Mühlacker vor dem Finanzkollaps

MÜHLACKER. So sieht die Finanzkrise aus: Während Deutsche Bank und Commerzbank in den zurückliegenden Monaten an der Börse ihre Aktienkurse in einer stattlichen Rallye verdrei- und vervierfacht haben, ächzen die öffentlichen Haushalte unter einer immensen Schuldenlast und kaum noch zu finanzierbaren Projekten. Ein Beispiel ist die Große Kreisstadt Mühlacker.
Von Peter Marx

Am Dienstagabend hat die Verwaltung einen Finanzzwischenbericht für 2009 und eine Vorschau auf den Haushalt für 2010 vorgelegt. Die Zahlen verheißen nichts Gutes für die Bürger und Steuerzahler der Senderstadt. Die Signale sind eindeutig. Die Gewerbesteuereinnahmen brechen massiv weg. Oberbürgermeister Arno Schütterle und Stadtkämmerer Reinhard Gerst räumen ein: „Zum 31. August betrug der Stand der Gewerbesteuerveranlagungen 4,8 Millionen Euro und lag damit rund 1,6 Millionen Euro unter dem Ansatz des Nachtragsplans.“

Die Verwaltung beabsichtigt, in den nächsten Wochen einen weiteren Nachtragshaushaltsplan aufzustellen. Und zwar schneller als ursprünglich geplant, nachdem seitens der Fraktionen auf einen Termin Mitte Oktober gedrängt worden war. Abgestimmt worden war über einen Antrag der CDU, der einhellig befürwortet wurde.

Kofinanziert werden müssen die Projekte des Bundes-Konjunkturprogrammes. Doch obwohl der Bund 75 Prozent Zuschüsse gibt, bleibt offen, ob die Stadt noch die Kofinanzierung schafft. Eine Art Machbarkeitsstudie soll darüber bis 29. September Aufschluss geben. Thomas Knapp (SPD) sagte, es wäre fatal, wenn die Maßnahmen des Konjunkturpakets entfallen würden. Viel schlimmer wird die Lage indessen im nächsten Jahr aussehen, denn Verpflichtungsermächtigungen aus dem Jahr 2009 wirken stark auf die Ausgaben für 2010 ein. Insgesamt fehlen für 2010 satte 5,4 Millionen Euro.

Schütterle am Dienstag auf PZ-Anfrage: „Ich informiere den Gemeinderat mit Mut und offenem Visier rechtzeitig. Fakt ist, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise nun in der Gemeindekasse angekommen ist.“ Die Halbierung des ursprünglichen Gewerbesteueransatzes für 2009 mache einen weiteren Nachtragshaushalt notwendig. Für 2010 gebe es bereits Verpflichtungsermächtigungen des Gemeinderats in Höhe von vier Millionen Euro. Zusammen mit den Unsicherheiten des neuen Jahressteuergesetzes ergebe das eine schwierige Ausgangslage, so das Fazit von Schütterle, der dafür plädierte, keine neuen Maßnahmen mehr anzupacken, aber die Projekte des Konjunkturprogrammes zu schultern. Die Stimmung im Gemeinderat war gedrückt.

Günter Bächle (CDU): „Wir fordern umgehend einen Nachtragshaushaltsplan. Die Verwaltung muss eine Prioritätenliste vorlegen.“ Rolf Leo (FW) sprach von einer „furchtbaren Situation“. Praktisch ruhe die Kommunalpolitik. Roland Peter (SPD) sagte, es komme noch schlimmer, denn Mühlacker leide unter einem Abwanderungsschwund und das führe zu geringeren Schlüsselzuweisungen: „Die doppelte Krise ist offensichtlich.“ Frank Schneider (FDP) forderte, handlungsfähig zu bleiben, aber „eigentlich ist es bereits 20 nach 12“. Ulrike Fuchs (LMU) sekundierte: „Die Situation ist dramatisch.“ Klemens Köberle (LMU) räumte ein, der Gemeinderat sei durch seine Ausgabenbeschlüsse mitverantwortlich. Ulrich Hagenbuch (FW) sah es ähnlich: „Wir waren zu fahrlässig.“

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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7 Antworten zu Mühlacker vor dem Finanzkollaps

  1. will.hofm. sagt:

    „Wir waren zu fahrlässig“

    Verletzten Mitglieder eines Gemeinderates schuldhaft ihre gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern bestehende Pflicht, denen ein Schaden (welcher?) erwuchs und dieser nicht durch Rechtsmittel abgewendet werden konnte (wie?) und wenn für den Schaden keine anderweitige Ersatzmöglichkeit (welche) bestand,

    dann sind die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegeben.

    Also: Die Ochsentour!

  2. Chr.Z. sagt:

    Rechtzeitig nur zu informieren, das reicht nicht aus.

    Die erforderlichen Maßnahmen müssen von der Verwaltung zeitnah vorgeschlagen und im Gemeinderat abgestimmt werden.

  3. Nag. sagt:

    Bis zum Ausscheiden des „Übervaters“!

  4. ü sagt:

    Wie lange noch?

  5. p sagt:

    Bei der Großen Kreisstadt Bretten scheint noch heile Welt zu sein!

  6. Tab. sagt:

    In Pforzheim hat der neue OB die Bücher geöffnet:

    Haushaltssperre!

  7. mm sagt:

    „Wir waren zu fahrlässig“, käme so ein Satz einem Brettener Gemeinderat über die Lippen? Niemals! Warum auch, bei uns gibt’s keine Krise, alles ok. Bis dann der neue OB die Bücher öffnet….

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