Leserbrief : Der Häuptling am Kaiserdenkmal

(Text wurde uns von den Autoren freundlicherweise mir der Genehmigung zum Abdruck zugesandt. Vielen Dank sagt der BAK! )

Bei Karl May war die Welt noch in Ordnung. Das Wort des großen Häuptling Winnetous war wie ein Fels, seine Brüder konnten sich blind darauf verlassen.
Aber in Bretten 2009 zerfliessen die Worte unseres großen Stadthäuptlings.

“Bis Ende März ist die Baustelle in der Weststadt, Melanchthonstraße vollständig beendet, bis hinauf zur Ampelanlage Engelsberg.“

So tönte es aus dem Munde des Brettener Winnetous noch Ende Januar. Doch die Krieger vom Stamm der Straßenbauer und Pflasterer tanzten zu ihrer eigenen Pfeife – auf den Köpfen der Anlieger, des Häuptlings und vor allem rund um den alten Kaiser Wilhelm. Und das Wort unseres Häuptlings verwehte im Frühjahrswind.
Doch es gibt Hoffnung – auf die Lex Brettania, das Brettheimer Recht aus alten Zeiten, welches besagt, dass:

„ Arbeiten an der Strasse und im dazugehörigen Unter- grunde in der Regel 2 Jahre brauchen sollten. Ausnahme sind Strassen und Plätze, die für das große Stadtfest benötigt werden. Diese Baustellen sind grundsätzlich bis zum 29. Juni fertigzustellen.“

Und das Lachen hat man trotz alledem noch nicht verlernt in der Weststadt.
Als Beispiel einige Verse aus einer alten Moritat. (am besten summt man beim Lesen die Melodie dazu :
„Mariechen saß weinend im Garten.“

In Bretten im schönen Kraichgau,
der alten Melanchthonstadt
wo der VfB von Bretten
und der KSC seine Fans hat
da wollt einmal der Magistrat
einen neuen Kreisel bau’n
Und rund ums Kaiserdenkmal
en Haufen Geld raushaun

Zuerschd kame die Abschperrgidder
so sagt die Bauleidung
Zwar waren die Pläne nicht fertig
doch um’d Weststadt Um-lei-tung
So mancher Autofahrer
der irrt durch die halbe Stadt
zum dritte Mal in de Sackgass‘
jetzt hatt ‚er des Einkaufe satt

In de Bahnhofschdraß henn se angfange
und hebe dort Löcher aus
e halbes Dutzend Rohre und Kabel
en Grabe kriegt jedes Haus
Zwei LKWs und sechs Bagger
werde auf die Bauschdell g’fahrn
Oft sieht man zwei Arbeiter bloß schaffe
des macht vier Maschinen pro Mann

Und d’Gräbe wachse länger und länger,
und d’Löcher werden immer mehr,
Heut zugschütt und morge uffgebaggert
man wundert sich gar sehr
und kommen Pflasterer aus der Ferne
oft müsse sie gleich wieder geh’n
Die Leitungen sind noch net fertig
de Anwohner tut das weh.

Und willsch du emol zwecks Bildung
In Breddä in d’Buchhandlung gehen
Mußt du durch Schotter und Gräbe steige
de Melanchthon tut sich rumdreh’n
Und schaffscht es tatsächlich zum Bäcker
bringsch frische Brezel nach Haus.
Dahoim wartet die Herzallerliebste
brüllt „Zieh’sch zuerst mol die Dreckschuh aus

Und der friedliche Bioladner,
der wird gar rabiat
verteidigt den Zugang zum Laden
und droht mit heftiger Tat
des Chaos uf der Strasse
kann die Apothekerin nicht mehr sehn
kreiert aus Drogen und Kräuter
en Baustelle Tröster Tee

Und im Second Hand Buchladen
do sind jetzt ausverkauft
die Bücher wo es drinsteht
wie man Strasse vernünftig baut
Die gute Frau aus’m Blumelädle
die lächelt sanft und mild
mit wunderschöne Blümle
verziert sie des Umleitungsschild

Leider sind einige Strophen verloren gegangen.
Die letzte beginnt
Paulinchen steht strahlend am Denkmal…

Günter Stahl und Anita Schad, Naturkostladen Kornblume, Bretten 2009

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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3 Antworten zu Leserbrief : Der Häuptling am Kaiserdenkmal

  1. Ottm.Schu. sagt:

    Marx war einmal – aber Murks ist immer noch!

  2. Ottm.Schu. sagt:

    Murks am Bau bedeutet in diesem Fall noch ein dickes Lob! 🙂

  3. Gust./Fo. sagt:

    Straßenbauliche Zustände wie im zerbombten Nachkriegsdeutschland!

    Von einer geordneten Baustellenarbeit inklusive der Tiefbauarbeiten nichts zu erkennen!

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