Kämmerer lehnen Risikogeschäfte ab

Banken werben bei Kommunen offensiv für risikoreiche Zinsgeschäfte und stoßen dabei meist auf Ablehnung
Pforzheim hat sich mit hoch riskanten Papieren der Deutschen Bank verzockt. Die Großbank hat auch bei weiteren Städten und Gemeinden in der Region für ihr Produkt geworben – offenbar ohne großen Erfolg.
Von Maik Disselhoff
Enzkreis. „Uns ist von der Deutschen Bank das gleiche Geschäft wie Pforzheim angeboten worden“, erinnert sich der Maulbronner Stadtkämmerer Frank Burghardt. „Wir haben das aber abgelehnt, weil eine Zinswette eine spekulative Komponente enthält.“ In der Gemeindeordnung sei festgeschrieben, dass das Geld einer Kommune „sicher und ertragbringend“ angelegt werden solle, so Burghardt. „Von daher kann ich solche risikobehafteten Geldgeschäfte gar nicht machen.“

Kleine Städte und Gemeinden hätten ohnehin nicht die Möglichkeit, sich in die Feinheiten von Derivat-Geschäften hineinzuarbeiten. „Wir bedienen uns des Sachverstands unserer Hausbank“, sagt Burghardt und macht deutlich, dass kleinere Kommunen mit dem Rat von regional verankerten Banken gut fahren würden. „Die kennen uns und sprechen eine verständliche Sprache.“ Dies sei bei Großbanken anders. Allerdings könne man von Städten in der Größenordnung Pforzheims, die über Fachabteilungen im Bereich Finanzen verfügten, erwarten, dass dort der Sachverstand auch für risikoreiche Geldanlageformen vorhanden sei. Im Klartext: Pforzheim hätte eigentlich wissen müssen, wie gefährlich Zinsspekulationen sein können.

Zwar sollten die Steuergelder „sicher und ertragreich“ angelegt werden, doch es gebe eine rechtliche Grauzone, was die Definition des Risikos betreffe. „Noch vor zehn Jahren war es im Gegensatz zu heute nicht möglich, dass eine Kommune Teile des Geldvermögens in Aktien anlegt“, erläutert Burghardt. Und vor fünf Jahren sei der europäische Handelsraum beim Aktienerwerb tabu gewesen. Heute gelten andere Regeln. Doch gerade angesichts der Angebotsvielfalt im Finanzdschungel rät Burghardt: „Entweder ich hole mir einen Gutachter, oder ich lasse die Finger von solchen Produkten.“

„Wir haben kein Geld, das wir anlegen können“, sagt Reinhard Gerst, Kämmerer in Mühlacker. Dennoch sei es in der jüngsten Zeit vorgekommen, dass Banken – darunter auch die Deutsche Bank – auf die Stadt zugekommen seien. Gerst: „Ich bin Zinsgeschäfte nie eingegangen.“ Sie seien viel zu risikoreich. Allerdings könne man der Pforzheimer Kämmerin nicht allein die Schuld an der Misere in der Goldstadt zuschreiben. „Das Geschäft hat sie schließlich nicht alleine veranlasst, sondern es wurde mit dem Gemeinderat beschlossen.“

„Eine Wette auf die Zinsentwicklung ist nicht statthaft“
Johannes Schulz, Ötisheimer Kämmerer Gerst macht darauf aufmerksam, dass es in Boom-Zeiten einen öffentlichen Druck auf die Kämmereien gebe, von neuartigen Produkten zu profitieren. Motto: Das kann sich die Stadt doch nicht entgehen lassen.
„In Ötisheim steckt das Geldvermögen der Gemeinde in einem Spezialfonds bei der BW-Bank“, erklärt Kämmerer Johannes Schulz. „Über 90 Prozent des Geldes im Fonds ist in festverzinsliche Wertpapiere angelegt.“ Das Risiko sei gering. „Mehr darf auch nicht sein. Eine Wette auf die Zinsentwicklung wie in Pforzheim ist aus meiner Sicht auch nicht statthaft.“ Als Ötisheim durch den Verkauf von EVS-Aktien im Jahr 2003 zu Geld kam, hat sich die Verwaltung einen Berater an die Seite geholt, um eine vernünftige Anlageform zu finden. Gegen Geschäfte mit Derivaten war Ötisheim jedoch ohnehin gewappnet. Kämmerer Schulz dazu: „Das würde ich nicht mal privat machen.“

Der Finanzdezernent des Enzkreises, Frank Stephan, betont, dass der Kreis nicht viel Geld zum Anlegen habe. „Unsere Darlehen sind klassisch finanziert.“ Der Enzkreis habe zwar ein sogenanntes Zins-Cap mit der LBBW abgeschlossen, dabei könne der Darlehens-Zins jedoch nur zwischen 3,5 bis 6,5 Prozent schwanken. „Das ist nicht riskant.“ Immer wieder landen auch im Landratsamt Angebote von Banken. „Auch die Deutsche Bank hat bei uns angefragt“, so Stephan. „Wir haben abgelehnt, wir machen keine Zinsgeschäfte.“

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14 Antworten zu Kämmerer lehnen Risikogeschäfte ab

  1. A.-By. sagt:

    Geradezu abenteuerlich und daher spektakulär, wie die Stadt Pforzheim mit ihr anvertrautem öffentlichen Geld umgegangen ist.

    Und das ohne jedes Schuldbewusstsein.

  2. Chr./Leh. sagt:

    Stadtkämmerei-Leiterin in Pforzheim Susanne Weishaar

    hätte sich als Kümmerer zur Stadtverwaltungs-Führung sowie zum Gemeinderat kümmern müssen.

    Mit fachbezogenem Kümmern (Risiko-Aufklärung aller Beteiligten) in der Sache wäre dieser finanzielle Flop (Misserfolg) nicht geschehen.

  3. hjb sagt:

    Rat für wetteifrige Kämmerer und Gemeinderäte

    Bereits beim Denken ans Vermögen (Vermögenshaushalt)

    leidet oft das Denkvermögen! 🙂

  4. tors. sagt:

    @ mm

    Indeligänzkwozient bestätigt?

  5. mm sagt:

    ja was wohl, lieber -Schm. Bei uns ist alles ok, wir haben ja den Doppelhaushalt 2009/2010 und der schützt uns vor allen Überraschungen. Denn was da drin steht hat der große Visionär vorhergesehen und basta!
    Sie finden das total daneben? Eben!!

  6. -Schm. sagt:

    Gemeint ist natürlich die Sache in Pforzheim!

    Denn die Brettener Sache – Finanzaffäre Koch – scheint von allen Beteiligten erledigt worden zu sein?

  7. -Schm. sagt:

    Ja – was sagt der Kollege Kämmerer Leonhardt in Bretten dazu?

    Ein Interview mit den Brettener Nachrichten ist von öffentlichem Interesse.

  8. -fc- sagt:

    „Das würde ich nicht mal privat machen.“

    Eine erfreuliche Aussage.
    Scheinbar heißt es bei vielen anderen: Privat nicht, aber mit dem Geld anderer und ohne jegliches Risiko für mich…

    Der Brettener Gemeinderat hat damals den Derivat-Geschäften ausdrücklich und pauschal zugestimmt.
    Siehe auch unter – Leserbrief : Finanzaffäre Koch — wie oft noch ?! v. 20.11.2002

  9. k-St. sagt:

    Sach- und fachgerechte einwandfreie Aussagen

    von den Kämmerern

    Burghardt, Maulbronn
    Gerst , Mühlacker
    Schulz, Ötisheim
    Stephan, Enzkreis

    Dank an Maik Disselhoff beim Mühlacker Tagblatt.

  10. d/s sagt:

    Finanzdezernent des Enzkreises Frank Stephan

    „Wir haben abgelehnt, wir machen keine Zinsgeschäfte.“

  11. IDR- sagt:

    Kämmerer Schulz Ötisheim:

    „Das würde ich nicht mal privat machen.“

  12. IDR- sagt:

    Kämmerer Reinhard Gerst in Mühlacker

    „Das Geschäft hat sie schließlich nicht alleine veranlasst, sondern es wurde mit dem Gemeinderat beschlossen.“

    Doch wohl auf ihren Vorschlag und auf den Beschlussvorschlag der(s) Vorsitzenden des Pforzheimer Gemeinderates hin?

  13. kutt. sagt:

    Stadtkämmerer Maulbronn: In der Gemeindeordnung sei festgeschrieben, dass das Geld einer Kommune „sicher und ertragbringend“ angelegt werden solle. Von daher kann ich solche risikobehafteten Geldgeschäfte gar nicht machen.

    Merksatz für die Kollegin bei der Stadt Pforzheim!

  14. a-s sagt:

    Die Kollegin in der Stadtverwaltung Pforzheim konnte vor dem Zinsgeschäft mit der Deutschen Bank ohne weiteres Meinungen ihrer Kollegen aus dem Kreisgebiet einholen?

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