Verarbeitendes Gewerbe erlebt massive Durststrecke

4 000 Kurzarbeiter in 70 Firmen in der Region Bretten
„Konjunkturelle Talsohle ist noch nicht erreicht“
Von unserem Redaktionsmitglied Joachim Schultz
Bretten. Die Durststrecke zieht sich und immer mehr regionale Unternehmen kämpfen mit der allgemeinen Wirtschaftskrise. Zahlreiche Firmen in Bretten und Umgebung verbuchen ein schlimmes erstes Quartal. Dass sich an dieser Situation schon bald etwas grundlegend ändert, dafür fehlen der Leiterin der Brettener Arbeitsagentur, Florence Lingenfelser, die Anzeichen. Im Gegenteil, ihre Skepsis überwiegt. „Die konjunkturelle Talsohle ist noch nicht erreicht. Das macht vor allem der Anstieg der Zahl der Arbeitslosen deutlich“, hebt Lingenfelser hervor.

Einen Absturz erlebt das regionale verarbeitende Gewerbe, besonders betroffen sind Hersteller in der Autozulieferindustrie. Angesichts des massiven Auftragseinbruchs gibt es nicht mehr überall ausreichend Arbeit. Bei der Brettener Arbeitsvermittlung haben deswegen in den vergangenen Monaten die Anträge von Firmen für konjunkturell bedingtes Kurzarbeitergeld sprunghaft zugenommen. Lingenfelser legt dazu Zahlen vor: Im Januar zahlte die Agentur an 934 Beschäftigte in einem halben Dutzend Firmen Kurzarbeitergeld, inzwischen arbeiten etwa 4 000 Menschen in 70 Firmen kurz und erhalten staatliche Leistungen.
„Allein 1 700 Menschen kamen im März hinzu, als die Firma E.G.O. in Oberderdingen Kurzarbeit anmeldete“, sagt Lingenfelser. Im April erlebte man 600 Zugänge, jedoch in beschränktem Umfang auch wieder Abgänge.

„Der Brettener Agentur sind aktuell keine Firmen bekannt, die Arbeitnehmer wegen der Wirtschaftskrise entlassen. Sollte der Abschwung erkennbar noch einen längeren Zeitraum dauern, könnten die Betriebe aber auch mit Entlassungen reagieren.“ Doch davon seien viele Unternehmen noch weit entfernt. Die Führungen blickten optimistisch in die Zukunft und nutzten das Kurzarbeitergeld als Überbrückung. Andere Hersteller werden möglicherweise ihre Situation prinzipiell überdenken und gegensteuern, wenn die Einnahmen dauerhaft schlicht nicht mehr ausreichen, um die Produktionskosten zu decken. Zitat Lingenfelser: „In manchen heimischen Firmen grübelt man darüber, ob man eine konjunkturelle Delle oder eine Strukturkrise erlebt. Letzteres könnte zu Einschnitten im Personal führen. Doch die Unternehmen halten sich bedeckt. Die Stimmung ist dort so, dass die Krise in ein paar Monaten überwunden ist und man dann wieder Land sieht.“

Ungeachtet der miserabel laufenden Geschäfte wollten die Firmen an der Stammbelegschaft festhalten. „Man weiß in den Chefetagen, dass man über gut ausgebildetes Personal verfügt, das man so lange wie möglich halten will“, betont die Brettener Agenturleiterin.
Die Krise lässt mittlerweile die Geschäfte in anderen Branchen erlahmen. Unerwünschte Nebenwirkungen des Abschwungs kämen in der Dienstleistungsbranche an. So die Beobachtung der Brettener Arbeitsagentur. Lingenfelser nennt die Gastronomie. „Es sind vor allem Gastro-Betriebe betroffen, die von Firmenkunden abhängig sind.“

Auf der Kippe steht der Lehrstellenmarkt. Nach Worten Lingenfelsers verzeichnet die Agentur eine Zurückhaltung, was die Meldung von Ausbildungsplätzen für 2009 und 2010 betrifft. „Wir hoffen noch auf positive Signale der Firmen. Es ist der Arbeitsagentur bewusst, dass derzeit andere Probleme nach vorne rücken, aber die Betriebe sollten trotz allem die Ausbildung von Fachkräften nicht vergessen.“

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