Mächtige und Ohnmächtige

RUDI WAIS
Im chronisch kranken deutschen Gesundheitssystem sind die, die es sich leisten können, schon lange im Vorteil. Die geplante Impfkampagne gegen die Schweinegrippe allerdings führt nun zu einer neuen, besonders grotesken Variante der Zwei-Klassen-Medizin: Hier unterscheidet die Politik nicht mehr zwischen gesetzlich Versicherten und Privatpatienten, sondern zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen. Im Klartext: Die Kanzlerin, ihr Kabinett, die Soldaten der Bundeswehr und viele Beamte von nachgeordneten Bundesbehörden erhalten einen leicht verträglichen Impfstoff, der Rest der Republik dagegen wird mit Serum geimpft, zu dessen möglichen Nebenwirkungen unter anderem Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit gehören.

Kinder- und Frauenärzte rebellieren nicht ohne Grund: Die 50 Millionen Dosen des Impfstoffes Pandemrix, die in den nächsten Tagen an Arztpraxen und Gesundheitsämter ausgeliefert werden, enthalten einen Zusatzstoff, der das Immunsystem besonders anstachelt, der aber zumindest bei Schwangeren und Kleinkindern auch zu gefährlichen Überreaktionen führen kann. Ob die Bundesregierung dies nicht gewusst oder nur fahrlässig ignoriert hat, als ihre Bestellung beim amerikanischen Konzern GlaxoSmithKline (GSK) in Auftrag gab, ist unklar. Dass Ministerialbeamte nun in Frankreich und den USA hektisch nach einem Impfstoff ohne Wirkverstärker für werdende Mütter fahnden, spricht allerdings Bände: Sind die Große Koalition und ihr Paul-Ehrlich-Institut der Pharmaindustrie möglicherweise leichtfertig auf den Leim gegangen?

Mehr als 600 Millionen Euro kostet die größte Massenimpfung in der Geschichte der Republik, ihr medizinischer Nutzen aber ist jetzt schon zweifelhaft. Je mehr Ärzte ihren Patienten von der Impfung mit Pandemrix abraten, umso sinnloser wird die gesamte Aktion. Auch politisch könnte sie noch die eine oder andere schmerzhafte Nebenwirkung haben – wenn, zum Beispiel, ein Untersuchungsausschuss der Frage nachgehen würde, warum Bundespolitiker und Bundesbeamte bevorzugt behandelt werden. Dazu müsste die SPD jedoch über ihren eigenen Schatten springen – schließlich ist ihre scheidende Gesundheitsministerin für das Durcheinander mit verantwortlich.

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4 Antworten zu Mächtige und Ohnmächtige

  1. cl. sagt:

    Welches System im Land ist denn nicht chronisch krank? 🙁

  2. Un. sagt:

    Die fahren alle in der Medizin nur zweiter Klasse.

  3. /ors sagt:

    Nur deshalb haben wir bei uns ja so viele „Ohnmächtige“.

  4. Siegb. Querf. sagt:

    Haben diese „Mächtigen“ irgendwann einmal irgendetwas richtig gemacht?

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