Bürger sind zu anspruchsvoll

Stuttgart – Steigende Rentenbeiträge? Höheres Kindergeld? Kostenlose Schulbücher? Angesichts leerer Kassen und Rekordschulden fordern Kommunen die Bürger dazu auf, weniger Ansprüche zu stellen.
„Das Bewusstsein, dass der Staat nur das Geld verteilen kann, das er zuvor von den Bürgern erhalten hat, ist vollständig verkümmert“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Auf dem Kommunalforum des Sparkassenverbandes in Baden-Baden moniert auch der baden-württembergische Gemeindetag die Haltung von Parteien und Gesellschaft: „Den Menschen muss klargemacht werden, dass ein Rundum-Sorglos-Paket wie einst nicht mehr angeboten werden kann“, sagte Präsident Roger Kehle am Dienstag.

Die Lage sei „dramatisch“, so Landsberg vor Hunderten von Landes- und Kommunalpolitikern. Bei vielen Städten seien die Einnahmen um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Die meisten Ausgaben seien aber nach wie vor gesetzlich vorgeschrieben. „Dennoch ist der Eindruck entstanden, der Staat könne alles und immer mehr leisten.“ Notwendig sei ein Mentalitätswechsel, der eine ganze Generation dauern werde und schmerzhaft sei. „Wir reden im Moment nur über Geld, das nicht da ist“, sagt Kehle.

„Wir müssen deshalb den Menschen genau sagen, was für Konsequenzen ihre Forderungen haben werden.“ Werde gesagt, was es Neues gebe, müsse auch mitgeteilt werden, was deshalb künftig nicht mehr angeboten werden könne. Als Beispiel nennt Kehle die umstrittene Finanzierung des sogenannten Orientierungsplans, der die Sprachkompetenz und Schulfähigkeit von Kindern verbessern soll.

Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) rief die Kommunen auf, im Kampf gegen die Schuldenflut einen Pakt mit dem Land zu schmieden. Zentrales Thema der Kooperation müsse die Bildung sein. Er forderte von den Kommunalpolitikern allerdings auch ein stärkeres Entgegenkommen. „Auch sie haben die Aufgabe zu prüfen, was machbar ist und was nicht.“

Martin Oversohl, Josef Schunder

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18 Antworten zu Bürger sind zu anspruchsvoll

  1. Ull.Mü. sagt:

    Diese Redner in Baden-Baden haben es versäumt, sich vorher – wegen der Renten – bei Herrn Blüm (CDU) kundig zu machen.

    Der garantierte 1986: „Die Renten sind sicher!“

    Selten hat ein politischer Satz so an Glaubwürdigkeit verloren wie diese Äußerung des damaligen Arbeits- und Sozialministers.

  2. (Geknif.) sagt:

    „Steigende Rentenbeiträge?“… Gemeint sind wohl eher Rentenbeträge!

    Den Rentnern drohen Einbußen.

    Drohende Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge und höhere Ausgaben für die Pflege unterlaufen die Aussage, es bleibt alles beim alten. Sie führen faktisch zu Rentenkürzungen.

    Im Gesundheitsbereich sind Leistungsbeschränkungen zu befürchten. Und im Fall von Steuersenkungen gibt es notwendige Gegenfinanzierungsmöglichkeiten nur durch eine Erhöhung von Verbrauchssteuern, vorzugsweise eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

    Die Rentner wären dabei wieder die stark Mitbetroffenen.

  3. -zell. sagt:

    Vor nicht allzu langer Zeit gab es eine Erhöhung des Kindergeldes. Das war gut so!

    Kindergeld hat den Zweck, die Kosten der Kindererziehung zu vergesellschaften. Das ist auch richtig, weil Kinder den Lebensstandard gegenüber Kinderlosen in materieller Hinsicht deutlich senken.

    Wenn Familien mit dem Kindergeld Urlaub, Kredittilgung oder Konsum finanzieren, dient das unmittelbar dem Wohl der Kinder. Denn es handelt sich hierbei um das Familieneinkommen.

    Und nicht um konkrete Geldzuweisung an den Nachwuchs in Form von Taschengeld oder Kindergartenbeiträgen.

    Es scheint, die Spruchbeutel des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie des baden-württembergischen Gemeindetages wollten diesen Zweck medienwirksam ausblenden.

  4. E/A sagt:

    …Höheres Kindergeld?… Angesichts leerer Kassen und Rekordschulden fordern die Kommunen die Bürger dazu auf, weniger Ansprüche zu stellen.“

    Je mehr Geld ein Haushalt zur Verfügung hat, desto mehr profitieren auch dessen Bewohner.

    Da ist es egal, ob die Zahlung als Kindergeld, Einkommen, Rente, Arbeitslosengeld oder etwa Elterngeld bezeichnet wird.

    Letzteres kommt ja auch nicht nur den Eltern zugute, sondern ersetzt das vorherige Einkommen und kommt damit auch den Kindern zugute.

    Von Kindergeld allein können Kinder schließlich nicht existieren.

    Was diese „Vordenker“ wollen, entlarvt sie. Sie wollen keine Antragsteller mit Rechtsanspruch, sondern nur reine Bittsteller ohne Rechtsanspruch mit der zwangsläufigen Folge von reinen Ablehnungsbescheiden.

  5. ulf. sagt:

    „Die zu anspruchsvollen Bürger“

    Hinweis für die beiden Sprücheklopfer:

    Private = Bürgerinnen und Bürger in Deutschland

    sowie der deutsche Staat werden durch die

    Finanzkrise über Gebühr belastet!

  6. spezi sagt:

    Wie verrückt sind wir denn geworden, wenn wir die Politiker fürstlich bezahlen und uns genau das Gegenteil vom glücklichen Leben aufzwingen lassen?!

  7. Hub.Gr. sagt:

    Diese Sprücheklopfer haben doch jedweden Bezug zur Realität verloren!

  8. edd. sagt:

    Zu den Rednern Kehle und Landsberg

    480 000 000 000 = 480 Milliarden Euro hat die Bundesregierung an die Soffin = Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, den Rettungsanker der deutschen Banken, vor einem Jahr überwiesen.

    Und Frau Schavan (CDU) verkündet lauthals, demnächst werde mehr Geld für die Bildung ausgegeben = Mehrkosten von 26 Mrd. €!

    Was für ein Hohn!

  9. M.Kunst.- sagt:

    Angaben des Steuerzahlerbundes am 15.09.2009

    Geschätzte Fehlleitung öffentlicher Mittel in 2009
    mehr als 30 Mrd. € = Spitzenwert

    Verluste nach hohen Zuschüssen
    an die Landesbanken
    an die staatliche Förderbank KfW
    an die Mittelstandsbank IKB

    Verluste nach Kauf der Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE)
    Sie hat einem Gutachten zufolge einen Marktwert von Null.

  10. S. sagt:

    Dank an RL für die Hitparade von heute!

  11. RL sagt:

    “Den Menschen muss klargemacht werden, dass ein Rundum-Sorglos-Paket wie einst nicht mehr angeboten werden kann”

    Warum bekommen die Menschen nicht Ihr Wunschkonzert? Schließlich wurden die „Entscheider“ dafür von den Menschen gewählt?

    Erst mal gewählt vergessen das aber viele Entscheider und stimmen ihr ganz persönliches Wunschkonzert an (meistens an den Menschen vorbei… Hier kann man sich die Hitparade durchlesen:

    schwarzbuch09.steuerzahler.de

  12. Ka. My. sagt:

    @ -p-w- am 14. Oktober 2009

    Im Cross-Border-Leasing entstand ein Verlust von 4,7 Millionen Euro bei der Bodenseewasserversorgung – zu tragen von der Allgemeinheit.

    Bei der Landeswasserversorgung betrug der Verlust 8,4 Millionen Euro – zu tragen von der Kundschaft.

    Waren diese Verluste ein Thema für die Herren Landsberg und Kehle, um ähnliche Sprüche zu klopfen wie:

    „Bürger sind zu anspruchsvoll“

  13. g-/-f sagt:

    Wenn ich mich mal wieder so richtig freuen wollte, dann sah ich mir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen an:

    Den Grand Prix der Volksmusik
    Die Schlagerparade der Volksmusik
    Das Frühlingsfest der Volksmusik

    Diese Volksveranstaltungen haben einen weitaus höheren Unterhaltungswert als die fadenscheinige Erkenntnis zweier Vortragender, die Bürger seien zu anspruchsvoll.

  14. ell.ga. sagt:

    Die Sofort-Hilfe für die finanziell gebeutelten Gemeinden wegen ihrer zu anspruchsvollen Bürger kann die Landesbank (LBBW) leisten.

    Wieso?

    Weil die LBBW aus ihrem Koma von eben den zu anspruchsvollen Steuerzahlern wieder zum Leben erweckt wurde!

  15. b.z. sagt:

    Das wissen die Großredner Kehle und Landsberg ganz bestimmt:

    Die deutschen Politiker haben den deutschen Banken

    – allen voran der fast pleite gewesenen Landesbank Baden-Württemberg –

    den Turbokapitalismus doch erst ermöglicht.

    Die Abhängigkeiten zwischen Banken, Wirtschaft und Politik sind dermaßen eng, dass das Wort Filz eine reine Schmeichelei bezeichnen würde.

  16. Mx.-L. sagt:

    „Die Lage sei „dramatisch“, so Landsberg vor Hunderten von Landes- und Kommunalpolitikern.“

    Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

    Die Bürgerinnen und Bürger als Steuerzahler haben unfähige Landes- und Kommunalpolitiker zu tadeln und nicht umgekehrt.

  17. tx sagt:

    Die zu anspruchsvollen Bürger alimentieren weiterhin die Nichtverhinderer der Finanzkrise.

  18. -p-w- sagt:

    „Den Menschen muss klargemachtt werden, dass ein Rundum-Sorglos-Paket wie einst nicht mehr angeboten werden kann“, sagte Präsident Roger Kehle am Dienstag.

    Ich lese wohl nicht richtig.

    Milliarden-Verluste 2008/2009 in der LBBW, Spekulationsverluste in Städten und Gemeinden, finanzielle Reinfälle im Cross Border Leasing bei öffentlichen baden-württembergischen Wasserversorgern.

    Dann noch die Erwägung einer Klage des Landes, um die Prüfung für die Verwendung von Bundeszuschüssen an das Land Baden-Württemberg durch den Bundesrechnungshof zu verhindern und dafür den Landesrechnungshof einzusetzen.

    Etc.

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