„Nicht die Waffe, sondern der Täter ist schuld“

Beim Brettener Kleinkaliberschützenverein wird über den Amoklauf in Winnenden diskutiert
400 Schüsse bei jedem Training
Von unserer Mitarbeiterin Miriam Steinbach
Bretten. „Hey Saskia, als ich vom Amoklauf in Winnenden hörte, habe ich gleich an dich denken müssen“ – diesen Satz durfte sich die Sportschützin Saskia Schneider unmittelbar nach dem schlimmen Blutbad in der schwäbischen Kleinstadt des Öfteren von Klassenkameraden anhören. „Das hat mich schon ein wenig geärgert“, erinnert sich die 16-jährige Schülerin. „Denn nur weil ich beim Brettener Kleinkaliberschützenverein bin und mit dem Luftgewehr auf eine Scheibe schieße, bin ich doch nicht gefährdeter als andere. Schließlich habe ich Freunde, werde nicht gemobbt und in meiner Familie gibt es auch keine Probleme.

Die Ursache, dass jemand Amok läuft, liegt doch nicht daran, dass man beim Schützenverein unter Aufsicht schießt.“ Vielmehr müsse doch in der Biografie des Täters nach den Gründen gesucht werden. „Nicht die Waffe, sondern der Täter ist schuld.“

Viel diskutiert wird seit dem Amoklauf in Winnenden bei dem Brettener Verein über die Gefahr von Waffen, die Bedeutung von entsprechenden Gesetzen oder auch einem entsprechenden Umgang mit den Nachwuchsschützen. „Etwa zehn Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahre trainieren jeden Freitagabend bei uns mit Luftpistole und -gewehr“, berichtet der Vorsitzende des Schützenvereins, Harald Schöntag. „Und trotz des Amoklaufs machen wir uns keine Sorgen, dass irgendeiner von ihnen auf dumme Gedanken kommen könnte.“ Denn von der ersten Trainingsstunde erkläre man den jungen Menschen die Sportwaffen detailgetreu und mache ihnen auch deutlich, dass niemals auf einen Mensch geschossen werden darf, sagt Schöntag. „Aber eigentlich ist das für die Jugendlichen auch gar kein Thema. Denn die, die zu uns kommen, wollen nicht schießen, weil sie ihre Aggressionen loswerden wollen.
Im Gegenteil: Für das Schießen ist höchste Konzentration, Körperbeherrschung und Ruhe notwendig“, erklärt Ehrenmitglied Jürgen Eckert. Dies bestätigt Saskia Schneider, die selbst seit vier Jahren beim Schützenverein aktiv ist. „Beim Wettkampf-Schießen muss ich bis zu 75 Minuten konzentriert sein, da wäre Aggressivität oder Nervosität eher hinderlich.“
Auch der Sportschütze Dustin Jung berichtet von der eher beruhigenden Wirkung des Schießens. „Ich spiele ansonsten noch Baseball. Da geht es durch den Personenkontakt oftmals viel turbulenter zur Sache“, so der 17-Jährige.
Damit sich die jungen Nachwuchstalente überhaupt auf jeden ihrer 400 Schüsse, die sie bei jedem Training abgeben, konzentrieren können, werde vor der Übungsstunde etwa fünf Minuten lang Kicker gespielt, berichtet Jugendleiter Heiko Meyer „Wir powern uns so aus“, meint der Jugendleiter. Und es werde dadurch auch das Gemeinschaftsgefühl gestärkt, was für Jugendliche sehr wichtig sei. „Amokläufe werden ja meist von Außenseitern begangen. Die haben wir im Verein so gar nicht.“

So fühlt sich auch der 20-jährige Kreismeister Patrick Schmich richtig wohl beim Verein. „Und es bringt doch jetzt nichts, schon wieder über Waffengesetze zu diskutieren“, meint er. „Ich finde es wirklich schade, dass wegen Winnenden so schlecht über die Sportschützen geredet wird. Niemand sagt etwas über Golfspieler, obwohl beispielsweise in den USA oftmals bei Morden ein Golfschläger die Waffe ist“, sagt der 20-Jährige. Er wünsche sich, dass die Menschen mehr differenzieren würden zwischen denen, die einfach nur zum Kleinkaliber greifen, weil sie eine Sportart betreiben und denen, die Menschen oder Tiere töten oder verletzen möchten.

Auch der 21-jährige Sportschütze Simon Schneider ist von der erneuten Debatte rund um eine Verschärfung des Waffengesetzes genervt. „Wir haben doch eh schon eines der strengsten in Europa. Und wenn, wie in Winnenden, der Vater die Waffen so ungesichert aufbewahrt, bringt doch auch eine Verschärfung des Waffengesetzes kaum etwas. Es wird doch hier wirklich über die falschen Ursachen diskutiert.“

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