschaft zunehmend mobiler geworden ist, werden sich ältere Menschen für ihr letztes Lebensdrittel Wohnorte mit einer guten Versorgung aussuchen. Das beginnt beim medizinischen Angebot und geht über den Einzelhandel bis hin zu kulturellen Aktivitäten und Freizeiteinrichtungen. Die Kommunen müssen sich deshalb wieder intensiver um ihre oft schon halb verödeten Innenstädte kümmern, wollen sie nicht zu den großen Verlierern des demografischen Wandels zählen.

Die Senioren der Zukunft werden wählerischer. Schon heute ist zu beobachten, dass der Trend zum Wohnen auf dem Land gestoppt ist. Zurück in die Stadt heißt die Devise. Freilich nur in solche Innenstädte, die ihren Namen auch verdienen. In denen man ein attraktives Lebensmittelangebot, Kinos, ein Theater, Cafés, Restaurants und einen Stadtbahnanschluss findet.

Die Kommunalparlamente müssen schon heute die Weichen für die Schrumpfkur stellen. Wer in dem zunehmenden Wettbewerb um die Einwohner nicht mithalten kann, muss seine Infrastruktur zurückfahren. Weil dies nicht freiwillig geschehen wird, darf das Land seine Zuschüsse nicht mehr mit der Gießkanne verteilen, sondern muss Prioritäten setzen.

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Eine Antwort zu Schrumpfkur im Land

  1. mm sagt:

    die Weichen werden in Bretten allerdings in die gegensätzliche Richtung gestellt: immer noch werden Baugebiete außerhalb der Kernstadt ausgewiesen. Wer küßt diesen Gemeinderat wach, der „Neue“?

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