Hohe Verluste durch Cross-Border-Geschäfte

Trinkwasser wird teurer
Stuttgart – Die Zweckverbände Landes- und Bodensee-Wasserversorgung müssen mit hohen Verlusten aus ihren Cross-Border-Leasinggeschäften rechnen. Die im November 2008 von den Verbandsversammlungen genehmigten 50 Millionen Euro zur Sicherung der US-Mietgeschäfte reichen nicht aus – es müssen wohl 100 Millionen sein. Für sieben Millionen Verbraucher wird das Wasser teurer.

„Ja, es ist richtig, aus unserem ehemaligen Gewinn wird ein Verlustgeschäft“, bekannte der Esslinger OB Jürgen Zieger am Donnerstag auf Anfrage. „Das ist eine bittere Erkenntnis, aber wir müssen da jetzt durch“, so der OB. Zieger ist sowohl bei der Landes- (LW) als auch bei der Bodensee-Wasserversorgung (BWV) stellvertretender Verbandsvorsitzender. Beide Verbände versorgen im Land sieben Millionen Menschen mit Trinkwasser. Die müssen mit höheren Preisen rechnen.

Die Verbände waren 2001 und 2002 Leasinggeschäfte mit amerikanischen Investoren eingegangen. Die USA hatten diese durch Steuerboni gefördert. LW und BWV hatten ihre Anlagen für 688 und 841 Millionen Euro an den Investor Wachovia vermietet und zurückgemietet. Das Geld wurde angelegt. Die Verträge sollten nach 30 Jahren beendet werden.

Die 30-jährige Sicherheit aber trog. 2008 fielen durch die US-Bankenkrise die in den Leasingverträgen festgelegten Mindestbonitäten (Rating) des US-Vertragspartners AIG, eines Versicherers. Bei ihm sind die rund 1,5 Milliarden Dollar der Verbände in Wertpapieren angelegt.

Um weitere Verluste auszuschließen, beschlossen die Verbände, die Wertpapiere in krisensichere US-Staatsanleihen zu tauschen. Diese bringen zwar einen niedrigeren, dafür aber einen garantierten Zins.

Jürgen Zieger und der Leonberger OB Bernhard Schuler als Co-Stellvertreter nehmen an, dass die Kosten der Neustrukturierung des Cross-Border-Leasings „unter 100 Millionen Euro“ liegen werden. Am Steuergewinn des amerikanischen Investors hatten die Verbände 2001 und 2002 mit einem „Barwertvorteil“ partizipiert. Die LW nahm einschließlich Zinsen 30,7, die BWV 44,2 Millionen Euro ein. Insgesamt verdienten sie an der Transaktion 74,9 Millionen.

Dieses Geld reicht zum Umbau des labilen US-Finanzkonstrukts nicht mehr aus. „Die bittere Erkenntnis ist, dass wir Geld bringen müssen“, so Zieger. Dabei habe man doch für die Bürger Gutes tun wollen.

Bei den Versorgern gibt es dem Vernehmen nach offenbar Szenarien, in denen nicht nur rund 100, sondern schlimmstenfalls ein Aufwand von 300 Millionen Euro berechnet wird.

„Die 300 Millionen Euro sind genauso spekulativ wie alles andere“, will Wolfgang Eisele, der kaufmännische Geschäftsführer der LW, zu den Szenarien keine Stellung nehmen. Die Umstrukturierung sei „ein Prozess“, bei dem auch der Auftrag der Verbandsversammlungen nach der Auflösung der Verträge weiter verfolgt werde. Er kenne die 300er Zahl nicht, sagt Eisele.

Dass die 300 Millionen Euro nicht völlig abwegig sind lässt sich allerdings leicht nachrechnen:
Zwei Tage nach ihrer letzten Versammlung forderten die Verbände von der AIG ihr in Wertpapieren angelegtes Geld. „Der Betrag wurde uns nicht zur Verfügung gestellt“, sagt Alexander Frey, Sprecher bei der BWV. Stattdessen habe AIG den Berechnungsmodus für die Auszahlung geändert. Der Investor Wachovia genehmigte eine Fristverlängerung zur Umwandlung. Die AIG will nun nur noch einen „Mindestwert“ zahlen.

Seitdem arbeitet die Zeit gegen die Verbände. „Je länger wir warten, desto mehr ändert sich der Zinssatz der US-Anleihen“, bestätigt Frey eine Anfrage unserer Zeitung.

Ende November lag der Zinssatz für mindestens zehnjährige US-Staatsanleihen um mehr als ein Prozent höher als Ende Januar, sagt Matthias Huth, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Wer im November für 1,5 Milliarden Dollar eine 20-jährige Anleihe zeichnete, konnte am Ende mit 2,985 Milliarden Dollar rechnen. Bei einem Prozentpunkt weniger bleiben nach 20 Jahren nur 2,458 Milliarden. Um den Zinsverlust auszugleichen, müssten heute für 320 Millionen Euro mehr Staatsanleihen gekauft werden.

„Wir sind in einer schwierigen Situation, das kann man nicht beschönigen“, sagt Bernhard Schuler. Die nächsten Verbandsversammlungen sind am 18. Februar.

Konstantin Schwarz
22.01.2009 – aktualisiert: 22.01.2009 22:08 Uhr

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27 Antworten zu Hohe Verluste durch Cross-Border-Geschäfte

  1. l-rd sagt:

    Mit fremdem Geld umso leichter!

  2. n.-K. sagt:

    Warnung:

    Zocken kann süchtig machen!

  3. j(Lim) sagt:

    Warum haben die BNN noch nichts darüber berichtet?

  4. RL sagt:

    Danke liebe Gutmenschen & BWL Versager… Ich dachte, dass die Kohle die ich fürs Wasser entrichte für Wasserleitungen, Wasseraufbereitung ausgegeben werden. Aber es scheint, dass auch hier einige Funktionäre und Politiker Hobbybanker spielen wollten… Wohin das führt sieht man z.B. bei den Landesbanken. DANKE ihr Gutmenschen! Wenn die Aktion ein „gut gemeint“ war möchte ich nnicht wissen wie Repressionen gegen die Bevölkerung aussehen würden…

  5. -neresh- sagt:

    Im Zweifelsfall Herr Stächele (CDU)! 🙂

  6. -schw- sagt:

    Wer schützt uns Wasserverbraucher zukünftig vor pokerartigen Spekulationen der zwei Wasserversorgungsunternehmen?

  7. i-L sagt:

    „Dabei habe man doch für die Bürger Gutes tun wollen.“ 🙂

    Das hat der Sprücheklopfer wohl mit „dem Wort zum Sonntag“ verwechselt! 🙁

  8. torst. sagt:

    Seit dem 3. Juni 2008 ist Finanzminister Stächele im Amt.
    Im Oktober 2008 wurde den Verbrauchern die Pleite der beiden Wasserversorger des Landes mit ihren Geldanlagen bekannt.

  9. B-L sagt:

    Das klappt immer! 🙂

  10. Völl. sagt:

    Abzocke auf die feine öffentlich-rechtliche Art! 🙂

  11. Völl. sagt:

    Sieben Millionen = 7.000.000 Verbraucher im Land dürfen für den Blödsinn einiger weniger „Deppen“ und die daraus entstandene finanzielle Schieflage mit ihrem schwer verdienten Geld herhalten.

  12. AP sagt:

    Ein guter Finanzminister hätte schon längst eine Sonderprüfung veranlassen müssen.

  13. AP sagt:

    Den Lesern seit Oktober 2008 bekannt.

  14. qt sagt:

    Antwort an Fragezeichen am 23. Januar 2009

    „Warum schweigt Finanzminister Stächele zu diesem Skandal?“

    Es gibt doch keinen Skandal – es ist Normalität. 🙂

  15. -Kris.(To) sagt:

    Sehr schlechte schauspielerische Leistungen in äußerst dümmlichen Rechtfertigungsversuchen der mitverantwortlichen Berichterstatter mit dem Ziel, die wehrlosen Verbrauchskunden auf höhere Preise einzustimmen!

  16. uwe sagt:

    Der Brettener Amtskollege vom Esslinger OB!

  17. uwe sagt:

    An udo am 23. Januar 2009

    Nicht nur in Sachen Rüdtwald hat ein weiterer netter Märchenonkel den Brettener Bürgerinnen und Bürgern schöne Märchen erzählt.

  18. Fragezeichen sagt:

    Warum haben diejenigen Politiker, die behaupten, “ man habe doch für die Bürger Gutes tun wollen“, ihre Wähler skrupellosen Abzockern ausgeliefert? Wurden diese „Volksvertreter“ womöglich noch mit satten Zuwendungen von der Cross-Border-Mafia beglückt? Wer gibt den Bürgern darauf eine ehrliche und erschöpfende Antwort? Die Regierungspräsidien? Die Landesregierung? Warum schweigt Finanzminister Stächele zu diesem Skandal?

  19. f/gl. sagt:

    Was für eine Meinung hat eigentlich der Landesrechnungshof Baden-Württemberg zu dem finanziellen Abenteuer mit den Kundengeldern?

  20. udo sagt:

    Siehe meinen Kommentar oberhalb:

    Die Wasserkunden im Land müssen sich zu allem Übel auch noch schöne Märchen vom guten Märchenonkel

    – dem Esslinger OB Jürgen Zieger –

    erzählen lassen.

  21. del- sagt:

    Einziger Vorteil: Das Geld bleibt im Musterländle! 🙂

  22. del- sagt:

    Zweckverbände mit riskanten Bankgeschäften.

    Warum legen die zukünftig das Geld der Verbraucher nicht gewinnbringend in den Kasinos von Baden-Württemberg an. Denen soll es echt schlecht gehen.

  23. bertl. sagt:

    Zocker so weit das Auge reicht.

    Auch in Zweckverbänden!

  24. Proll sagt:

    ach wie lieb! Man hat nur Gutes tuen wollen! Das sagen die, die in guten Zeiten den Bürgern den Mund verbieten, sollten sie es wagen ihre Meinung zu sagen oder gar zu warnen. Heuchler, allesamt!

  25. uwe sagt:

    Ich kenne leider keinen Politiker, der Gutes für die Bürger tun will.

  26. udo sagt:

    „Dabei habe man doch für die Bürger Gutes tun wollen.“

    Der Spruch hat bestenfalls dann Gültigkeit, wenn Weihnachten und Ostern auf den gleichen Tag fallen.

  27. mm sagt:

    und wir in Bretten sind wieder einmal dabei! Dank an alle Entscheidungsträger/Innen, jetzt haben wir zwar „weiches“ Wasser, aber harte Zahlen!

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